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Spielen bis zum Zusammenbruch

In den Niederlanden öffnet Europas Klinik für Computerspielsüchtige ihre Pforten.

Sie bietet Hilfe für diejenigen, die ohne Joystick nicht mehr leben können. Computerspiele sähen oft harmlos aus, sie könnten aber genauso süchtig machen wie Alkohol oder Glücksspiel, sagt Keith Bakker, Direktor von Smith & Jones Addiction Consultants in Amsterdam. Zu den Entzugserscheinungen gehörten beispielsweise Schweißausbrüche schon beim Anblick einer Spielekonsole (siehe Spiel mir das Spiel vom Tod).
 
Das Entzugsprogramm dauert vier bis acht Wochen, dazu gehören Therapiesitzungen, Workshops zu gesunder Lebensführung und Touren in die Wildnis. Die Forschung zu Computerspielen steckt zwar noch in den Kinderschuhen, weshalb auch nicht klar ist, wie die Sucht definiert werden kann. Klar ist aber auch, daß viele junge Menschen, die eine Abhängigkeit von Computerspielen erkennen lassen, in Schwierigkeiten sind. „Wir haben hier Jugendliche, die nicht wissen, wie man von Angesicht zu Angesicht kommuniziert, da sie die letzten drei Jahre über ihren Computer mit jemandem in Korea gesprochen haben“, sagt Bakker. „Ihr soziales Netz ist völlig verschwunden.“
 
Computerspielmesse: So mancher kommt vom Daddeln nicht mehr los In den Vereinigten Staaten und Kanada gibt es schon rund ein Dutzend Kliniken gegen die Computerspielsucht, auch in China existiert eine solche Einrichtung. Weltweit ist inzwischen anerkannt, daß übermäßiges Computerspielen behandelt werden muß. Der 28 Jahre alte Hyke van der Heijden, der schon an einem Entzugsprogramm teilnahm, berichtet, er habe vor 20 Jahren angefangen. In der Schule dann spielte er teilweise 14 Stunden am Tag und er benutzte Drogen, um länger spielen zu können. „Ich konnte nie genug kriegen. Ich habe weiter gemacht, bis ich zusammenbrach“, berichtet er. Zuerst ließ er sich wegen seiner Drogensucht behandeln, dann erkannte er, daß die Computerspiele das eigentliche Problem waren. Seit seiner Behandlung hat er sich von seinen ehemaligen Freunden aus der Drogen- und Spielerszene losgesagt.
 
Wie auch andere Abhängige versuchen Spielsüchtige, persönlichen Problemen zu entkommen, sagt Bakker. Anzeichen für eine Abhängigkeit seien dann zu erkennen, wenn andere Dinge vernachlässigt würden. „Viele Jugendliche glauben, sie setzen sich nur zu ein oder zwei Spielen hin und machen dann ihre Hausaufgaben“, sagt Bakker. Die jüngsten Patienten in der Amsterdamer Klinik seien erst acht Jahre alt. Seit Januar hat Bakker schon rund 20 Betroffene im Alter zwischen 13 und 30 Jahren behandelt. Ein Unterschied zu anderen Suchtmitteln sei, daß die Kinder das erste Spielgerät oft auch noch von ihren Eltern geschenkt bekämen. „Weil es so neu ist, erkennen Eltern oft nicht, wie gefährlich es sein kann“, sagt Bakker. Wie die Eltern von Drogensüchtigen sagten auch die von Spielsüchtigen oft: „Ich wußte, daß etwas nicht stimmte, aber ich wußte nicht was.“
 
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Quellenangaben

FAZ.NET mit Material von AP