Geld oder Geist?

Das ist die Frage, die manch einen Esoteriker innerlich zerreißt. Kann man mit dem Mammon Freundschaft schließen, ohne schließlich als dessen Diener zu enden?

Geld oder Gott?

Wem diene ich wirklich – Geld oder Gott?

Beim Thema Geld dreht sich letztendlich alles nur um die eine große Frage: Besitze ich Geld - oder besitzt Geld mich? Denn sehr viele Menschen auf dem geistigen Weg entwickeln eine Animosität dem Geld gegenüber aus purer Angst, sie könnten dem falschen Herrn dienen. Und falls Sie zu diesen gehören und als Folge davon über kein Geld verfügen und meine Behauptung daher als etwas luxuriös einstufen, dann wage ich einzuwenden: Geld kann einen auch besitzen, wenn man es nicht besitzt. "Gib dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist", lautet ein altbekanntes Sprichwort. Seltsamerweise vergessen es viele Schüler auf dem Pfad, kaum daß sie diesen betreten haben.

Sie sind benebelt vom Duft des Geistes und können das schnöde Geld nur noch als etwas Stinkendes wahrnehmen. Jeder, der dann zu behaupten wagt, Geld stinke (dennoch) nicht, ist ihnen suspekt. Ich kann mich noch erinnern, daß ich in meinen Jugendjahren jeden, der reich war, als einen potentiellen Gauner betrachtete. Denn auf redliche Weise konnte er sich ja nicht mehr angeeignet haben, als einem normalen Werktätigen erreichbar war. Einen ziemlich bekannten Astrologen konfrontierte ich an einem Kongreß mit dem Vorwurf, ob er sich nicht etwas schäme, soviel Geld mit dem Schicksal anderer Leute zu machen.

Der Mann hatte es verstanden, die Astrologie und die Computerwissenschaft zu einem Goldesel zu klonen, der permanent Durchfall hatte. "Sie scheinen wohl ein Problem mit Geld zu haben", gab er mokant zur Antwort. "Ich habe das nicht." Das gab mir denn doch etwas zu denken. Konnte es sein, daß ich das Geld in eine Feindrolle schob - obwohl es eigentlich unschuldig war? Konnte es sein, daß ich ein Problem mit Fülle hatte? Oder, schlimmer noch - mit Verantwortung? Gar mit Macht? Denn, geben wir's zu: Geld beschert uns nicht nur Fülle, es bürdet uns auch Verantwortung auf. Und es bedeutet - jedenfalls in der äußeren Welt - Macht. Wer's nicht glaubt, braucht bloß in den Zitatenschatz der Völker zu schauen. "Ein Mensch ohne Geld ist wie ein Wolf ohne Zähne", sagen die Franzosen. "Wer Geld hat, ist ein Drache, wer keines hat, ein Wurm", wenden die Chinesen ein. Und die Türken finden kurzerhand: "Hast Du Geld, so bist du weise. Hast du keines, bist du ein Narr." Natürlich können wir uns so apodiktisch nicht damit einverstanden erklären. Aber wir haben auch nicht die Dreistigkeit, zu sagen, es stecke kein Korn Wahrheit darin.

Stellen Sie sich bitte eine Frage: Haben Sie ein Problem mit Geld?
Stellen Sie sich eine zweite Frage: Haben Sie ein Problem mit Macht?

Ja, auch Macht ist ein Versucher, genau wie Geld. Auch der Macht muß man mindestens soviel Charakterstärke entgegensetzen wie dem Geld, damit diese einen nicht korrumpiert. Glauben wir nicht genug an unsere Unkorrumpierbarkeit, an unsere Unverderbbarkeit, um Geld - auch viel Geld - unvoreingenommen bejahen zu können? Möchten wir diese Bürde nicht tragen, uns nicht damit herumschlagen müssen, wie wir unser (vieles) Geld sinnvoll einsetzen, damit es uns nicht eines Tages eine Grube gräbt? Sie ärgern sich, weil ich so dreist von vielem Geld und Reichtum schreibe, wo Sie nicht wissen, wie Sie die nächste Miete bezahlen sollen?

Dann seien Sie versichert: Sie haben ein Problem mit Geld, Macht und Fülle. Dabei ist die Fülle ein natürlicher, göttlicher Zustand. Oder können Sie sich vorstellen, daß ein Erzengel seine Steuerrechnung nicht bezahlen könnte, wenn er denn müßte? (Sie haben natürlich recht: Ein Himmel, in dem man Steuern bezahlen muß, würde diesen Namen nicht mehr verdienen).

Wie man garantiert zu Geld kommt

Sie möchten wissen, wie Sie zur Fülle kommen. Nun, Sie können Lotto spielen - bis an Ihr Lebensende. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie nichts Nennenswertes gewinnen - jedenfalls nichts, was Ihnen regelmäßig die Miete und die Krankenversicherung bezahlt. Warum sollte Gott es Ihnen so einfach machen, wo man doch durch Arbeit Geld verdienen kann? Vielleicht nicht gleich Millionen, aber genug für ein gutes Leben - entsprechend dem, was wir an Arbeitskraft, Ernsthaftigkeit und Hingabe in unsere Arbeit investieren. Seien wir ehrlich: Die boomenden Börsen haben uns etwas den Sinn dafür vernebelt, daß man normalerweise mit ehrlicher Arbeit sein Geld verdient. "Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten", lauteten die verführerischen Plakatschlagzeilen der Banken und Fondsmanager in den fetten Jahren. Als ob Geld Brötchen backen oder Straßen bauen könnte! Natürlich gibt es sinnvolle Arten, sein Geld in etwas zu investieren, was Neues hervorbringt und dabei noch einen Gewinn abwirft. Doch die Menschen gewöhnten sich zu sehr an den Gedanken, daß es in Ordnung sei, ihr Geld arbeiten zu lassen - und erwarteten Gewinne, die so hoch waren, daß sie nicht mit ehrlicher Arbeit verdient worden sein konnten. Sie vermieden es auch, weit genug zu denken, um zur unangenehmen Erkenntnis zu gelangen, daß ihr Geld nur dann so enorme Gewinne abwerfen konnte, wenn diese den Menschen, die irgendwo für sie arbeiteten, vorenthalten wurden.

Wenn wir uns umsehen in der Arbeitswelt, dann sehen wir nicht viel Schönes. Da gibt es die Legionen miserabler Handwerker, die hauptsächlich davon leben, unpraktische Menschen auszunehmen mit Phantasietarifen für manch eine imaginäre oder unnötige Leistung. Da gibt es die unehrlichen Fondsmanager, die ihren Kunden alle Verluste, sich selber aber alle kurzfristigen Gewinne gutschreiben. Da gibt es den Autoverkäufer, der den Kilometerzähler manipuliert und das Unfallauto keck als beinahe neuen Direktorenwagen verkauft - zu überhöhtem Preis, versteht sich (und worauf er stolz ist, statt sich zu schämen). Da gibt es das Restaurant, das so tut, als würde es nur Frischprodukte servieren, dabei wandert hinter der Küchentür nur ‚Convenience Food' aus der Plastiktüte auf den Teller. Da gibt es den Arbeiter, der sich nur dafür engagiert, wie man die wöchentliche Arbeitszeit noch weiter herab- und die Ferienquote hinaufsetzen kann. Da gibt es die Bürokraft, die längst ‚innerlich gekündigt' hat und die Hälfte der Arbeitszeit dazu benutzt, ihre Nägel zu lackieren, Telefonkontakt zu ihrem ausgedehnten Freundeskreis zu halten und im Internet zu surfen, bis auch dieser Tag wieder totgeschlagen ist.

Fazit: Es herrscht weitherum eine ‚Ich-mogle-mich-durch-bis-Feierabend-ist'-Mentalität, garniert mit einer ‚Ich-zocke-ab-soviel-ich-nur-kann'-Haltung. Und da wundern sich die Damen und Herren dann, wenn sie eines Tages wegrationalisiert werden oder die Kunden wegbleiben. Als ob das Gesetz des Karma in der Geschäftswelt einfach so außer Kraft gesetzt werden könnte! Ah, Sie dürfen aufatmen, lieber Leser: Wir kommen nun endlich zum geistigeren Teil, wie es das Wort ‚Karma' schon beruhigend signalisiert hat.

Doch auch dieser beginnt erst einmal mit - Arbeit. Obwohl: Wenn wir an einem Mangel an Geld leiden, kann das sehr wohl karmische Gründe haben. Sei es, daß wir in einem früheren Leben (oder früher in diesem Leben) zu unverantwortlich oder zu geizig mit unseren Mitteln umgegangen sind; sei es, weil wir in einer Phase der Prüfung stecken, wo wir beweisen müssen, daß wir uns nicht von Geld kaufen lassen, sondern Gott als die alleinige Quelle alles Guten ansehen, und dazu gehört, es sei gesagt, auch Geld. Nicht Geld ist schlecht, sondern lediglich der falsche Umgang damit.

Viele Schüler auf dem Pfad erleben eine Zeit, in der sie arbeitslos werden oder wo die Geschäfte sehr schlecht gehen - einfach, um zu testen, ob sie dann schnell zum Geld als der (falschen) Lösung all ihrer Sorgen zurückflüchten, oder ob sie den eingeschlagenen Weg allen Widrigkeiten zum Trotz weitergehen.

Doch diese Phase geht irgendwann vorüber, und dann ist der Mensch auf dem Geistigen Pfad aufgerufen, sein Leben in Ordnung zu bringen. Buddha Gautama beispielsweise soll der Überlieferung nach niemanden als Schüler akzeptiert haben, der verschuldet war. Und noch heute gilt, daß ein Mensch, der nicht fähig ist, seine alltäglichen Angelegenheiten im Griff zu haben - also der auch fähig ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen - keine großen Sprünge auf dem geistigen Pfad machen wird.

Leserstimmen zum Artikel

Endlich mal jemand der es auf den Punkt bringt! Den geistigen Weg zu gehen, heisst nicht in Armut zu leben, kann man doch das Geld gezielt für gute Zwecke einsetzen, und auch so einen Beitrag zur Verbesserung der Welt leisten, jeder mit seinen zu Verfügung stehenden Mitteln und/oder Talenten.

Dieter F., D-Seelbach