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USA zensurieren Irakbericht

Drei Viertel des irakischen Waffenberichts hatte die Bush-Regierung herausgestrichen, weil darin detailliert aufgezeigt wird, wie der Westen – allen voran die USA – den Irak militärisch hochgerüstet hatte.

Am 8. Dezember 2002 gegen Mitternacht waren Regierungsbeamte der USA in Begleitung des Präsidenten des Sicherheitsrats und kolumbianischen Uno-Botschafters, Alfonso Valdivieso, im 31. Stockwerk des New Yorker Uno-Hauptquartiers erschienen und hatten die mit der Abrüstung Iraks beauftragte Kommission (Unmovic) aufgefordert, ihnen die beiden Köfferchen mit dem Bericht aus Bagdad zu übergeben. Unmovic-Leiter Hans Blix mußte sich dieser Aufforderung beugen, weil sein Posten dem Sicherheitsrat untersteht. Das vom Irak in zwei Exemplaren gelieferte, aus 11'807 Seiten Papier und zwölf CD-ROM bestehende Waffendossier wurde umgehend nach Washington geflogen. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, bezeichnete dieses Vorgehen als eine vom Vorsitzenden des Weltsicherheitsrats erbetene Dienstleistung. Die US-Regierung besitze nämlich bessere Kopiergeräte als die Uno. Außerdem sei in Washington gewährleistet, daß keine vertraulichen Informationen in falsche Hände gelangen würden. Mit Druck und Geschenken (eine Erhöhung der Militärhilfe) überzeugte Washington die Regierung Kolumbiens, ihren Botschafter bei der Uno anzuweisen, die beiden Koffer aus Bagdad den Vertretern der USA auszuhändigen. Außenminister Colin Powell brachte auch seinen mexikanischen Amtskollegen Jorge Castañeda in Telefongesprächen dazu, den Widerstand gegen den Abtransport des Dossiers nach Washington aufzugeben. Zuletzt protestierten nur noch Norwegen und Syrien offen gegen das Benehmen Washingtons. Nun besteht der Verdacht, US-Stellen hätten in aller Ruhe Teile des Dossiers entfernt oder gefälscht. Wie die Berliner ‚Tageszeitung' am 19. Dezember 2002 berichtete, wurde der 12'000-seitige Bericht von den USA auf 3'000 Seiten zusammengestrichen - 75 Prozent des Inhaltes wurden mit Zustimmung der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates (USA, Rußland, China, Frankreich und Großbritannien) gelöscht. Der irakische Bericht listete eine vollständige Chronologie von allen Waffenkonzernen, Laboratorien und Regierungen auf, die ihm seit den 70er Jahren beim Aufbau und der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen geholfen hatten - allen voran die USA. Sämtliche dieser Informationen sind aus dem Report getilgt worden, wie die Berliner ‚Tageszeitung' berichtete. So stammten beispielsweise das irakische Anthrax-(Milzbrand-)Waffenprogramm sowie weitere biologische Kampfstoffe aus amerikanischen Laboratorien. Zudem wurden irakische Militärs und Waffenexperten in den USA ausgebildet, als Saddam Hussein in den 80er Jahren gegen den Iran kämpfte. Die ‚Tageszeitung' publizierte am 19. Dezember 2002 eine vollständige Liste aller Rüstungskonzerne, die damals konventionelle, nukleare, biologische und chemische Waffentechnologie an den Irak geliefert hatten: Zu den 24 genannten US-Konzernen gehören unter anderem Honeywell, Unisys, Rockwell, Hewlett-Packard, Dupont, Eastman Kodak, Bechtel und Cerberus. Zu Iraks Waffenlieferanten gehörten auch siebzehn britische, acht französische, sieben belgische, sechs russische, fünf japanische, drei spanische, niederländische und chinesische, sowie zwei schwedische Konzerne (ABB und Saab-Scania). Susan Wright, eine amerikanische Waffenkontroll-Expertin von der Universität von Michigan, brachte den Grund der massiven Zensur auf den Punkt: "Diese Fakten wären vor allem für die USA peinlich. Es würde das amerikanische Volk an ein sehr dunkles Kapitel der Vereinigten Staaten erinnern, das die Bush-Regierung am liebsten vergessen möchte."