Komponisten, die die Welt veränderten. In dieser Ausgabe thematisieren wir Richard Wagner und Leonard Bernstein.
Richard Wagner, der wohl hellste Stern am Opernhimmel, wusste um die Macht in seiner Musik. Und er glaubte, einer höheren Absicht zu dienen, die ihm dereinst sein Schaffen lohnen würde. So schrieb er: „Ich glaube, dass die treuen Jünger der hohen Kunst in einem himmlischen Gewebe von sonnendurchstrahlten, duftenden Wohlklängen verklärt und mit dem göttlichen Quell aller Harmonie in Ewigkeit vereint sein werden.“
Richard Wagner
Deichmann wandte sich zu seinen Kollegen und sagte: „Meine Herren, Herr Wagner ist sich vollständig der Schwierigkeiten seiner Musik bewusst und bittet Sie durch mich, Ihr Bestes zu tun und ja nicht nervös zu werden.“ Von da an ging alles glatt.
Wagners Musik war zu seiner Zeit schockierend unerhört, weil bis dahin ungehört. Manche Kritiker schmähten ihn deswegen wie kaum einen anderen Komponisten. Wagner schuf nämlich ganz neue Klangwelten von einer Intensität, die auch uns moderne Menschen im Innersten bewegt. Das ist kein Zufall.
Wie der britische Komponist und Autor Cyril Scott (1879 – 1970) in seinem einzigartigen Werk Musik: Ihr geheimer Einfluss durch die Jahrhunderte geschrieben hat, war Richard Wagner die Aufgabe zugedacht, mit seiner Musik in den Menschen die Empfindung einer Brüderlichkeit jenseits aller Grenzen von Nationen oder Rassen zu wecken – und damit die Nächstenliebe zu stärken. Davon wusste Wagner natürlich nichts. Allerdings wünschte er sich sein ganzes Leben lang, eine große Bruderschaft der Kunst zu gründen, was ihm aber schmerzlich misslang. Deshalb auch sein eingangs zitierter Traum vom Künstlerhimmel.
Cyril Scott schreibt: „Der Grundton bei dem Wagnerschen Musikdrama ist die Einheit in der Vielfalt und Verschiedenheit. Obwohl es bei Wagner eine stattliche Anzahl von Themen, Melodien und Leitmotiven gibt, sind diese – im Unterschied zu den Opern alten Stils – in einer solchen Weise miteinander verwoben, dass sie ein zusammenhängendes Ganzes darstellen. Seinem gesamten Kompositionsaufbau lag ein tiefgehendes spirituelles Prinzip zugrunde: Die Vielen wurden in das Eine verschmolzen. Sozialistisch gesehen war Wagners Musik prototypisch für das Grundprinzip von Kooperation und Zusammenarbeit; spirituell gesehen, stand sie sinnbildlich für die mystische Wahrheit, dass jede Individualseele mit der All-Seele, mit dem allesdurchdringenden Bewusstsein vereint ist.“
Leonard Bernstein
Ja, edle Musik ruft in uns durchaus religiöse Gefühle hervor. Dessen war sich auch Leonard Bernstein bewusst: „Die Liebe zur Musik ist ein Glaube, wie man sich drehen und wenden mag.“ Und: „Im Wachsen einer Symphonie liegt etwas Göttliches, etwas der Schöpfung selbst Ähnliches.“
Welch ein Glück, dass wir in der Lage sind, Sternstunden der Musik aufzuzeichnen. Dazu gehört ganz bestimmt jene Wagner-CD, die das Musiklabel Sony vor zwanzig Jahren zu Ehren von Maestro Bernstein herausgegeben hat. Sie ist Teil der sogenannten Royal Edition und als hundertste und letzte CD der Serie gleichzeitig deren krönender Abschluss. Die Aufnahmen mit dem New York Philharmonic stammen aus den 1960er-Jahren, als Bernsteins Stern im Zenit stand. Die CD enthält ergreifende, zum Teil auch gesungene Musik, welche die oben genannten Qualitäten in großem Ausmaß besitzt: die Tannhäuser-Ouvertüre, Brünhildes Opfer und Erlösung (Götterdämmerung), die Wesendonck-Lieder und aus Tristan und Isolde das Vorspiel und Isoldes Liebestod (instrumental). Brünhilde und die Wesendonck-Lieder singt Eileen Farrell, die beste amerikanische Sopranistin ihrer Zeit, bekannt für ihre riesige, weich timbrierte Stimme.
Es mag vielleicht verwundern, dass der Jude Leonard Bernstein so hingebungsvoll die Musik des als Judenhasser verschrienen Richard Wagner dirigierte. Bernstein konnte nicht anders – Wagners Musik war einfach zu genial. „Ich hasse Wagner“, sagte er einmal. „Doch ich hasse ihn auf meinen Knien.“
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