Wo blieb der ‘Schreckenskönig’?

Für den 11. August 1999, den Tag der europäischen Sonnenfinsternis, sagten Wahrsager und Astrologen Schreckliches voraus. Und es geschah – nichts! Zum unzähligsten Male trafen die Prophezeiungen nicht ein. Dennoch wird weiterhin mit Wahrsagerei ein gutes Geschäft gemacht.

Nostradamus’ Prophezeiung vom ‘Schreckenskönig’ im August 1999 bewahrheitete sich glücklicherweise nur insofern, als sie vielen Menschen einen königlichen Schrecken einjagte.

Hurra, wir leben noch! Der 11. August ist vorüber, und wir sind so putzmunter wie eh und je. Hand aufs Herz: Hatten Sie ein mulmiges Gefühl vor diesem Datum? Kauften Sie vielleicht einen Notvorrat und genügend Wasser ein? Gingen Sie gar soweit, sich im Bunker zu verbarrikadieren, mit alufolie-verklebten Türspalten? Rechtzeitig vor dem Schreckensdatum erreichte uns ein Fax, laut dem der 'Heiland'(!) folgende Anweisungen für den fürchterlichen Tag gab: "Wollt ihr aber mit heiler Haut davonkommen, so versehet euch heute noch mit Wasser für die Küche bis zum Mittage des morgigen Tages, nehmet euer Frühstück vor dem Eintritte der Erscheinung (der Sonnenfinsternis, die Red.) ein und esset und trinket während der Erscheinung ja nichts und im Freien den ganzen Tag nichts, sondern in den Zimmern, welche während der Erscheinung geschlossen bleiben und gut geräuchert sein sollen mit Wacholderbeeren. So ist es auch viel besser, während der Erscheinung in den Zimmern zu bleiben, als im Freien zuzubringen. Wer aber schon ins Freie will, der beschmiere seine Haut mit Baumöl, das mit einigen Tropfen Wacholderöles gemengt sein kann. Auch das Haupt kann er damit bestreichen, welches zu bedecken ist während der Erscheinung. Im Munde aber halte er einige zerkaute Wacholderbeeren und trage auch welche bei sich in den Taschen. Vorzüglich aber halte jeder fest in der Liebe, im Glauben und Vertrauen, so darf er furchtlos sein." Hilfreich sei auch, heißt es in dem Fax weiter, die ganze Zeit über den 71. Psalm Davids, speziell den 13. bis letzten Vers laut zu beten.

Offen gestanden haben wir nichts von all dem getan (weil wir für den 11.8. auch gar nichts besonderes erwarteten oder gar befürchteten) und den Tag der verdunkelten Sonne ohne bleibenden Schaden überlebt (wobei einige Leser nun einwenden mögen, wir würden die Schädigung nur nicht bemerken!).

Wer hätte gedacht, daß eine regelmäßig stattfindende Sonnenfinsternis ganz Europa in mittelalterliche Ängste zurückfallen ließe. Besonders dick trug die Astrologin Elizabeth Teissier auf, die orakelte, daß die mit Plutoniumdioxyd beladene Raumsonde 'Cassini' am 11. August auf die Erde fallen könnte. Inspiriert dazu hatte sie nicht nur die - zugegebenermaßen außergewöhnliche - Planetenkonstellation jener Tage, sondern auch der über vierhundert Jahre alte Orakelspruch von Nostradamus, der prophezeite, im 7. Monat dieses Jahres werde ein grosser Schreckenskönig vom Himmel herabsteigen. Frau Teissier konnte sich auch vorstellen, daß im August 1999 erstmals Außerirdische sich der Weltöffentlichkeit bekanntmachen würden, oder daß ein Atomkrieg ausbrechen könnte - beispielsweise im Konflikt zwischen Indien und Pakistan.

Sie stand mit diesen düsteren Prophezeiungen nicht allein. Der Bunte -Astrologe Winfried Noé meinte dortselbst: "Wir sollten uns auf Ereignisse gigantischen Ausmaßes einstellen. Ich rechne damit, daß wir mit höherer Gewalt konfrontiert werden, die unsere gesamte Denkweise umstellt. Die zu erwartenden Konstellationen sprechen für Aktionen, die die Menschen auf der ganzen Welt erschüttern: z.B. durch plötzliche kriegerische Handlungen oder internationalen Terrorismus mit biologischen, chemischen oder atomaren Waffen. Zudem wird es bis spätestens 21. August in Europa und Amerika einen großen Börsen-Crash geben."

Nun, die Wahrscheinlichkeit von Noés astrologischen Voraussagen konnte man letzten Herbst schon genießen, als er ebenfalls in der Bunten voraussagte, daß Kanzler Kohl die Wahl gewinnen werde, weil Schröder mit seinen schlechten Konstellationen nicht die geringste Chance habe...

Unterstützung erhielten die Astrologen aus unerwarteter Ecke: Ausgerechnet ein Pariser Modeschöpfer, Paco Rabanne, verkündete überall lautstark seine Überzeugung, daß die Raumstation Mir am 11. August auf Paris stürzen und dort ein flammendes Inferno auslösen werde, dem Louvre, Notre-Dame und Eiffelturm zum Opfer fallen würden - ebenso wie praktisch die gesamte Stadtbevölkerung, weshalb sich Rabanne in die sichere Bretagne absetzte, um dort zu beten und so das Unheil doch noch abzuwenden. Als Kind hatte Rabanne einen visionären Traum gehabt, der, zusammen mit Nostradamus' Prophezeiung, ihn zum festen Glauben an die apokalyptische Pariser Katastrophe verführte.

Das schlimmste, was passieren könnte, sagten einige Weltuntergangspropheten im Vorfeld des 11. August, wäre, wenn gar nichts passiert. Tja, und das trat dann ein. Der 11. August dürfte als weltgeschichtlich seelenruhiger Tag in den Annalen der Zeit untergehen. Daß in Europa und im Nahen Osten doch immerhin eine totale Sonnenfinsternis stattfand, war beispielsweise den wert, die fast noch am meisten Pep in die ansonsten langweiligen Nullacht-fünfzehn-Nachrichten brachte.

"Was passiert, wenn am 11. August absolut nichts passiert?" fragte die Schweizer Illustrierte Elizabeth Teissier. "Es wäre absolut unlogisch!", sagte diese im Frühsommer, und verhieß: "Falls bis zum folgenden Neumond am 9. September kein wirklich außergewöhnliches Ereignis stattfinden, werde ich künftig darauf verzichten, Weltprognosen zu machen, da dies gegen alle Regeln meiner Kunst verstoßen würde." Und was sagt sie nun, da das 'absolut Unlogische' eingetreten ist? "Geirrt habe ich mich in dem Punkt, der Weltall und Raumfahrt betrifft. Tatsächlich war der 11. August für das vorgesehene Manöver mit der Sonde 'Cassini' ein schlechtes Datum. Es ist nichts passiert, um so besser. Die NASA hat ihre Arbeit gut gemacht." Frau Teissier hat leider nicht die Größe zuzugeben, daß sie sich fundamental geirrt hat. Was Nostradamus angehe, sagt sie im Interview mit der Schweizer Illustrierten vom 13. September (also nach dem Neumond-Datum des 9.9.99!), "so würde ich hier mit Kritik noch etwas zuwarten. Es ist ohne weiteres möglich, daß sein Vierzeiler erst in einigen Monaten wirklich richtig verstanden wird. Vielleicht ist die Interpretation von einem 'König der Mongolen' nicht so falsch, wie wir im Moment denken, verbunden mit den Kämpfen in Dagestan. "Aha! Entweder das Wetter wird gut oder auch nicht!

Frau Teissier ist denn nachträglich auch der Ansicht, daß sie durchaus recht hatte mit ihren drastischen Voraussagen. Sie zählt das Zugunglück in Indien auf (und was war am Himmel los in Eschede?), das schreckliche Erdbeben in der Türkei am 16. August, und schließlich begann der Krieg in Dagestan ganz genau am 11. August! "Ganz zu schweigen von anderen schrecklichen Ereignissen", fährt Madame fort, "Terror, weiteren Erdbeben in der Türkei und in Athen. Und dem Gipfel der Barbarei in Osttimor, der ans dunkle Mittelalter erinnert." Mit Verlaub: So entsetzlich diese Ereignisse auch für die betroffenen Menschen sind, sie haben ganz bestimmt kein Ausmaß angenommen, das alles bekannte übersteigt. Und genau das hatte Teissier in Aussicht gestellt, als die Schweizer Illustrierte vor dem 11. August fragte: "Ist ein Wirbelsturm in der Karibik Ereignis genug?" "Nein", antwortete sie, "auch eine Überschwemmung in Bangladesch nicht.

Wir reden von einem Vorfall, der die ganze Menschheit bewegt." Auf die Frage, ob sie - wie versprochen bei einem Mißerfolg, künftig keine Prognosen in der Presse mehr machen wolle, meinte sie im September 1999 diplomatisch: "Es gibt eigentlich keinen Grund. Es ist möglich, daß ich mich distanziere. Ich habe nichts mehr zu beweisen."

Schön wäre es. Denn all die Schreckensprognosen haben keinerlei positive Wirkung gehabt, sondern im Gegenteil nur bei Millionen Menschen dunkle Vorahnungen bis zu nackter Angst ausgelöst. Doch Paco Rabanne ist, laut Bunte, auch nach dem 11.August noch nicht einsichtiger: Er "glaubt immer noch, daß die schrottreife russische Raumstation Mir auf Paris stürzen und alles zerstören wird. Nachdem er sich schon zweimal im Termin getäuscht hat, ist er jetzt zu einer präzisen Zeitangabe nicht mehr bereit." Wie die Bunte allerdings zur Einschätzung kommt, "Die bisherigen Prognosen zur Sternenkonstellation am Tag der Sonnenfinsternis haben sich grundsätzlich bewahrheitet (wenngleich sich manche Experten in Ort, Zeit und Ereignis getäuscht haben)"-ist uns mehr als schleierhaft.

Leserstimmen zum Artikel

Ich habe zufällig Ihr Heft Nr. 24 in die Hände bekommen und mich sehr gefreut, dort in den Artikeln zum Thema „Millenniumsfieber und Endzeitangst“ von der Geistigen Hierarchie und den Alice Bailey-Lehren zu lesen. Es ist wirklich sehr wohltuend und mutig zu hören, dass es einen Lichtblick am Ende des Tunnels gibt.

D. H., DE-Heidelberg