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Killer-Games schaden mehr als angenommen

Schweizer Regierung nimmt Stellung

von H. Frei, Zürich Das Geschäft mit Computerspielen boomt, in Deutschland, in Österreich, aber auch in der Schweiz. Ein Promotor von sogenannten Ego-Shooter-Games (der Spieler selbst spielt und tötet), von Killer-Games, schrieb mir, mit diesen Computerspielen werde nur fiktiv virtuell getötet, gequält und verstümmelt. Man könne sagen, wer das Kino besuche oder sich mit Ego-Shooter-Spielen beschäftige, wisse, dass Menschen eben nur in Anführungszeichen "getötet" würden. Und weiter meinte er: Der Gamer sei sozusagen darauf vorbereitet, dass die Morde nichts und rein gar nichts mit der Realität zu tun haben würden. Es seien nur der Realität nachgebildete Pixelkörper, die einem im Weg stünden, die man tötet, um das vom Spieldesigner definierte Ziel zu erreichen. Ob man jetzt rote Pixelhaufen (Blut) sehe oder nicht, spiele für den Grossteil der Gamer überhaupt keine Rolle. Zu diesen Killer-Games stellte der ehemalige US-Militärpsychologe Dave A. Grossmann fest, dass ähnliche, aber eher weniger brutale Ego-Shooter-Games, wie zum Beispiel "Counterstrike", von der US-Armee benutzt werden. Die Army verwendet diese "Spiele", um Teenager zu trainieren, die die Absicht haben, in die Armee einzutreten. Jugendliche lernen in diesem militärischen Vorunterricht, mit diesem Armeematerial Menschen virtuell zu töten. Man stumpft sie so frühzeitig ab, desensibilisiert sie gegen menschliches Leiden, macht sie fit für den Kriegsdienst. Grossmann dokumentierte ausführlich die negative Wirkung von Gewaltdarstellungen im Fernsehen und von Computergames auf Kinder. (Siehe Website Dave A. Grossmann, www.killology.com, und das Buch "Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?" von Dave Grossmann und Gloria DeGaetano.) Vor zwei Jahren lief der 19jährige Schüler Robert Steinhäuser am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt Amok. Er übte seine Tat mit dem Computerspiel "Counterstrike". Im amtlichen Untersuchungsbericht des Amoklaufes von Erfurt wurde festgehalten, dass bei der Durchsuchung des Zimmers des Attentäters in erheblichem Umfang blutrünstige, gewalt-darstellende Videofilme gefunden wurden. Darüber hinaus wurden eine Vielzahl von Computerspielen, darunter überwiegend sogenannte Ego-Shooter, aufgefunden. Derartige Computerspiele haben die gezielte und sich ständig wiederholende Tötung zum Inhalt. (Seite 335 und 336 des amtlichen Untersuchungsberichtes) Anfrage Nationalrat Dunant Nationalrat Dr. Jean Henri Dunant, Privat-Dozent der Medizin aus Basel, stellte zu den Killer-Games in einer Anfrage an den schweizerischen Bundesrat fest: Zwar sei über den Jugendschutz geregelt, dass je nach Bedenklichkeitsstufe solche Computerspiele nur an über 12- bzw. 16- oder 18jährige abgegeben werden. Gerade dies animiere jedoch besonders dazu, sich möglichst brutale Spiele zu beschaffen. Alle Bedenken gegenüber Brutalo-Computerspielen würden bisher bagatellisiert, führte Dunant aus. Das virtuelle Herumhetzen von Menschen, das virtuelle Verletzen, Quälen, Erschiessen und Abschlachten sei eine Form der Unterhaltung, die ja niemandem real schade, werde gesagt. Im übrigen seien gleiche Szenen ja im Internet frei zugänglich. Studien hätten inzwischen jedoch belegt, dass der Konsum solcher Produkte gerade bei Jugendlichen zu einer gestörten Einschätzung der realen Welt führe und gegenüber menschlichem Leiden abstumpfe. In der Folge würde sich aggressives Verhalten häufen, während die Beziehungsfähigkeit zurückgehe. In der Anfrage will Nationalrat Dunant vom Bundesrat wissen, wie dieser die Situation beurteile und ob er plane, gegen die Verbreitung perverser Brutalo-Computerspiele vorzugehen. Im Gegensatz zu der mit Recht polizeilich verfolgten Kinderpornographie seien ebenso perverse Brutalo-Computerspiele überall erhältlich und kein Thema. (Nationalrat, 04.1123, Anfrage Dunant, Brutale Computerspiele, vom 6. Oktober) Bundesrat: Gewaltdarstellungen beeinflussen Jugend negativ Der Bundesrat antwortete sehr rasch. Er teilt die Auffassung von Nationalrat Jean Henri Dunant, dass der Konsum von brutalen Gewaltdarstellungen - seien dies reale Bild- oder Filmaufnahmen oder künstlich hergestellte, virtuelle Computerspiele - das Verhalten gerade auch von Jugendlichen in einer für sie und die Gesellschaft negativen Weise beeinflussen kann. Solche Gewaltdarstellungen seien zudem allgemein geeignet, die Bereitschaft zur Nachahmung zu erhöhen oder zumindest die Abstumpfung gegenüber Gewalttätigkeiten zu fördern, stellte der Bundesrat fest. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge sei schon am 1. Januar 1990 die sogenannte "Brutalonorm", Artikel 135 des Strafgesetzbuches, in das schweizerische Strafgesetzbuch eingeführt worden. Seither werde in der Schweiz "mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände oder Vorführungen, die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerster Weise verletzen, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht." Unter den Anwendungsbereich von Artikel 135 des Strafgesetzbuches würden alle optisch oder akustisch wahrnehmbaren Gewaltdarstellungen fallen, namentlich die Brutalo-Computerspiele sollten nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich mit erfasst werden. Die rechtlichen Mittel wären also in der Schweiz längst vorhanden, um gegen brutale Computerspiele vorzugehen. Seit dem April 2002 sind auch der Erwerb, die Beschaffung über elektronische Mittel sowie der Besitz von solchen Gewaltdarstellungen strafbar. Laut Bundesrat sollen die Kantone gegen die Verbreitung von brutalen Computerspielen vorgehen. Denkbar seien zum Beispiel gewerbepolizeiliche Massnahmen oder Informationskampagnen im Bereich Schule und Elternhaus. Eine Bluttat, die offensichtlich durch Computerspiele inspiriert wurde, fand in diesem Sommer in Grossbritannien statt. Dort wurde der 14jährige Stefan Parker durch den 14jährigen Warren Le Bon ermordet, genau auf die Art, wie solche Hinrichtungen im Computer-Game "Manhunt", das Warren Le Bon spielte, vollstreckt werden. Regale sind voll von Brutalo-Computerspielen Weder die zuständigen Staatsanwaltschaften, noch die nationale Koordinationsstelle Internetkriminalität, weder Bund und Kantone, die laut der Antwort des Bundesrates auf die Anfrage Dunant zuständig wären, haben jedoch bis heute wirklich etwas gegen die Verbreitung von Brutalo-Computerspielen unternommen. Wer sich in der Schweiz in Läden wie Ex-Libris (Migros), Interdiscount (Coop), Media Markt, Eschenmoser, Franz Carl Weber, Manor, Jelmoli usw. umschaut, wird feststellen, dass die Regale voll sind von Killer-Computerspielen. Weltweit sind diese abartigen Spiele ein Milliardengeschäft, das sich clevere Manager auch hier nicht entgehen lassen wollen. Der Präsident des Dachverbandes der interaktiven Unterhaltungsbranche, Roger Frei, hat laut der Boulevard-Zeitung "20 Minuten" vom 18. November denn auch schon die Stellungnahme des Bundesrates als eine "unangebrachte Hetzkampagne" bezeichnet. "Im Juli 2000 wurde bei einer Kongressanhörung beider Parteien und beider Kammern folgende gemeinsame Erklärung abgegeben: 'Weit über tausend Studien weisen übereinstimmend auf eine kausale Verknüpfung zwischen Mediengewalt und aggressivem Verhalten mancher Kinder hin. Die Verantwortlichen des Gesundheitswesens ziehen aus mehr als dreissigjähriger Forschung den Schluss, dass ein Betrachten von Gewaltdarstellungen zur Unterhaltung besonders bei Kindern zur Zunahme aggressiver Einstellungen, Werte und Verhaltensweisen führen kann. Die Wirkungen sind messbar und dauerhaft. Darüber hinaus kann längeres Betrachten von Gewalt in Medien zu emotionaler Abstumpfung gegenüber Gewalt im realen Leben führen. Vorläufige Studien weisen darauf hin, dass die negativen Auswirkungen interaktiver elektronischer Medien (Gewalt in Videospielen) signifikant stärker sein könnten als die der durch Fernsehen, Filme und Musik Hervorgerufenen.' Gemeinsame Erklärung durch die
  • American Medical Association
  • American Psychological Association
  • American Academy of Pediatrics
  • American Association of Child
und Adolescent Psychiatry Damit erklären im wesentlichen alle amerikanischen Ärzte, Kinderärzte, Psychologen und Kinderpsychiater dem US-Kongress, dass Gewalt in Medien Gewalt bei Kindern verursacht und dass Gewaltvideospiele besonders gefährlich sind." Quelle: Zeit-Fragen Nr.46 vom 29.11.2004 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer News-Seite