Atomstreit: Wenn zwei dasselbe tun…

…ist es längst nicht dasselbe. Der Konflikt um das Atomprogramm des Iran hat ganz andere politische und wirtschaftliche Hintergründe als die „Sicherheit der Welt“.

Raten Sie einmal, von welchem international bekannten Staatschef folgende Worte stammen: „Das Überhandnehmen militärischer Dominanz, wachsende Armut, der sich ausweitende Graben zwischen den reichen und armen Ländern, Gewalt als Mittel zur Krisenlösung, die Verbreitung des Terrorismus – vor allem des staatlichen Terrorismus –, die Existenz und Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, der überall vorhandene Mangel an Ehrlichkeit in zwischenstaatlichen Beziehungen, sowie die Mißachtung gleicher Rechte von Völkern und Nationen bei internationalen Beziehungen stellen einige der Herausforderungen und Bedrohungen dar.“

Solch klare Aussagen stammen – natürlich! – nicht aus dem Mund von Präsident George W. Bush. Seine unter dem Motto „Krieg gegen den Terror“ stehende Außenpolitik stärkt nämlich jede der vorgenannten Bedrohungen.

Derselbe Staatschef sagte ebenfalls: „Die Regierung gehört allen Menschen. Sie muß die Probleme eines jeden Landesteiles angehen und jeder Bürger besitzt das gleiche Recht, seine individuellen Talente zu entwickeln.“ Auch diese Worte sprach nicht George Bush, der die Rechte seiner Mitbürger immer unverhohlener mit Füssen tritt und sich mittlerweile sogar anmaßt, ungestraft Verfassungsbruch zu begehen. Er tat es beispielsweise, indem er die National Security Agency und den Auslandsgeheimdienst CIA im geheimen anwies, US-Bürger auf heimatlichem Boden auszuspionieren – weshalb ihn nun einige Politiker des Amtes entheben lassen wollen. Außerdem wurde Anfang März 2006 vertrauliches Videomaterial bekannt, wonach Bush in eindringlichen Appellen von Vertretern der Katastrophenschutzbehörde Fema rechtzeitig über die drohende Gefahr von Hurrikan Katrina unterrichtet wurde – und sie ignorierte.

Unser mysteriöser Staatschef hingegen erklärte: „Die menschliche Vortrefflichkeit, die Stärke der menschlichen Gesellschaft, kommt zustande im Licht der Gerechtigkeit und Spiritualität. Maßnahmen, die außerhalb religiöser Moral getroffen werden – Politik minus Moral, Wirtschaftlichkeit minus Moral, Kultur minus Moral – machen die Welt bloß zur Hölle für Nationen und Menschen.“

Leider stammen auch diese schönen Worte nicht aus dem Mund des „wiedergeborenen“ Baptisten und Kirchgängers George W. Bush, dessen Moralvorstellungen kläglich versagten, als seine Hintermänner ihn zweimal mittels großangelegtem (und mittlerweile gut dokumentiertem) Wahlbetrug zum amerikanischen Präsidenten kürten.
Ganz sicher aber brächte kein amerikanischer Präsident die folgenden Sätze über seine Lippen: „Eine Nation, die Kultur, Logik und Zivilisation besitzt, braucht keine atomaren Waffen. Staaten, die nach Nuklearwaffen streben, wollen alle Probleme mit roher Gewalt lösen. Unser Land braucht solche Waffen nicht.“ 

Erstaunlich, von wem all diese Zitate tatsächlich stammen: vom international geschmähten, angeblich gemeingefährlichsten nuklearen Brandstifter der Welt – Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad. Man muß das iranische Regime weder mögen noch gutheißen, doch das Bild, das westliche Massenmedien heutzutage vom Iran und seinem Präsidenten zeichnen, ist mehr als tendenziös. Man will die Massen auf einen militärischen Konflikt hinmanipulieren, der nicht nur den Nahen Osten, sondern die ganze Welt in Brand stecken könnte.

Mahmoud Ahmadinejad

Irans Präsident Mahmoud Ahmadinejad misstraut der israelischen Atombombe.

Der Westen, angestachelt von Israel und der Bush-Regierung, behauptet, daß der Iran mit seinem zivilen Atomprogramm auf die Bombe hinarbeite – was notfalls mit einer militärischen Intervention verhindert werden müsse. So verkündete Israels Außenminister Silvan Shalom bereits am 23. September 2004 in einer Rede vor den Vereinten Nationen, nach dem gestürzten Saddam Hussein stelle nun der Iran die größte Bedrohung für den Weltfrieden dar, weil er wie kein anderes Land „Terror, Hass und Instabilität“ verbreite: „Iran, dessen Raketen London, Paris, Berlin und Südrußland erreichen können, bedroht nicht nur die Sicherheit Israels, sondern die Sicherheit und Stabilität der ganzen Welt.“ – Argumente, die allzu bekannt klingen und bereits als (erlogene) Rechtfertigung für einen illegalen Angriffskrieg gegen den Irak herhalten mußten.

Welche atomare Bedrohung?

Atom-Uboot

In Deutschland gebaute U-Boote der Delphinklasse können von Israel mit nuklearen Gefechtsköpfen ausgerüstet werden.

Doch die westlichen Massenmedien ignorieren in diesem Zusammenhang, daß das iranische Staatsoberhaupt und der angesehenste islamische Führer Hoseini-Khamenei eine Fatwa (ein islamisches Rechtsgutachten) ausgesprochen haben, wonach die Herstellung, Lagerung und Benutzung von Atomwaffen dem Islam zufolge verboten sei. Ganz anders die USA: Im Jahre 2002 bekannte sich die Bush- Admin istration in der Nuclear Posture Review zur Doktrin des „präemptiven Nuklearkrieges“. Man ist also bereit, ein Land wie den Iran mit Atombomben anzugreifen. Atombomben, die angeblich „für Zivilisten sicher“ sind, wie der US-Senat 2003 entschied. Damit gemeint sind taktische Kernwaffen mit einer Explosionskraft von bis zu sechs Hiroshima-Atombomben, die unterirdischen explodieren sollen. US-Vizepräsident Dick Cheney hatte das Pentagon bereits im August 2005 angewiesen, Pläne für einen atomaren Militärschlag gegen den Iran auszuarbeiten.

Der kanadische Ökonomieprofessor und Bestsellerautor Michel Chossudovsky quittierte diese verantwortungslose Schizophrenie denn auch mit den Worten: „’Die Welt sicherer zu machen’ ist die Rechtfertigung, eine militärische Operation in Gang zu setzen, die möglicherweise in einem atomaren Holocaust enden könnte.“ Auf genau diesem Risiko gründet sich die Verteidigungspolitik Israels schon lange. Die einzige Atommacht im Nahen Osten beruft sich noch immer auf die „Samson-Option“*, wonach der israelische Staat bereit ist, notfalls die ganze Welt mit sich in den nuklearen Untergang zu reißen.

Heute wäre Israel dazu tatsächlich in der Lage. Im Jahre 2003 ließen die Israelis die ersten drei von Deutschland praktisch geschenkten U-Boote der Delphin-Klasse vom Stapel. Diese hochmodernen U-Boote tragen israelische Raketen mit atomaren Sprengköpfen, die dank der von den USA gestohlenen PROMIS-Software eine äußerst genaue Treffsicherheit im Umkreis von tausend Kilometern aufweisen. Mit den U-Booten verfügt Israel über mobile Abschußrampen, die Atomwaffen an jeden Punkt der Weltmeere tragen können. – Da spricht es für sich, daß im halbjährlichen CIA-Bericht über Massenvernichtungswaffen in der Welt Israel bis heute mit keinem Wort erwähnt wird. Ganz anders aber ein aktueller Bericht des Strategic Studies Institute am renommierten Army War College, wo die Besten der künftigen US-Offiziere ausgebildet werden. In einem mit Getting Ready for a Nuclear-Ready Iran betitelten Papier, das die amerikanischen Massenmedien nicht zu publizieren wagten, fordern die Militärstrategen, Israel solle seinen Atomreaktor in Dimona schließen, spaltbares Material an eine Drittpartei übergeben und künftig zulassen, daß die Internationale Atomenergiebehörde IAEA regelmäßige Inspektionen durchführen könne – was Israel bis heute verweigert. Würde der jüdische Staat auf sein Atomwaffenprogramm verzichten, so könnten die USA arabische Staaten wie Pakistan oder Iran ebenfalls dazu bewegen, glauben die Autoren aus der militärischen Elite-Denkfabrik. Die gleiche Auffassung vertritt auch Joseph Cirincione von der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden. Er bemerkte gegenüber der Washington Post: „Man kann sich der chemischen, biologischen oder nuklearen Waffenprogramme in arabischen Staaten nicht entledigen, wenn man nicht gleichzeitig darauf drängt, daß Israel seine nuklearen und chemischen Waffenprogramme einstellt.“ Dies sagte Cirincione bereits im April 2003 – eineinhalb Jahre vor der Hetze von Israels Außenminister Shalom gegen den Iran. *Samson (oder Simson) war ein jüdischer Held des Alten Testamentes, der als Gefangener die Säulen eines Tempels mit bloßer Muskelkraft umstürzte und damit unzählige Philister mit sich in den Tod riß.

Im selben Jahr hatte Syrien eine UNO-Resolution eingebracht, die verlangte, daß internationale Waffeninspektoren sämtliche Länder in Nahost auf Atomwaffenprogramme hin überprüfen sollten – einschließlich Israel. Obwohl der damalige US-Außenminister Powell verkündete, die USA würden sich wünschen, die ganze Region frei von Massenvernichtungswaffen zu sehen, wurde genau diese Forderung Syriens von Amerika nicht unterstützt. Israel will seine „Simson-Option“ unter keinen Umständen aufgeben. Nur so ist die unnachgiebige Härte zu erklären, mit welcher der israelische Staat Mordechai Vanunu behandelt hatte. Neun Jahre hatte der Nukleartechniker in Israels Atomanlage von Dimona gearbeitet, als er 1986 das geheime Atomwaffenprogramm der Israelis publik machte.

Wenige Tage später wurde er in Rom von Mossad- und CIA-Agenten nach Israel entführt, wo man ihn wegen Hochverrats für 18 Jahre ins Gefängnis warf – mehr als elf davon in Isolationshaft. Seit 2004 ist der zum Christentum konvertierte Vanunu wieder auf freiem Fuß. Doch die staatlichen Schikanen und Geheimdienst-Überwachung gehen weiter. Vanunu darf beispielsweise Israel nicht verlassen (so wurde er verhaftet, als er Ende 2005 das palästinensische Westjordanland besuchen wollte) und mit keinen ausländischen Medien sprechen, da er die Repressionspolitik Israels lautstark kritisiert. Mordechai Vanunu, der von einer atomwaffenfreien Welt träumt, stand im Gespräch, den Friedensnobelpreis 2005 verliehen zu bekommen. Insider berichten jedoch, daß am letztjährigen Bilderbergertreffen in Rottach-Egern Amerikaner, Briten und Israelis massiv Druck auf Geir Lundestad, ein extra geladenes Mitglied des Friedensnobelpreiskomitees, ausgeübt hatten, um genau dies zu verhindern – Vanunus Auszeichnung hätte Israels Nuklearwaffen ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gezerrt. Daß statt dessen ausgerechnet die Internationale Atomenergiebehörde den Friedensnobelpreis erhalten hat, ist ein politisch geschickter Schachzug. Weigert sich der Iran, mit dieser Behörde zusammenzuarbeiten (was Israel übrigens auch tut), kann man ihn noch besser als globales Sicherheitsrisiko abstempeln. Wenn nun israelische (oder amerikanische) Kampfbomber Atomanlagen im Iran bombardieren sollten, befürchten Militärstrategen einen Krieg, der leicht den ganzen Nahen Osten erfassen könnte. Da ließe sich die angebliche Gefahr eines iranischen Atomwaffen-Programms viel leichter bannen, wenn Israel auf sein mittlerweile über 400 atomare Gefechtsköpfe umfassendes Kriegsarsenal verzichten würde. Aber das steht nicht zur Diskussion.

Petro-Euro statt Petro-Dollar

Das eigentliche Ziel ist der Sturz des gegenwärtigen iranischen Regimes, das nicht nur wegen seiner lautstark geäußerten Zweifel am Ausmaß des jüdischen Holocaust in die Schußlinie westlicher Kritik geraten ist. Viel schwerer wiegt die vom Westen völlig verschwiegene Absicht des Iran, Ende März 2006 eine neue Ölbörse zu eröffnen, die weltweit Rohöl gegen Euro handelt. Diesem Projekt könnte aus verschiedenen Gründen durchschlagender Erfolg beschieden sein: Die Europäer müssen für ihre Ölimporte keine Dollars mehr kaufen, sondern bezahlen direkt mit der eigenen Währung (ohne Kursverlust).

Mit der Einführung des Euro für Öltransaktionen nimmt dieser zudem den Status einer Reservewährung ein, was den Europäern auf Kosten der Amerikaner zum Vorteil gereicht. Chinesen und Japaner werden von der neuen Börse ebenfalls profitieren, weil es ihnen erlaubt, ihre enormen Dollarreserven zugunsten des Euro drastisch zu reduzieren, um sich so gegen die Abwertung des Dollars zu schützen. Die Russen, deren wichtigste Handelspartner neben China und Japan vor allem die europäischen und ölexportierenden Staaten sind, ziehen den Euro dem Dollar nur schon deswegen vor, weil er den Handel mit diesen beiden Blöcken erleichtert. Denn auch die arabischen erdölfördernden Länder wollen den Euro begierig übernehmen, da sie vornehmlich mit Europa handeln. Der Euro wäre auch für sie ein willkommener Schutz vor dollarbedingten Währungsrisiken. Saddam Hussein hatte Ende 2000 ähnliche, im Vergleich zum Iran noch zaghafte Schritte in dieselbe Richtung unternommen – und provozierte damit maßgeblich den Einmarsch amerikanischer Truppen im Irak. Nur zwei Monate nach ihrer militärischen Intervention hatten die USA durchgesetzt, daß man das „Oil for Food“-Programm beendete und die auf Euro lautenden irakischen Konten in Dollar-Konten konvertierte. Damit konnte die Welt nicht länger irakisches Öl mit Euros erwerben.