Steuern vermeiden: Machen wir es den Konzernen nach!

Kleine und mittlere Betriebe brechen unter der Steuerlast zusammen, während Konzerne ganz legal Steuern vermeiden. Doch Kleinunternehmer und Private beginnen sich zu wehren und treten in Steuerstreik – damit endlich Gerechtigkeit im Land einkehrt.

Eine Billion Euro. Das ist eine Eins mit zwölf Nullen: 1'000'000'000'000 Euro. Mit diesem Geld könnte man fünfzig Millionen Mittelklasseautos kaufen – oder die gesamten in Österreich und der Schweiz produzierten Güter, Waren und Dienstleistungen eines Jahres. Diese unvorstellbare (geschätzte) Summe entspricht den nicht gezahlten Steuern der Konzerne in der EU pro Jahr. Steuertricks nennen das die einen, Steuerhinterziehung die anderen. Allein Österreich gehen dadurch rund 20 Milliarden Euro jährlich verloren. Mit diesem Geld könnte man rund 470'000 neue Arbeitsplätze im Land schaffen. Arbeitslosigkeit wäre kein Thema mehr. Die Staatsschulden wären bald Schnee von gestern, die Renten auf Dauer gesichert und jede Mutter könnte so lange bei ihren Kinder zu Hause bleiben, wie sie wollte: bei Bedarf auch ein Leben lang. Paradiesische Zustände stünden vor der Tür.

Schulden statt Geldsegen: Der EU entgehen jedes Jahr tausend Milliarden Euro an Steuern, die Konzerne zahlen müssten, würden sie behandelt wie du und ich.

Schulden statt Geldsegen: Der EU entgehen jedes Jahr tausend Milliarden Euro an Steuern, die Konzerne zahlen müssten, würden sie behandelt wie du und ich.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Staatsschulden sind in Ländern wie Deutschland oder Österreich erdrückend hoch. Um über die Runden zu kommen, müssen Mann und Frau oft Vollzeit arbeiten und geben ihre Kinder meist viel zu früh in fremde Hände. Der Staat weiß nicht, woher er das Geld für die Renten nehmen soll und Selbstständige sowie Kleinunternehmer werden ausgequetscht wie eine Zitrone. Das Wort „Staatspleite“ schwebt wie ein Damoklesschwert über fast allen EU-Staaten. Und das alles deshalb, weil die Konzerne sich das Steuerrecht ganz nach der Kinderserienfigur Pippi Langstrumpf zurechtbiegen: „Ich mach mir die Welt, wiedewie sie mir gefällt.“

Steuersatz: 0,002 Prozent

Ein Vertreter dieses Systems ist Pippis „schwedischer Landsmann“ Ingvar Kamprad, seines Zeichens Gründer von Ikea. Der Konzern mit den Billy- bzw. Billig-Regalen aus dem Land der Elche schaffte es, 2010 bei einem Gewinn von weltweit mehr als 2,5 Milliarden Euro ganze 48'000 Euro an Steuern abzuliefern – das entsprach einem Steuersatz von 0,002 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich gilt für Unternehmensgewinne ein Satz von 25 Prozent, für Personengesellschaften von bis zu 50 Prozent. Schon Betriebe mit wenigen Angestellten liefern mehr Ge­­winnsteuern ab als Ikea in besagtem Jahr. Zwar zahlte Ikea in den folgenden Jahren wenigstens einige Millionen Euro Gewinnsteuern, aber die Steuerlast auf Zinseinnahmen belief sich auf unter 0,1 Prozent. Jeder Sparer in Österreich muss mit 25 Prozent den 250-fachen Satz abführen.

Doch Ikea ist nur ein Beispiel von unzähligen: Auch Coca Cola, Pfizer, Vodafone, Ford, die Deutsche Bank oder E.ON wissen, wie man den Fiskus austrickst. Zu den findigsten Steuervermeidern zählen die Technologiekonzerne. Eine im Oktober 2015 veröffentlichte Studie aus den USA ergab beispielsweise, dass der Computer- und Handyhersteller Apple 181,1 Mrd. Dollar in Steuerparadiesen bunkert – und sich damit bis zu diesem Zeitpunkt Steuerleistungen in der Höhe von 59,2 Mrd. Dollar ersparte. Im Durchschnitt zahlten in den USA ansässige multinationale Konzerne nur sechs Prozent Steuern auf den Gewinn – statt der gesetzlich fälligen 35 Prozent. „Die multinationalen US-Konzerne nutzen die Vorzüge unserer Straßen, sie profitieren von unserem Ausbildungssystem und Binnenmarkt und erfreuen sich an der Sicherheit, die wir haben – aber letztlich geht das auf Kosten unserer Steuerzahler“, erklärte Studienautorin Mi­­chelle Surka von der Konsumentenschutzorganisation US Public Interest Research Group Education Fund (USPIRG).

Lobbyisten schreiben Gesetze

Ein weiterer Steuerverhinderer ersten Ranges ist die Such- und Geldmaschine Google: Allein im Jahr 2014 schleuste der Konzern, der seine Europa-Zentrale in den Niederlanden hat, über legale Steuerschlupflöcher 12 Mrd. Dollar (10,7 Mrd. Euro) aus Europa. Dank eines komplexen Firmengeflechts landete das Geld mit allen möglichen juristischen Winkelzügen schließlich im Steuerparadies auf den Bermuda-Inseln im Atlantik – die zu Großbritannien gehören. Aus dem Unternehmen hieß es dazu, man halte sich in allen Ländern, in denen man tätig ist, an die Steuergesetze. Politiker meinen es gut mit multinationalen Unternehmen, erklärte der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt: „Washington ist eine amtierende Protektionsmaschinerie … Die Gesetze werden von Lobbyisten geschrieben.“ Dass das US-Protektorat namens EU ganz gleich agiert, bewies der Film The Brussels Business aus dem Jahr 2012: Hier ist dokumentiert, dass Bosse von Konzernen wie Siemens, Volvo oder Nestlé Gesetzesvorlagen schrieben, die von der EU teilweise 1:1 umgesetzt wurden – zum Beispiel bei der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes oder auch bei der Einführung des Euro.

Multinationale, globale Strukturen dienen eben den multinationalen, global agierenden Unternehmen. Die US-amerikanische Kaffeehauskette Starbucks zahlte zwischen 2002 und 2012 in Deutschland gar keine Gewinnsteuern. In Österreich waren es 2013 mit 18 Filialen ganze 1'311 Euro – während die in der ganzen Welt bekannten traditionsreichen (Wiener) Kaffeehäuser unter der Steuerlast und gesetzlichen Daumenschrauben ächzen. Dabei könnte der nationale Gesetzgeber ganz einfach sagen: Wer in Österreich, Deutschland etc. Geschäfte machen will, der muss die im Land erwirtschafteten Gewinne auch versteuern. Was wäre der Nachteil, würde der US-Getränkeverkäufer das Land verlassen? Noch weniger Gewinnsteuern sahen die österreichischen Behörden vom weltgrößten Internet-Versandhändler Amazon – nämlich gar keine. Und das bei einem Umsatz von 477 Millionen Euro im Land im Jahr 2014. Wer ein Buch oder einen Mixer beim Internet-Riesen bestellt, bekommt mit der Ware auch eine Rechnung mit der landesüblichen Mehrwertsteuer mitgeschickt – und muss diese natürlich bezahlen.

Ob Amazon, mit Sitz in Luxemburg, diese jedoch ans Finanzamt abliefert und wenn ja, in welcher Höhe, ist unbekannt. Denn die österreichischen Steuerbehörden kommen an die Unternehmensdaten nicht heran – obwohl es laut einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2010 einen automatischen Informationsaustausch geben müsste. Nach unterschiedlichen Untersuchungen hinterziehen in Österreich alle ausländischen Versandhändler zusammen zwischen 120 und über 400 Mio. Euro jährlich an Umsatzsteuern.