Von Gerhard Klas In ihrem jüngsten "Weltwasserbericht" untersuchten UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation die Umsetzung der sogenannten "Millenniumsziele" der Vereinten Nationen in diesem Bereich. 189 Staaten hatten im Jahr 2000 versprochen, den Anteil der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser und zu Abwasserentsorgung haben, bis 2015 zu halbieren. Die mit dem Weltwasserbericht vorliegende Bestandsaufnahme läßt jedoch befürchten, daß dieses Ziel insbesondere in Afrika und Asien nicht erreicht wird. "Die Grundversorgung der ärmsten Menschen mit sauberem Wasser ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern auch der politischen Prioritäten", heißt es im Bericht. "Fortschritte in diesem Bereich sind überall dort erzielt worden, wo nach der Devise ›etwas für die vielen‹ statt ›vieles für die wenigen‹ verfahren wurde." Um so mehr verwundert es, daß im Weltwasserbericht mit keinem einzigen Wort die Privatisierung der Wasserversorgung und ihre Auswirkungen als Problem erwähnt werden. Ein Blick auf die Situation in den Megastädten der sogenannten Dritten Welt wäre dabei aufschlußreich gewesen - zum Beispiel auf Jakarta. Die 19jährige Jurastudentin Veronica aus Jakarta kauft regelmäßig in Flaschen abgefülltes Danone-Trinkwasser, obwohl es sehr teuer ist. Das Leitungswasser sei schlicht ungenießbar: "Jedes Mal, wenn ich es trinke, mache ich mir Sorgen, selbst wenn ich es abgekocht habe."
Private Anbieter In Jakarta organisieren heute Ondeo (früher Suez/Lyonaisse des Eaux) und Thames Water, eine RWE-Tochter, in vielen Stadtteilen die Wasserversorgung. Der französische Konzern Ondeo ist mit 125 Millionen Kunden weltweit das größte Unternehmen der Branche, RWE belegt auf der Weltrangliste den dritten Platz. 1995 hatte Indonesiens autoritärer Präsident Mohamed Suharto die Privatisierung des öffentlichen Wasserunternehmens Pam Jaya beschlossen. Der Vertrag mit Thames Water wurde damals von der Weltbank und dem britischen Department for International Development unterstützt. Der Kontrakt sah dabei nicht einmal vor, daß die staatliche Regulierungsbehörde, welche die Wassergeschäfte des Konzerns beaufsichtigen sollte, ein Recht auf Einsicht in Akten und die Finanzberichte der ausländischen Investoren bekam. Für die Wasserversorgung im Ostteil und Westteil Jakartas erhielten dann 1997, noch unter dem Suharto-Regime, die heutige RWE-Tochter Thames Water und der französische Multi Suez, damals noch Lyonnaise des Eaux, eine Konzession und sollten auch das während der niederländischen Kolonialzeit angelegte Leitungssystem der Millionenmetropole überholen. Kaum überraschend arbeiteten beide Konzerne mit indonesischen Geschäftsleuten zusammen, die zum engeren Freundeskreis des Suhartos zählten. Die Regierung, die nach dem Sturz Suhartos (1998) ins Amt kam, charakterisierte die Geschäfte mit den beiden Multis als korrupt und überführte die Wasserversorgung wieder in öffentliche Hand. Doch dieser Zustand sollte nicht lange währen. Die Konzerne verlangten eine Neuverhandlung der Verträge. Dagegen gab es zwar Widerstand, auch Streiks gegen die von den Konzernen geplanten Entlassungen von Mitarbeitern und Preiserhöhungen. Aber schließlich schloß die Regierung 2001 abermals Verträge mit den Multis ab. Thames Water hat sich damit im Ostteil der Stadt für 25 Jahre das Monopol auf die Wasserversorgung gesichert. Kein anderes Unternehmen hat in dieser Zeit das Recht, dort in das Geschäft mit Leitungswasser für die mehr als zwei Millionen Bewohner einzusteigen. Auch der neue Konzessionsvertrag knebelt die Stadt. Er legt fest, daß die Stadt bei einer Beendigung des Vertrages die gesamte Summe, die bis zum Zeitpunkt der Vertragskündigung investiert wurde, an den Konzern zurückzahlen muß, darüber hinaus die vereinbarten Profite für die gesamte Vertragsdauer von 25 Jahren. Dabei erfüllen die Konzerne ihre vertragsgemäßen Aufgaben nicht. Sowohl Thames Water als auch Ondeo schlossen weniger Haushalte an, als sie versprochen hatten. Bis heute klagen die Menschen in Jakarta über Unterbrechungen bei der Versorgung und über die schlechte Wasserqualität. Experten stellten eine hohe Konzentration von Schwermetallen und Reste von Reinigungsmitteln im Wasser fest. Ein Vertreter von Suez begründete die schlechten Leistungen seines Unternehmens mit der "Nachlässigkeit der Arbeiter", die nicht bereit seien, "mit ausländischen Arbeitgebern zu kooperieren". Gleichzeitig fordern jedoch beide Wasserkonzerne immer wieder Preiserhöhungen, denen die Regulierungsbehörde schon mehrmals zustimmte. Konflikte zwischen dem städtischen Unternehmen Pam Jaya, das die Konzerne eigentlich kontrollieren soll, und den privaten Partnern häufen sich in der jüngsten Zeit. Denn Pam Jaya soll nicht nur kontrollieren, sondern muß - im Rahmen einer "public-privat-partnership" - zahlen, wenn die Konzern-Einnahmen aus den Wassergebühren nicht die Kosten der privaten Investoren decken. Diese behaupten, das Geschäft sei längst noch nicht rentabel, auch wenn die Wasserpreise seit 1998 schon um fast 100 Prozent erhöht wurden. Nach Angaben der Regulierungsbehörde sollen mehr als 75 Millionen Euro Schulden an die privaten Betreiber Thames Water und Suez zurückgezahlt werden.
Preisspirale dreht sich Um diese Schulden zu begleichen, setzt sich Pam Jaya regelmäßig dafür ein, die Preise für Leitungswasser weiter heraufzusetzen. Im April 2003 stieg der Kubikmeterpreis für Wasser um 40 Prozent auf 49 Cent. 2004 erhöhte die Stadtverwaltung die Wasserpreise abermals um 30 Prozent, ausdrücklich auch für die ärmeren Haushalte und Stadtviertel. Anfang dieses Jahres erhöhte die Regulierungsbehörde erneut den Preis. Pro Kubikmeter kostet Trinkwasser nun 78 Cent, nur die ganz armen Haushalte bekommen Wasser für knapp fünf Cent. Pam Jaya kündigte an, daß es nun halbjährlich für alle privaten Konsumenten eine automatische Preiserhöhung geben werde - über einen Zeitraum von fünf Jahren. Und das in Jakarta, wo die große Mehrheit der Bewohner mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen muß.
Quelle: junge Welt vom 22.03.2005 Lesen Sie weitere interessante Artikel auf unserer
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