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«Mordende Halsabschneider haben die Führung Amerikas an sich gerissen»

Heute vor einem Jahr wurde mein Sohn im Irak getötet, an genau dem gleichen Tag im April, an dem Martin Luther King jr. 1968 starb. Dr. King schrieb folgenden Satz aus einem Gefängnis in Birmingham: «Diese Generation wird nicht nur Reue für die abscheulichen Worte und Taten der schlechten Menschen empfinden müssen, sondern auch für das entsetzliche Schweigen […] der guten Menschen.» Und Apostel Paulus sagte folgendes: «Wer Reichtum begehrt, verfällt der Versuchung, er gerät in die Falle, die den Menschen in Ruin und Zerstörung stürzt. Denn die Quelle alles Bösen ist die Liebe zum Geld.»

Die heutigen Machthaber und ihre Lügen

Vor 30 Jahren, 1975, war Gerald Ford Präsident der Vereinigten Saaten. Sein Stabschef war Dick Cheney. Sein Verteidigungsminister war Donald Rumsfeld. Paul Wolfowitz leitete die keine grossen Ergebnisse zeitigende internationale Rüstungskontrolle. Sie alle hatten also Positionen inne, die unmittelbar mit der nationalen Sicherheit verknüpft waren. Als sich diese Männer um die Sicherheit des Landes kümmerten, kamen sie und Präsident Ford zur Ansicht, der Iran müsse Kernkraftwerke bauen, um seine Energieversorgung zu ergänzen. Ihr Atomkraftprojekt hätte bestimmten US-Firmen Milliarden von Dollars eingebracht. Wäre der Schah, ein mit Blut gekaufter Diener der Interessen einiger amerikanischer Konzerne, nicht kurz darauf von seinen Landsleuten entmachtet worden, hätten die grossen Tiere von Westinghouse oder General Electric oder vielleicht sogar von beiden Konzernen an diesem einen Projekt allein unglaubliche Privatvermögen angehäuft. Auch einige Aktienbesitzer hätten sich enorm bereichern können.
1975 war mein Sohn noch nicht geboren. Heute liegt er im Grab. Dick Cheney aber ist Vizepräsident der Vereinigten Staaten, und er hat so viel materiellen Reichtum angehäuft, dass keiner von uns auch nur auf die Idee käme zu beten, so viel zu besitzen. Derselbe Dick Cheney behauptete in den Monaten vor der Besetzung des Irak nicht nur, Saddam Hussein habe ganze Lager von Massenvernichtungswaffen – mehr als 100 Tonnen des tödlichen Zeugs. Er versicherte auch, Saddam Hussein habe die Entwicklung von Atomwaffen bereits weit vorangetrieben und daher müsse Amerika in den Irak einmarschieren und Saddam Hussein entmachten. Sauber, schnell und einfach, so stellte er es dar. Allerdings klingen seine Aussagen in letzter Zeit anders. Jetzt sagt er, so als habe er noch nie etwas anderes behauptet, die amerikanische Besetzung des Irak würde noch Jahre eines schwierigen und manchmal blutigen Konflikts mit sich bringen, bis der Irak so stabil sei, dass unsere geliebten Angehörigen heimkehren könnten. So redet er jetzt nicht mehr von Massenvernichtungswaffen, sondern nimmt häufig das Wort Demokratie in den Mund.
Gibt es immer noch Amerikaner, denen nicht klar ist, dass Dick Cheney, ob 1975 oder 2005, einfach das sagt, was er für nötig hält, um sich und seinen Freunden Reichtum und Macht zu sichern? Muss ich diesen heiligen Ort besudeln, indem ich Stichworte wie «Halliburton», «Kellogg, Brown & Root», «Folter» und «amerikanische Waffenindustrie» nenne? Der Apostel Paulus hatte wahrhaft recht, als er sagte, die Liebe zum Geld führe letztlich zu Ruin und Zerstörung.
Donald Rumsfeld ist wieder Verteidigungsminister. Es scheint als wäre es erst gestern gewesen, als er der ganzen Welt eröffnete, Saddam Hussein besitze ganze Lager von Massenvernichtungswaffen. Er erklärte sogar, er und seine Generäle wüssten, wo Saddam die gefürchteten Waffen versteckt habe. Er behauptete dies wenige Tage bevor unsere geliebten Angehörigen ihr Leben aufs Spiel setzten und genau jene Gegenden absuchten, von denen er so sicher sagte, dort seien die Waffen versteckt.
Sagen Sie selbst, ist es nicht selbstverständlich, dass wir annahmen, genau jene Gebiete würden Tag und Nacht jede Sekunde überwacht, bis zu dem Zeitpunkt, an dem unsere geliebten Angehörigen dort ankamen und ihre Suche begannen? Donald Rumsfeld behauptete, es würden mehr als 100 Tonnen ins Netz gehen. Sollen wir etwa glauben, Saddam hätte schnell einen Schwertransportkonvoi zusammenstellen lassen, alles verladen und in ein anderes Versteck geschafft? Und all dies, ohne dass die amerikanische Satellitenüberwachung, die beste der Welt, etwas davon bemerkt hätte? Sollen wir glauben, die Regierung sei wieder einmal am Steuer eingeschlafen, so wie sie uns glauben machen wollen, sie sei am Morgen des 11. September 2001 völlig ahnungslos überrumpelt worden?
Ich bitte Sie inständig darum, Texte von Scott Ritter zu lesen. Sie werden anfangen, folgendes zu verstehen: Der schreckliche Preis, den wir und die Menschen im Irak dafür zahlen mussten, dass herausgefunden wurde, dass Saddams Massenvernichtungswaffen schon unschädlich gemacht waren, hatte nichts mit einem Versagen der amerikanischen Geheimdienste zu tun. In Tat und Wahrheit rehabilitiert es die US-Geheimdienste. Ritter legt exakt dar, wie genau Donald Rumsfeld von gut unterrichteten Geheimdienstleuten darüber informiert war, dass Saddam solche Waffen bereits genommen worden waren, dass es ihm verunmöglicht worden war, solche Waffenprogramme wieder zu aktivieren, und dass jeder Versuch Saddams in diese Richtung sofort bemerkt und gestoppt worden wäre.
Gibt es immer noch irgendeinen Menschen in Amerika, der nicht sieht, dass Donald Rumsfeld ein Lügner ist, dem es egal ist, was er sagt, solange es nur dem Zweck dient, die Welt so zu gestalten, wie er sie haben möchte. Gibt es auch nur einen einzigen vernünftigen Erwachsenen unter uns, der nicht sehen kann, dass Donald Rumsfeld eine Bedrohung für unsere nationale Sicherheit darstellt und für den Frieden auf unserem geliebten Planeten?

Die USA und das iranische Atomkraftwerk

Nachdem monatelang keine Massenvernichtungswaffen gefunden worden waren und nachdem Hunderte amerikanischer Soldaten getötet worden waren – unter anderem mein Sohn – und nachdem Zehntausende von unschuldigen Irakern ermordet worden waren, hat Paul Wolfowitz, mit seiner freundlichen Scharade und seiner ach so sanften Stimme, ganz nebenbei erklärt, dass die Entscheidung gefällt worden war, «Massenvernichtungswaffen» als Begründung für die Invasion ins Feld zu führen. Letztlich hat Paul Wolfowitz zugegeben, dass er und seine Mitverschwörer miteinander den Entschluss fassten: «Lasst uns auf die Sache mit den Massenvernichtungswaffen setzen. Das ist die einzige Begründung, die dem amerikanischen Volk soviel Angst einjagt, dass es einer Invasion zustimmt.»
So überaus freundlich und aufrichtig wie Paul Wolfowitz sich auch anhören mag, gibt es auch nur einen einzigen vernünftigen Erwachsenen in diesem Land, der keine Gänsehaut bekommt, wenn dieser mörderische Lügner seinen Mund aufmacht und spricht? Bin ich die einzige hier im Raum, der deutlich ist, dass Paul Wolfowitz eine Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes und für den Frieden auf unserem geliebten Planeten darstellt?
Vor 30 Jahren gaben diese drei Männer dem Iran grünes Licht dafür, amerikanische Firmen anzustellen, um im Iran ein Atomkraftwerk für 6,4 Milliarden Dollar zu bauen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die tatsächlichen Kosten sich auf die dreifache Summe belaufen hätten. Nichtsdestoweniger sagte Donald Rumsfeld vor kurzem zu den Plänen des Iran, ihre Energieversorgung durch Atomkraft zu erweitern: «Die sitzen doch auf jeder Menge Öl und Gas. Niemand kann sich erklären, warum sie Atomkraft brauchen, um Energie zu erzeugen.»
Haben diese Herren vor 30 Jahren, als sie und ihre Kumpane sich vom Schah fürstlich bewirten liessen, nicht gewusst, dass der sie umgebende Reichtum mit dem Erlös von Gas und Öl gezahlt war, das man aus dem Boden unter ihren Füssen gefördert hatte?
Trotzdem einigten sich diese Herren damals, der Iran brauche Atomkraft für seine Energieversorgung. Das ist jetzt 30 Jahre her, und wer weiss, wie viele 10 Millionen Fass Öl in dieser Zeit gefördert wurden.
Warum sollten wir diesen Männern glauben, von denen wir wissen, dass sie Lügner sind, wenn sie jetzt behaupten, das entscheidende Motiv des Iran für den Bau von Atomkraftwerken bestünde darin, Atomwaffen zu entwickeln, um uns und unsere Verbündeten zu vernichten.
Die internationale Atomenergiebehörde berichtet bis anhin, es gebe keine Beweise für ein Atomwaffenprogramm des Iran. Wie reagiert die Bush-Regierung darauf? Sie versuchen den Chef der Behörde, Mohammed al-Baradei, aus seinem Amt zu drängen. Aber wer könnte vergessen haben, dass es gerade Herr al-Baradei und die Internationale Atomenergiebehörde waren, die in den Monaten vor dem Einmarsch in den Irak berichteten, Saddam habe kein Atomwaffenprogramm mehr.

Das elektronische Wahlsystem und die Möglichkeit der Fälschung

Mordende Halsabschneider haben die Führung unseres Landes an sich gerissen, Gangster, die nach Reichtum und Macht gieren, denen es völlig egal ist, dass sie ihre Sucht auf Kosten unserer geliebten Angehörigen und dem Leben unschuldiger Menschen auf der ganzen Welt ausleben. Wir konnten zuschauen, wie diese Halsabschneider sich vor der ganzen Welt als mutige Verfechter christlicher Werte und der Ausbreitung der Demokratie aufspielen. Und gleichzeitig wissen wir, dass sie jetzt im ganzen Land ein elektronisches Wahlsystem einführen, das es verunmöglicht, die Richtigkeit der Wahlergebnisse zu überprüfen.
Unsere geliebten Angehörigen sind einen frühen Tod gestorben, während diese arroganten Meuchelmörder sich vor der ganzen Welt aufspielen und beteuern, die Demokratie sei es wert, für sie zu sterben, zu töten, ganze Städte auszumerzen. Gleichzeitig überwachen sie hierzulande fleissig die Einführung eines elektronischen Wahlsystems, das hinten und vorne zu Betrug verführt, eines elektronischen Stimmenzählsystems, das keine Möglichkeit lässt, die Gültigkeit der abgegebenen Stimmen zu prüfen und das extra so entworfen ist, dass die Stimmen gar nicht nochmals gezählt werden können.
Dass diese Männer nicht dafür sorgen, dass unser eigenes Stimmenzählsystem exakt, verständlich und überprüfbar ist, während sie gleichzeitig unsere Angehörigen zum Aufbau einer Demokratie weit weg in den Tod und zum Morden schicken, ist einfach ein weiterer schlagender Beweis dafür, dass die US-Regierung jetzt aus mordenden Heuchlern besteht, Kriminellen, die eingesperrt werden sollten, entsprechend angeklagt, hinter Gittern versorgt, und dann vor Gericht gestellt, nicht nur hier in den USA, sondern auch in allen anderen Ländern, die unter ihrer unvorstellbaren Gier zu leiden hatten und haben.
In ihren geheimen Verstecken, wo sie mit ihren Kumpanen neu angehäuften Reichtum feiern, werden diese Männer sicher mit Orgien der fleischlichen Lust sich selbst gratulieren, während sie sich über die vielen Menschen lustig machen, die immer noch so verblendet sind, in diesen Menschen Gottes untertänige Diener zu sehen. Vielen Dank. •

Der Text gibt eine Rede aus dem Buch von Cindy Sheehan wieder, die sie am 4.4.2005 in Riverside Church, New York, gehalten hat.