Darf’s ein bißchen Krieg sein?

Weshalb zettelt man einen Krieg an? Um neue Technologien zu testen. Und um für ein wenig ‚Action im Laden‘ zu sorgen. Denn Kriege sind gut fürs Geschäft – das mit den Waffen und das mit den Meinungen.

Der Falkland-Krieg: Aufwind für Mrs. Thatcher

1982 befand sich die britische Premierministerin mitten in der Zusammenbruchsphase ihrer Amtszeit. Der Pegel der Tories war in Umfragen auf 30 Prozent gefallen! Es mußte also etwas getan werden, um die Wut des Volkes auf einen ausländischen Feind abzulenken. „Frau Thatcher wird Blut brauchen für ihre Wählerschaft“, diagnostizierte die einflussreiche Washington Post.

Mit Krieg lässt sich nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch die Meinung manipulieren.

Mit Krieg lässt sich nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch die Meinung manipulieren.

Ein zivilisiertes Land wie England überfällt natürlich nicht einfach ein anderes Land. Es hält sich vielmehr einige Länder mit ‚schwacher Impulskontrolle‘; suggeriert schließlich durch versteckte Botschaften einem solchen Land, ein Krieg wäre in dessen Interesse – und dann lehnt es sich zurück und wartet, bis das betreffende Land den Köder schluckt. Dann wird jeder zustimmen, daß man nun selbst die Waffen zücken muß.

„Die meisten modernen Nationen versammeln einige impulsive ‚Kinder‘ um sich, um sie zu benutzen, wenn sie ein Blutopfer brauchen. England hat seinen Disput mit Argentinien über die Falkland-Inseln aus eben diesem Grund über Jahrzehnte aufrechterhalten. Denn ein ‚Pachtvertrag‘ war schon seit einiger Zeit ausgearbeitet worden, von dem die Unterhändler sagten, er würde ‚das Problem in zehn Minuten lösen, wenn beide Seiten es wollten‘“, schreibt Psychohistoriker Lloyd deMause in ‚Reagan‘s Amerika‘. Mittels verschiedener versteckter Botschaften signalisierte Großbritannien, daß es die Inseln eigentlich aufgegeben habe. Man verweigerte beispielsweise den Bewohnern der Falkland-Inseln die britische Staatsangehörigkeit und berief ganz plötzlich das Schiff ‚Endurance‘ von den Falklands ab – eine unterschwellige Aufforderung an Argentinien, es könne die Inseln einnehmen, ohne Gefahrzulaufen, daß England sich militärisch widersetzen würde.

Da auch Argentinien in einer nationalen Zusammenbruchsphase steckte – unter anderem durch eine Rekordarbeitslosigkeit und immens hohe Inflation – biß es den Köder an. Wieder einmal hatte es eine Zeitung‚ vorausgesehen‘: „Was diese Regierung noch retten kann, ist ein Krieg“, schrieb La Prensa im März 1982, einen Monat vor der Invasion.

Die Reaktion auf die Invasion war in England wie Argentinien voll des Hurra-Patriotismus. Die Medien Amerikas, das ebenfalls in der ‚Zusammenbruchsphase‘ steckte, reagierten mit Neid auf die euphorischen Gefühle der anderen. George F. Will von Newsweek schlug vor, daß Amerika sich eine Tranche des britischen Erfolges abschneiden solle: „Ein paar US-Schiffe, unterwegs in den Südatlantik, würden die Aufmerksamkeit der Junta auf die Tatsache lenken, daß die USA beabsichtigen, den Erfolg ihres NATO-Verbündeten zu garantieren.“

Schließlich hatten bis kurz vor der Invasion auch beide Länder, die USA wie Britannien, Argentinien mit hochmodernen Waffen beliefert!

Keine amerikanische Zeitung erwähnte die tausend Toten, die der ‚Spaß‘ im Südatlantik gekostet hatte. Sie erwähnten nicht die großen Teile der Insel, die menschlicher Nutzung nicht mehr zugänglich waren, noch erwähnten sie die Milliarden Dollar, die der Krieg und seine Folgen gekostet hatten: mehr als zehn Millionen Dollar für jeden einzelnen Falkland-Haushalt!

Nicaragua: Der Spielverderber

Zwei Wochen nach dem Sieg der Briten auf den Falklands, am 30. Juni 1982 kündigte Ronald Reagan auf einer Pressekonferenz im Fernsehen an, daß auch die Amerikaner bald in den Krieg ziehen würden. Der Wunschfeind: Ein zentralamerikanischer Kleinstaat. Zuoberst auf der Liste stand das friedliche, aber sozialistische Nicaragua. Der Psychohistoriker Caspar Schmidt orakelte, daß Amerika gegen Ende 1983 einen Krieg gegen Nicaragua beginnen werde, vielleicht auch gegen Honduras. Er stützte sich dabei auf eine Analyse der amerikanischen Gruppenphantasien, wie sie in den Medien und in den Meinungsumfragen erschienen. Cartoons zeigten Reagan auf Streitwagen, die mit den Namen zentralamerikanischer Länder beschriftet waren, und darunter die Zeile: „Wenn du Vietnam gemocht hast, dann wirst du diesen lieben!“ Es sollte wie ein Plakat für den damalig Oscarprämierten Film ‚Chariots of Fire‘ wirken – doch es war natürlich Kriegshetze übelster Art. Das Problem aber war: Wie konnte man Nicaragua zu einer Aggression gegen das übermächtige Amerika provozieren? Genau besehen war dort nämlich absolut gar nichts los, was einen Krieg gerechtfertigt hätte. Und man wollte nicht der Anzettler eines Konfliktes sein. Ein Armeeoffizier kam im September 1982 mit folgendem Vorschlag vor den Senatsausschuß für Auswärtiges: „Sandinistische Truppen oder Milizen verfolgen eine konterrevolutionäre Gruppe, die sich auf der Flucht zurück nach Honduras befindet. Sie sind ihnen dicht auf der Spur... so gut wie sicher treffen sie auf eine Einheit regulärer honduranischer Truppen. Diese Konfrontation wäre ein offizieller Kriegsakt. So etwas könnte leicht einen Flächenbrand (conflagration) in der ganzen Region auslösen, an dem dann alle Länder Mittelamerikas beteiligt wären und vielleicht auch die USA.“

Ausgerechnet Nicaragua sollte also Kriegsschauplatz werden – das Land, von dem der Boston Globe geschrieben hatte, es sei dort „ein ernsthaftes, vom Volk getragenes, in überwiegend guter Absicht und meist mit der nötigen Kompetenz durchgeführtes nationales Experiment“ im Gange, „ganz und gar nicht unähnlich unserer eigenen Revolution.“

Man mußte also genügend Gewalt in jene friedliche Gegend exportieren, um einen Konflikt entfachen zu können. 17 der 18 wichtigsten Männer, die im Außenministerium für den Vietnamkrieg zuständig gewesen waren, wurden in die Abteilung für Mittelamerika versetzt. „Dann ließen wir reichlich Kriegsgerät in die Hände von Leuten fließen, die sogar Time eine ‚schillernde Bande von Rebellen‘ nannte, und an die Führer von Todesschwadronen in mehreren Ländern, darauf rechnend, daß sie den nötigen Aufruhr provozieren würden“, notiert deMause. Niemand war überrascht, als die Contras begannen, zivile Ziele in Nicaragua in die Luft zu sprengen. Amerika begann mit der Einrichtung von Militärbasen, Flugplätzen, Radarstationen in Honduras, nahe der Grenze zu Nicaragua und El Salvador. Von diesen Lagern aus unternahmen von der CIA finanzierte Contras terroristische Überfälle auf nicaraguanische Dörfer und bombardierten Managua und andere Städte mit Flugzeugen, die der CIA gehörten, um Nicaragua zu einem Gegenschlag herauszufordern.

Die Medien zeigten Reagan jetzt regelmäßig mit einer Schußwaffe in der Hand, und Umfragen zeigten, daß 54 Prozent der US-Bürger der Ansicht waren, Reagan führe die USA in einen Krieg gegen Mittelamerika. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung erreichte unbekannte Höhen. Zwar wußten nur 8 Prozent der Amerikaner, auf welcher Seite Amerika stand, doch das zählte nicht. Es ging allein darum, Reagan zuzujubeln auf seinem Weg in einen (schuldlosen) Krieg.

Sosehr jedoch auch bezahlte Killer blutige Terroranschläge auf Nicaragua verübten –Nicaraguaweigerte sich einfach, auf die Provokation hereinzufallen. Wie fängt man Krieg mit jemandem an, der sich weigert, Krieg zu spielen? Jede Kleinigkeit wurde von der Presse hochgespielt, um endlich den Vorwand für Krieg zu liefern – beispielsweise, als ein US-Berater in El Salvador getötet wurde. Da schrieb Newsweek schon hoffnungsvoll: „Mittelamerika: Das erste Kriegsopfer“. Nur: Wo war der Krieg?

Die US-Regierung bemühte sich nach Kräften, Kriegsdonner ertönen zu lassen. Sie schickte eine Flotte von neunzehn Schiffen, darunter ein Schlachtschiff, zwei Flugzeugträger, 140 Flugzeuge und 16‘500 Mann Besatzung nach Mittelamerika – zur ‚Einschüchterung‘. Die Presse lieferte die nötigen Schlagzeilen, um das Ganze zu sanktionieren: „Reagan macht Ernst in Mittelamerika – U.S. Flottenverband unterwegs“ (Titelseite der New York Post vom20. Juli 1983).

Die große Frage war nun, ob man einen ‚Erstschlag‘ riskieren konnte. Ein interessantes Frage-Antwort-Spiel zwischen Politikern und Medien und deren Konsumenten begann. Verschiedene Politiker ließen Sprechblasen los, die testen sollten, ob die Amerikaner einem selbstverschuldeten Krieg zustimmen würden. Doch der Wind der ‚öffentlichen Meinung‘ wendete sich und blies nun gegen sie. „Wozu einen Krieg riskieren?“ betitelte Tom Wicker seine Kolumne in der New York Times. Eine andere Schlagzeile derselben Zeitung lautete: „Mögliche Anklage wegen Amtsvergehen in einem illegalen Krieg“ – und viele weitere Artikel warnten die Regierung vor einem ‚Schuldkrieg‘. Zum ersten Mal veröffentlichte die Washington Post Interviews mit nicaraguanischen Regierungsvertretern. „Was haben wir dem amerikanischen Volk getan?“ fragte einer da an prominenter Stelle. „Was ist es, worauf Ihre Regierung mit der geballten Faust antwortet?“ Nicaragua erklärte sich sogar bereit, den ‚Waffenfluß‘ nach El Salvador zum Verhandlungsthema zu machen, da dies die Amerikaner ja am meisten beunruhige – obwohl es eigentlich keinen Beweis für einen solchen Waffenfluß gebe.

Schließlich protestierten fünftausend Menschen in Washington gegen die Militäraktionen. Keine der größeren amerikanischen Zeitungen berichtete darüber – und dennoch war es der Regierung klar geworden: Die Schuld würde zu groß sein. Also Hände weg von Nicaragua – auch wenn gewisse ältere Journalisten Reagan daraufhin als ‚impotent‘ definierten, die U.S. News and World Report Washington zur ‚Stadt ohne Mumm‘ erklärten und die Beliebtheitszahlen Reagans während einer Woche steil abfielen.

Die nächste‚ Feindbild-Operation‘ – von welcher der Präsident nicht unbedingt informiert war – sollte ein voller Erfolg werden.