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Pentagon-Geschäfte

Gute Kontakte zur Bush-Regierung: Wie Rüstungs- und private Militärfirmen mit dem "Krieg gegen den Terror" ihre Dollars machen.

Von Dago Langhans

PentagonSpätestens seit dem Überfall der USA und Großbritanniens auf den Irak im März 2003 weiß man, daß US-amerikanische Rüstungsfirmen und private Militärdienstleister erstaunliche Profite machen. Insbesondere jene mit guten Kontakten zur Bush-Regierung. Als Prototyp darf das Unternehmen Halliburton gelten, dessen früherer Chef Dick Cheney als amtierender US-Vizepräsident immer noch jährliche "Kompensationszahlungen" von seiner Exfirma erhält. Im letzten Jahr waren das immerhin 178437 Dollar. Anschuldigungen wegen überzogener Treibstoffabrechnungen im Wert von 61 Millionen US-Dollar und nicht gelieferter Soldatenmahlzeiten im Wert von 24,7 Millionen US-Dollar haben Halliburton ins Zentrum der öffentlichen Debatte gerückt. Justizministerium, Kongreßausschüsse und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen den weltgrößten Öl- und Gasdienstleister Halliburton und seine Tochtergesellschaft Kellog Brown & Root (KBR).

Nicht nur die erstaunlichen Eckdaten der Geschäfte Halliburtons und anderer Firmen, die an Krieg und Besatzung im Zweistromland verdienen, ließen Fragen nach Wettbewerb, Vertragsvolumen und Konditionen, parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und zweifelhaften Ausschreibungsverfahren aufkommen. Das rüstungskritische Center for Public Integrity in New York, das mit seiner Untersuchung "Windfalls of War" bereits im August 2003 die Kriegsgewinner der aktuellen US-Militärpolitik ins Visier genommen hatte, hat nun eine neue Studie vorgelegt, die sich auf die Vermittlung von milliardenschweren Militäraufträgen an die Rüstungsindustrie und private Militärdienstleister konzentriert. Abgesehen davon, daß die in verschachtelten Haushaltstiteln des Verteidigungsministeriums und der Haushaltsausschüsse des US-Kongresses versteckten Geschäftsabschlüsse keineswegs den gegenüber der Öffentlichkeit präsentierten Zahlen entsprechen, förderte die soeben publizierte Studie bemerkenswerte Fakten zutage.

Tendenz zur Monopolisierung

Für den Zeitraum von 1998 bis Ende September 2003 haben die Experten des Center for Public Integrity annähernd 2,2 Millionen Verträge untersucht, die vom Pentagon abgeschlossen wurden. Eine Gesamtsumme von 900 Milliarden US-Dollar ist dabei aus dem Etat des Verteidigungsministeriums in die Kassen großer und kleiner Rüstungsfirmen und privater Militärdienstleister geflossen. Im Zentrum der Recherchen standen Firmen, die mindestens 100 Millionen Dollar bei Verträgen mit dem Ministerium in dem sechsjährigen Zeitraum erwirtschaftet hatten. Letztlich fielen 737 Konzerne mit mehreren tausend Nebenfirmen und Tochtergesellschaften in dieses Raster. Nach neunmonatiger Ermittlung ist man zu zahlreichen verblüffenden Schlußfolgerungen gekommen:

Die Hälfte des Haushalts des Verteidigungsministeriums ging in diesem Zeitraum konstant an Privatfirmen. Die vom Kongreß gebilligten Etataufstockungen für die Interventionen in Afghanistan und Irak wurden im gleichen Umfang an diese Unternehmen weitergegeben.

Nur 40 Prozent der Verträge unterlagen der "offenen und umfangreichen Ausschreibung". Nach US-amerikanischen Haushaltspraktiken versteht man darunter entweder das Einholen vertraulicher Einzelangebote, von Konkurrenzangeboten oder eine Mischung aus beiden Verfahren. Zieht man nun noch diejenigen "Ausschreibungen" ab, für die sich nur ein einzelnes Unternehmen "interessiert" hat, bleiben 36 Prozent der Verträge übrig, die allgemeinen Wettbewerbsstandards entsprechen.

Ungefähr 44 Prozent der Vertragsabschlüsse wurden unter Umgehung der "offenen und umfangreichen Ausschreibung" an Einzelanbieter vergeben. Interessant sind in diesem Zusammenhang die Auftragsvergaben, verglichen nach Unternehmenssektoren. Während bei Angeboten im Baubereich oder bei medizinischen Dienstleistungen durchaus von einer vergleichbaren Wettbewerbssituation gesprochen werden kann, sieht das im militärischen Hochtechnologiebereich anders aus. Die Kritiker aus dem Center for Public Integrity haben die Vergabepraxis im Wert von über eine Milliarde Dollar nach Industriebranchen kategorisiert und festgestellt, daß bei der Beschaffung von Lenkraketen, Feuerleitsystemen, im Maschinen- und Turbinenbau, bei der Produktion von Flugzeugkomponenten, Motorfahrzeugen, Infanterieausrüstungen und Schiffen 80 Prozent der Abschlüsse ohne "vollen und offenen Wettbewerb" zustande gekommen sind.

Die begünstigten Unternehmen zählen überwiegend zu den Industriegiganten im Rüstungsbereich, deren wirtschaftliche Substanz durch die gegenwärtige Kontraktpraxis gesichert und gestärkt wird. Von der Gesamtmenge von Zehntausenden Firmen haben die bereits erwähnten 737 Großunternehmen über 80 Prozent der Beschaffungsaufträge erhalten. Die 50 größten Firmen haben davon mehr als 50 Prozent und die zehn größten Rüstungskonzerne 38 Prozent der für Anschaffungen bereitgestellten Gelder vom Pentagon entgegengenommen.

Die Tendenz zur Monopolisierung wird deutlich, wenn man sich vergewissert, daß in dem untersuchten Zeitraum mehr als 60 Rüstungs-, Zulieferer- und Militärdienstleistungsunternehmen von kapitalstärkeren Firmen übernommen wurden oder untereinander fusioniert sind. Das gilt sowohl für reine Rüstungsbetriebe wie insbesondere auch für Anbieter aus dem Energie- und Telekommunikationssektor. Im Dschungel von Übernahmen und Fusionen war es den Rechercheuren des Center for Public Integrity nicht leicht, die Spuren einzelner Unternehmen zu verfolgen. Denn selbst in die offiziellen Darstellungen des US-Kongresses und des Pentagon haben sich zahlreiche Fehler eingeschlichen.

Auftragsallianzen

Die vom Kongreß beschlossene Begünstigung von mittleren und kleineren Firmen fällt bei genauer Betrachtung noch dürftiger aus, als zu erwarten war. So rangieren in dieser Skala Dutzende Betriebe, die über 100 Millionen Dollar mit Pentagon-Abschlüssen machen, noch als "small businesses". Der Trick der Großunternehmen ist denkbar einfach und profitabel. 187 führende Rüstungsfirmen deklarierten kurzerhand die Hälfte ihrer Abschlüsse als Geschäftskontrakte mit kleineren Subunternehmen.

An der Spitze der Kriegsgewinnler steht Lockheed Martin mit Aufträgen im Wert von 94 Milliarden US-Dollar innerhalb des Sechsjahreszeitraums, gefolgt von Boeing mit 82 Milliarden. Hinter diesen Führungsgiganten teilen sich die Rüstungsfirmen Raytheon (unter 40 Milliarden US-Dollar), Northrop Grumman und General Dynamics (mit jeweils 34 Milliarden US-Dollar) die weiteren Top-Positionen. Bei dieser Skalierung wurden allerdings gemeinsame Joint-ventures der Monopolfirmen untereinander nicht berücksichtigt. Um sich ihre profitablen Umsatzmargen zu sichern, sind auch Konzerne, die miteinander im Wettbewerb stehen, durchaus bereit, zu dieser Art von Zusammenarbeit zu greifen. Ungeschlagene Spitzenreiter sind wieder einmal die Firmen Lockheed und Boeing. Lockheeds Kassen füllten sich im Berichtszeitraum mit 2,3 Milliarden US-Dollar aus sechs verschiedenen Joint-ventures, und Boeing erzielte einen zusätzlichen Umsatz von 2,1 Milliarden US-Dollar aus fünf verschiedenen Auftragsallianzen.

Die zehn wichtigsten Hauptauftragsempfänger des US-Verteidigungsministeriums haben, abgesehen von Science Applications International Corp. (SAIC), mehr als die Hälfte ihrer bewilligten Verteidigungsgeschäfte außerhalb wettbewerbsorientierter Ausschreibungen zustande gebracht. Das in San Diego angesiedelte Militärunternehmen SAIC gilt als Aufsteiger in die Oberkaste der Kriegsprofiteure.

Charakteristisch für die Auftragsvergabe sind sogenannte Cost-Plus-Abkommen. Bei dieser Art von Verträgen entfallen letztlich Kostenobergrenze und Kontrolle. Weil Preisobergrenzen bei diesen Verträgen nicht ausgemacht sind, kritisiert unter anderem der kalifornische Abgeordnete Henry Waxman seit langem diese Praxis als "Einfallstor für Mißbrauch". Vielzitiertes Beispiel ist hier der Halliburton-Konzern, der durch seine Preisaufschläge für Soldatenmahlzeiten und Treibstoff in die Negativschlagzeilen der Wirtschaftspresse geraten ist. Das frühere Unternehmen des jetzigen Vizepräsidenten Dick Cheney rangiert bei diesen Begünstigungsklauseln keineswegs in der oberen Kategorie der Abschöpfer. Dem Rüstungsgiganten Lockheed beispielsweise wurden bei einem Gesamtvertragsvolumen von 94 Milliarden US-Dollar die Hälfte seiner Pentagonaufträge mit "Cost-Plus"-Klauseln eingeräumt. Mit 42 Prozent von einer Gesamtmarge von 33 Milliarden US-Dollar folgt die Rüstungsschmiede Northrop Grumman. Ein gutes Drittel der Verträge mit den wichtigsten 737 Pentagon-Auftragsunternehmen wurden nach diesem Muster von verbindlichen Preisobergrenzen befreit.

Privatisierung von Militäraufgaben

Die Ausgabenstruktur des Pentagon hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten langsam, aber merklich gewandelt. Hintergrund ist eine bezeichnende Entwicklung, die bisher kaum analysiert wurde. 1984 waren noch über zwei Drittel der Verträge mit Privatfirmen nicht für den Erhalt von Dienstleistungen, sondern für Beschaffung abgeschlossen worden. Anfang der 90er Jahre war dieses Pendel umgeschlagen. Während früher Vereinbarungen getroffen wurden zum Kauf von Schiffen, Flugzeugen, Panzern und Raketen, geht heute die Mehrzahl der Dollars in den Erwerb direkter Dienstleistungen. Privatangestellte bewerkstelligen heute neben Regierungsbeschäftigten sowohl in den Konferenzräumen des Pentagon als auch im direkten Militäreinsatz im Irak-Krieg Aufgaben, die bislang der Durchschnittsbürger für Funktionen des Militärs gehalten hat. Die Zusammenarbeit zwischen uniformierten Militärangehörigen und Beschäftigten privater Militärfirmen wird immer stärker verzahnt, angefangen von der Abstimmung taktischer und strategischer Konzeptionen, der Ausarbeitung länderspezifischer militärpolitischer Pläne zum "nationalen Aufbau" in militärisch besetzten Ländern wie Afghanistan und Irak, über Budgetentwürfe bei Beschaffungen, bei nachrichtendienstlicher Aufklärung, bei der Verhörpraxis von Gefangenen und der Analyse von militärischen und nachrichtendienstlichen Aufklärungsergebnissen, bis zum Betrieb und Unterhalt von Radar- und Feuerleitsystemen. Die Privatisierung von Militäraufgaben hat mittlerweile solch eine Dynamik angenommen, daß es zu recht bizarren Konstellationen kommt. So sind inzwischen "Experten von Privatfirmen" vom Pentagon angeheuert worden, um für die US-Militärführung den Abschluß von profitablen Geschäftsvereinbarungen mit Rüstungsunternehmen und privaten Militärdienstleistern unter Dach und Fach zu bringen.

Den wachsenden Einfluß von Rüstungsfirmen auf die Politik belegt die Auftragsvergabe an Generalauftragnehmer, die sich eigenverantwortlich Subunternehmen aussuchen und ohne Kostenobergrenzen an langfristigen "Modernisierungsprogrammen" basteln. Die Entwicklung des Future Combat System durch Boeing/Science Applications International Corp. (SAIC) stellt hier nur die Spitze eines Eisbergs dar. (Siehe Beitrag "Militaristisches Utopia")

Profitabel ausgelagert

Symptomatisch für die Militärpolitik der Bush-Regierung bleibt die zunehmende Tendenz des Outsourcing bisheriger Kernaufgaben des Militärs. Dieser Trend ist offenbar "unterfüttert" durch die personelle Zusammensetzung der von den Bushisten ins Pentagon berufenen verantwortlichen Beamten. Nach einer Auswertung von Journalisten des Newsday kamen unter der Clinton-Regierung 23 Prozent der politischen Beamten des US-Verteidigungsministeriums aus den Managementspitzen der Industrie oder waren Unternehmensberater und Lobbyisten im Verteidigungsbereich. Unter Bush junior wurde deren Anteil auf 44 Prozent gesteigert.

Es sind nicht nur die bekannten Dienstleistungsfirmen wie Bechtel oder Halliburton, die von einer immer aggressiveren US-amerikanischen Kriegführung und einem dadurch immer umfangreicheren Netz US-amerikanischer Stützpunkte profitieren. Eine Vielzahl traditioneller Rüstungsbetriebe und neuer militärischer Dienstleister macht sich die durch das Pentagon favorisierte Politik der Privatisierung militärischer Aufgaben zunutze. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld rechnete im Mai letzten Jahres den Lesern der Washington Post vor, was er unter "Modernisierung" und "Reform" versteht. Nach seiner Arithmetik sind "300000 uniformiert Beschäftigte" mit Aufgaben betraut, die von Zivilisten, also Unternehmensbeschäftigten, ausführt werden sollten. Die Praxis, militärlogistische Aufgaben in großem Umfang an einzelne Privatunternehmen weiterzugeben, kann auf den ersten Irak-Krieg unter Bush senior und dessen Verteidigungsminister Dick Cheney zurückgeführt werden.

Grob überschlagen sind während des jetzigen Irak-Krieges über 20 000 Beschäftigte von Privatunternehmen mit logistischen Tätigkeiten betraut. Während unter der Ägide von Bush senior beim ersten US-Krieg gegen den Irak noch ein "Zuarbeiter" aus der Privatindustrie auf 100 Militärangehörige kam, ist das aktuelle Verhältnis auf 1:10 angewachsen.

Aufgaben, die bislang von Mannschaften bzw. Unteroffizieren ausgeführt wurden, wurden zur lukrativen Erwerbsquelle von Privatunternehmen. Der Betrieb von Soldaten- und Offizierskantinen, die Versorgung mit Lebensmitteln im Einsatz, Instandhaltung von Militäreinrichtungen bis hin zu Bewachungsaufgaben von Militäreinrichtungen sind mittlerweile ausgelagert. Die New York Times berichtete unlängst, daß die Stützpunktbewachung von über 40 Militäreinrichtungen privatisiert wurde. Dazu zählen solch einschlägig renommierte Institutionen wie die Militärakademie in West Point, die Eliteanstalt des Special Forces Command in Fort Bragg (North Carolina) und das Army War College in Pennsylvania. Selbstverständlich waren auch diese Verträge ohne Ausschreibung zustande gekommen. Denn wie die Militärs erklärten, wolle man im Irak schnell "ein Bein auf den Boden bekommen" und die freigesetzten Wachsoldaten dort einsetzen.

* Webpage: www.publicintegrity.org

Quelle: junge Welt vom 29.10.2004