In Palästina fließen weder Milch noch Honig, sondern Blut und Tränen. Die Dauerkrise Nahost scheint – einmal mehr – weit entfernt von einer Lösung. Die historischen, politischen und religiösen Hintergründe des Konfliktes zeigen eines deutlich: Wo Ungerechtigkeit herrscht, kann niemals Frieden einkehren.
Am 29. September 2000 riefen die Palästinenser zur zweiten Intifada. Wieder fliegen Steine und fallen Schüsse. Doch diesmal donnern auch Rotorblätter von Kampfhubschraubern und brüllen die Geschützrohre von Panzern. Lange aufgestauter Haß, tiefe Verzweiflung und aus Angst geborene Menschenverachtung sind die gefährliche Mischung, welche das Pulverfaß in Nahost erneut zum Explodieren brachten.
Wenige Wochen später, Ende Februar 2001 sieht die Bilanz schrecklich aus: 11’668 verletzte und 371 tote Palästinenser. Auch die Israelis haben Opfer zu beklagen, wenn auch weitaus weniger: 61 Tote, 300 verletzte Soldaten und 175 verletzte jüdische Siedler in den besetzten Gebieten.
Die Ursache des schwärenden Konfliktes sind nicht die aufständischen Palästinenser. Es begann mit der zionistischen Parole vom ‘Volk ohne Land’, das in ein ‘Land ohne Volk’ heimkehre. Kein Wort von den palästinensischen Einheimischen, welche das karge Wüstenland seit Jahrhunderten zum Erblühen gebracht hatten und deren Ruf als begnadete Gärtner und Bauern ebenso gut war wie der heutige Israels. Dabei sagte sogar der israelische Kriegsheld Mosche Dayan 1969 vor jüdischen Studenten: „Jüdische Dörfer sind an der Stelle von arabischen Dörfern gebaut worden... Es gibt keine einzige Ortschaft in diesem Land, die nicht zuvor eine arabische Bevölkerung gehabt hätte.“
Die Konflikte waren bereits vorprogrammiert, als im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die ersten jüdischen Immigranten nach Palästina einzuwandern begannen. In der sogenannten Balfour-Deklaration von 1917 wurde den Zionisten erstmals offiziell zugesichert, daß die britische Regierung sich für die Gründung eines unabhängigen jüdischen Staates einsetzen werde. In dieser Deklaration steht: „Es soll Klarheit darüber herrschen, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina beeinträchtigen könnte.“
Doch erst nach Hitlers grausamer Judenverfolgung ging der lang gehegte zionistische Traum vom eigenen Staat in Erfüllung. Unter dem Schock der Shoa stimmte die UNO am 29.November 1947 einem Teilungsplan für Palästina zu (UNO-Resolution 181 II), der einen jüdischen und einen arabischen Staat vorsah, wobei Jerusalem als internationales Gebiet von beiden ausgeklammert bleiben sollte. Am 14. Mai 1948 wurde dann der Staat Israel ausgerufen. Die Palästinenser hingegen warten bis heute auf ihren eigenen Staat.
Damit der neu gegründete Judenstaat international anerkannt wurde, versprachen seine Emissionäre vor dem UN-Politkommittee für Palästina, Israel werde immer ein loyales und gesetzestreues Mitglied der Staatengemeinschaft sein. Um als UNO-Mitglied aufgenommen zu werden, garantierte Israel konkret:
Alle von ihren Häusern und ihrem Besitz vertriebenen Palästinenser dürfen wieder nach Hause zurückkehren.
Israel wird alle UNO-Resolutionen respektieren, welche den Status von Jerusalem betreffen. Gerade letzterer Punkt war der UNO damals sehr wichtig. Sie deklarierte, Jerusalem (und auch Bethlehem) dürfe nicht unter israelische Herrschaft fallen. Die allen drei monotheistischen Religionen heilige Stadt sei ein Corpus separatum und solle direkt von einem UNO-Gremium verwaltet werden. So steht es als Bedingung für die Gründung eines Staates Israel in der Resolution 181 (II).
Was die Vertreibung der Palästinenser durch die Juden betrifft, so ist das ein besonders dunkles Kapitel der zionistischen Geschichte. Alfred M. Lilienthal schrieb in The Zionist Connection II: „In Wahrheit zerstörten die Israelis fast alle palästinensischen Siedlungen. Bevor die Zionisten 1948 Palästina an sich rissen und den Staat Israel gründeten, lebte dort eine blühende palästinensische Gemeinschaft in über das ganze Land verteilten Siedlungen.“
Massenhafte Enteignungen und Übergriffe trieben viele Palästinenser ins Exil. Das am 9. April 1948 in Deir Yasin verübte Massaker an palästinensischen Männern, Frauen und Kindern war in den Augen Arnold Toynbees hierfür der eigentliche Katalysator. In seinem Werk A Study of History steht:„Dieses Massaker löste überall dort eine Massenflucht der arabischen Bevölkerung aus, wo die Menschen in Reichweite der jüdischen Truppen waren.“
Vor wenigen Monaten wurde der UNO ein Memorandum unterbreitet, welches unter der Leitung von Dr. Issa Nakhleh miertesten arabischen Historiker und Juristen gilt. Darin heißt es unter anderem:
„Israel verletzte die Bedingungen der Resolution 181 (II) und der Resolution 194, indem es Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord am palästinensischen Volk beging:
1967, so führt das Memorandum weiter aus, habe Israel die restlichen 20 Prozent des Westjordanlandes und des Gazastreifens besetzt und weitere 300’000 Palästinenser von ihren Grundstücken vertrieben. Auf dem Fundament ihrer zerstörten Häuser habe man 200 jüdische Siedlungen errichtet, in denen heute 350’000 Israelis leben würden.
Die Zerstörung palästinensischer Häuser geht weiter. Im Zuge der jetzigen Intifada reißt die israelische Armee immer wieder Häuser ein, welche angeblich zu nahe bei jüdischen Siedlungen stehen und ein Sicherheitsrisiko darstellen. So wurden während der ersten Intifada (1987 – 1990) insgesamt 490 bewohnte Häuser mit Bulldozern dem Erdboden gleich gemacht. Zwischen 1987 und 1998 rissen die Israelis mindestens 2’200 Wohnhäuser und Hunderte anderer Gebäude ein, die ohne Erlaubnis gebaut worden waren; mehr als 13’000 Palästinenser verloren dadurch ihr Heim. Im gleichen Zeitraum wurden als Strafmaßnahme außerdem 451 Häuser vollständig und 62 Häuser teilweise zerstört, während die israelischen Besatzer zusätzlich 294 Häuser von aufmüpfigen Arabern mit Beton, Backstein und Mörtel zugemauert hatten.
Das Nakhleh-Memorandum spricht von 850’000 vertriebenen Palästinensern. Erinnern wir uns: Serbien wurde mit einem Bombenteppich aus NATO-Flugzeugen bedeckt, weil es zuvor 350’000Albaner aus dem Kosovo gedrängt hatte!
Laut der amerikanischen Zeitung The Spotlight sind heute mehr als vier Millionen Palästinenser von der UNO als Vertriebene anerkannt. Nach dem Willen der Vereinten Nationen sollen diese nach Israel und Palästina zurückkehren dürfen. Das verlangt die UNO-Resolution 194 (und auch 181). Die am 11. Dezember 1948 angenommene Resolution garantiert den Palästinensern nämlich das Recht auf Heimkehr und/oder Entschädigung. Diese Wahl kann Israel nicht für die betroffenen Palästinenser fällen, denn es steht ausdrücklich: „Jene Flüchtlinge, die in ihr Heim zurückkehren und friedlich mit ihren Nachbarn leben möchten, sollten dies so früh wie möglich tun dürfen. (...) Eine Entschädigung für ihren Besitz soll jenen bezahlt werden, die nicht heimkehren wollen (choosing not to return).“
Auf diese Heimkehr warten die Palästinenser nun schon seit bald 53 Jahren. Ihr Anspruch ist nicht nur in UNO-Resolutionen festgehalten, sondern auch vor internationalem Recht legitim: Denn dieses besagt, daß die Besetzung durch eine fremde Macht (in diesem Fall Israel) die privaten Besitzverhältnisse nicht tangiert.
Was der UNO-Vermittler Graf Folke Bernadotte 1948 sagte, hat noch immer Gültigkeit: „Es wäre ein Schlag ins Gesicht der elementarsten Prinzipien von Gerechtigkeit, wenn man diesen unschuldigen Konfliktopfern das Recht auf Heimkehr verweigern würde, während jüdische Immigranten nach Palästina hineinströmen.“
Trotzdem verweigert Israel bis heute standhaft die Aufnahme dieser einst aus Israel vertriebenen Palästinenser. Nicht etwa, weil diese Menschen in Israel keinen Platz fänden. So entspricht die Gesamtzahl der palästinensischen Flüchtlinge in Gaza und im Libanon beispielsweise der Zahl russischer Juden, die allein in den 90er Jahren nach Israel einwanderten.
Man will nicht noch mehr Palästinenser im Land, weil sich damit der jüdische Charakter Israels drastisch verändern würde, lautet die Begründung (fünf der sechs Millionen Israeli sind Juden). „Israel weigert sich also aus rein ethnischen und religiösen Gründen, die Palästinenser aufzunehmen“; folgert The Spotlight.
Man möge sich vorstellen, was wohl geschehen würde, wenn Jörg Haiders Freiheitliche Partei als Koalitionsmitglied der österreichischen Regierung verlauten ließe, man wolle künftig keine Asylanten aus dem Balkan mehr aufnehmen, weil dies den christlich-katholischen Charakter Österreichs verändern könnte!
Das Recht auf Rückkehr steht den aus Israel vertriebenen Palästinensern moralisch und legal zu. Es ist demnach eine Unverfrorenheit, wenn der ehemalige israelische Premier Ehud Barak den Palästinensern während den Friedensverhandlungen anbietet, ihnen Ostjerusalem abzutreten, wenn die Palästinenser im Gegenzug auf ihr Rückkehr-Recht verzichten.
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