ECHELON: Lauscher in der ganzen Welt

Die große Abhöraktion ist längst im Gange: Wußten Sie, daß Ihre Telefonate, Faxnachrichten und E-Mails routinemäßig von Supercomputern aufgezeichnet werden?

Die Diktatur des Technotronischen Zeitalters, die Macht der Konzerne und der Technokraten fußt nicht nur auf Geld, sondern auch auf Überwachung. Kaum ein Telefongespräch, kaum eine Faxnachricht oder ein E-mail und kaum ein verschlüsseltes Satellitensignal, das nicht abgehört wird. Und zwar auf dem ganzen Globus. Zu jeder Zeit.

Modernste technische Einrichtungen und Supercomputer, von denen Otto Normalverbraucher nicht einmal träumen kann, machen diese Mammutaufgabe überhaupt erst bewältigbar. Und uns alle zu gläsernen Menschen.

Mit dem Beginn des Kalten Krieges schlossen sich fünf westliche Nationen zu einer Abhör-Allianz zusammen, um dem wachsenden Einfluß der Sowjetunion die Stirn zu bieten. So wurde 1948 das noch heute geheime UKUSA-Sicherheitsabkommen ins Leben gerufen, unterzeichnet von den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Darin verpflichteten sich die staatlichen Abhör-Organisationen der fünf Länder zu einem gemeinsam koordinierten Lauschangriff auf die Kommunisten.

In den Jahrzehnten des Kalten Krieges wurden diese Organisationen beständig ausgebaut, bis sie beim Zusammenbruch der Sowjetunion so mächtig waren, daß sie einer demokratisch gewählten Kontrolle de facto nicht länger unterworfen waren. Die Gefahr von Terrorakten wie etwa dem Bombenanschlag in Oklahoma sollen vordergründig noch immer die Existenz dieser Lausch-Allianz rechtfertigen.

NSA: Rädelsführer aller Lauscher

Doch in Wahrheit sind vor allem wir Bürger der freien westlichen Welt die primären Opfer dieser Abhörspezialisten. Angeführt werden sie von der amerikanischen National Security Agency (NSA). Die in Fort George Meade ansässige Behörde ist die mächtigste und größte Überwachungsorganisation der Welt mit einem Budget in Milliardenhöhe. Niemand beschäftigt weltweit mehr Mathematiker als die NSA; dazu gehören die besten Teams von Verschlüsselungscode- Knackern sowie Code-Entwickler. Damit gelingt es ihr, die elektronischen Verschlüsselungscodes auf der ganzen Welt (von Staaten, Firmen und Privatpersonen) zu knacken und die entschlüsselten Nachrichten den eigenen Analyseteams weiter zu reichen, die über hundert verschiedene Sprachen beherrschen. Außerdem gehört es zur Aufgabe der NSA, die Kommunikation der US-Regierung abhörsicher zu erhalten. Zweitrangige Partner der NSA sind folgende vier Organisationen:

  • Communications Security Establishment (CSE) in Kanada,
  • General Communications Headquarters (GCHQ) in Großbritannien,
  • Defence Security Directorate (DSD) in Australien
  • General Communications Security Bureau (GCSB) in Neuseeland.

Dank diesen vier Partnern haben die Amerikaner ein weltweites Abhörnetz aufgebaut, durch dessen Maschen kaum ein elektronisches Signal schlüpft. Die fünf Organisationen teilten den ganzen Globus in Sektoren auf, wobei eine jede gleich einem elektronischen 'Staubsauger' sämtliche Telekommunikation in ihrem Bereich abhört. Hierfür stehen ihnen Abhörstationen auf dem Festland, Abhörschiffe auf den sieben Weltmeeren und streng geheime Spionage-Satelliten im Orbit zur Verfügung. Die amerikanische NSA überwacht Nord- und Südamerika, die britische GCHQ belauscht Afrika und Eurasien bis hin zum Ural, die australische DSD bespitzelt Südost-Asien, den Südwest- Pazifik und den östlichen Indischen Ozean, während sich die neuseeländische GSCB um den Südpazifik kümmert. Die kanadische CSE fängt zudem alle Kommunikationssignale von Nordrußland, Nordeuropa und den USA ein.

Weil die Informationen unter diesen UKUSA-Bündnispartnern ausgetauscht werden, lassen sich zudem elegant nationale Gesetze umgehen. Der NSA ist es nämlich verboten, die eigene Bevölkerung zu bespitzeln (was sie aber dennoch tut). Also läßt man die USA zudem von den Kanadiern überwachen und ist damit im Fall der Fälle immer fein raus.

Dieses geheime Netzwerk Orwell'scher Dimensionen trägt den Codenamen ECHELON. Hauptangriffsziel der Superspione sind die Intelsat - und Inmarsat -Satelliten, welche die größte Flut der Telekommunikation übermitteln. Der US-Politologe und ehemalige Vizedirektor des Center for Technology Policy in Washington, Patrick Poole, listet in seinen Enthüllungen auf, wie dieses Überwachungssystem aufgebaut ist. Die beiden wichtigsten Lauschstationen von ECHELON in Europa befinden sich in Bad Aibling (Deutschland) und in Menwith Hill (England). Letztere ist die größte Spionagestation der Welt mit über 25 Satellitenempfängern. In Menwith Hill arbeiten 1'400 Amerikaner von der NSA und 350 Engländer vom britischen Verteidigungsministerium. Dokumente von 1997 offenbarten, daß unter anderem die größten und wichtigsten Kommunikationsleitungen (mindestens 300'000 Simultangespräche) der britischen Telekom direkt in die Supercomputer von Menwith Hill eingespeist werden.

An dieser weltweiten Überwachung beteiligen sich neuerdings auch Länder wie Deutschland, Japan, Norwegen, Südkorea und die Türkei.

Die Nadel im Heuhaufen

Das Erschreckende von ECHELON liegt nicht so sehr in der Tatsache, daß jeden Tag 24 Stunden lang weltweit Millionen von Telefongesprächen und Datenübermittlungen angezapft werden, sondern in dem Umstand, daß modernste Hochleistungsrechner und Computerprogramme es diesen professionellen Spitzeln ermöglichen, die für sie interessanten Daten aus der unvorstellbar großen Flut von Informationen herauszufiltern. Es ist ihnen tatsächlich möglich, nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen zu suchen - und diese auch zu finden.