Ja heißt Jein und eigentlich Nein

Von den erstaunlichen Argumentationskünsten der Handy-Lobbyisten - und wie man ihre ‘Argumente’ entkräftet.

Das Jahr 1999 werden die Schweizer Mobilfunkbetreiber nicht so schnell vergessen. Überall treffen sie auf massiven Widerstand aus der Bevölkerung, kaum ein Baugesuch von Handymasten, das ohne Einsprache bleibt. Der Ausbau des Mobilfunknetzes harzt, und manche Betreiber jammerten gar von einem "faktischen Baustopp". Die Schuld für diese 'Misere' weisen sie vor allem der in diesem Frühjahr in die Vernehmlassung geschickten bundesrätlichen Verordnung über Nicht ionisierende Strahlung (NIS-Verordnung) zu.

Umweltschutzverbände kritisieren die Verordnung als zu lasch und verwässert (beispielsweise dürfen Hochspannungsleitungen noch näher an Wohnhäuser gebaut werden) und die Handy-Lobby stürzt sich auf die neuen, zehnmal verschärften Grenzwerte für den Mobilfunk (die übrigens für das bereits voll ausgebaute Mobilfunknetz des ehemaligen Monopolbetriebs Swisscom nicht gelten sollen).

Mit welchem Zynismus die Mobilfunk- Lobby das Fehlen stichhaltiger Argumente zu verschleiern sucht, demonstrierte das 'unabhängige' Mobilfunk-Magazin netz in seiner Ausgabe vom Juni 1999.Unter dem Titel 'Handysmog - Die Wahrheit' wird vollmundig verkündet, weshalb es so etwas wie 'Handysmog' gar nicht geben könne. Darin behauptet der Autor, trotz intensivster Suche sei wissenschaftlich kein Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Gesundheitsproblemen nachgewiesen. Die ganze Hysterie um den Elektrosmog sei tatsächlich nichts weiter als "Rauch und Nebel" (das englische Wort 'Smog' setzt sich eben aus 'Smoke'= Rauch und 'Fog'= Nebel zusammen).

"Nie hat jemand davon Notiz genommen. Menschen lebten ein halbes Jahrhundert und länger direkt neben Hochspannungsleitungen, ohne sich davon gestört zu fühlen oder gar krank zu werden. Über Generationen hinweg gedieh unmittelbar neben Kurzwellensendern das bäuerliche Leben ohne Beeinträchtigung von Mensch und Vieh..."

Dabei hatte die von der Universität Bern 1995 unter den Anwohnern des Kurzwellensenders Schwarzenburg durchgeführte Studie gezeigt, daß die Menschen unter einer Verfünffachung der Schlafstörungen, einer Vervierfachung der Depressionen sowie einer signifikanten Erhöhung der Krebs- und Diabetes-Fälle litten. Der Schwarzenburger Elektrosmog-Gegner Hans- U.Jakob kann, wie viele andere Anwohner auch, über Erlebnisse mit dem Kurzwellensender berichten, die einen erschauern lassen. Von wegoperierten Hoden und Brüsten, sterbenden Kindern, schreienden Kühen, gestörten Herzschrittmachern und funkenschlagenden Heugabeln.

Wichtige Details 'vergessen'

Selbstgerecht wird im netz-Magazin weiterdoziert: "Man braucht kein Experte oder Wissenschaftler zu sein, um sich die Frage zu stellen, warum ganze Generationen nichts von den heute heraufbeschworenen Gefahren gemerkt haben, geschweige denn davon krank wurden. Warum um alles in der Welt gibt es' Elektrosmog' erst heute? Schließlich war Strom in einer Hochspannungsleitung im Jahr 1900 in keiner Weise anders, als er im Jahre 2000 sein wird. Dasselbe gilt für Radiowellen oder gepulste Radarstrahlen von 1950 oder 1960, die damals niemanden krank machten und es heute angeblich tun."

Erstens gibt es bereits aus jener Zeit Berichte, daß Menschen von solchen Strahlen krank wurden. Nicht um sonst setzte die ehemalige Sowjetunion ihre Grenzwerte für elektromagnetische Belastung schon vor Jahrzehnten tausendmal tiefer an als der Westen.

Zweitens macht's auch die Menge aus. Vor vierzig Jahren war der Äther noch viel weniger mit künstlichen elektromagnetischen Wellen verseucht als heute. Deshalb wurden früher nur jene wenigen Menschen krank, die direkt neben der Strahlungsquelle arbeiteten oder lebten - und heute leiden weitflächig ganze Bevölkerungsschichten darunter.

Was die Hochspannungsleitungen betrifft, so scheint der netz-Autor nicht zu wissen, daß man mit Hochspannungsleitungen unterschiedlich viel Strom transportieren kann: Im schweizerischen Baar beispielsweise flossen im Jahre 1919 ganze 50 Kilovolt Strom durch die Kabel der Hochspannungsleitung. 1930 betrug die Spannung bereits 150 Kilovolt. 1963 wurde die Spannung nochmals auf 220 Kilovolt angehoben. Viele Bauernfamilien, welche direkt neben der Stromleitung leben, fühlten sich bei dieser Spannungsstärke in ihrer Gesundheit nicht beeinträchtigt (was nicht heißt, daß ihr Körper nicht dennoch belastet war), weshalb die Verträge mit den Elektrizitätswerken auch verlängert wurden.

Auf die Spannung kommt's an

Doch plötzlich begannen viele Bauern und Anwohner über chronische Krankheiten und Schlafstörungen zu klagen. Zu den Beschwerden gehörte chronisches Schluckweh ebenso wie chronisches Herzstechen. Vor allem die Kinder konnten nachts nicht mehr schlafen, aber auch Erwachsene machten Bemerkungen wie: "Früher schlief ich wie ein Stein, heute schlafe ich nur noch in den Ferien gut." - "Letzten Sommer hielten wir es auf dem Rasenplatz keine fünf Minuten mehr aus." -Man wird ganz kribbelig, man fühlt sich wie aufgeladen."