Die Bombardierung des Libanon war von langer Hand geplant. In Tel Aviv und Washington wartete man nur auf einen passenden Vorwand.
Theodore Roosevelt, von 1901 bis 1909 Präsident der USA, sagte einmal: „In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, daß es auf diese Weise geplant war.“ Am Wahrheitsgehalt dieser Worte hat sich auch hundert Jahre später nichts geändert. Das zeigt auch der jüngste Krieg im Libanon. Die Weltöffentlichkeit konnte nicht verstehen, warum die Gewalt im Nahen Osten plötzlich eskalierte und einen in Trümmern liegenden Libanon zurückließ. Schuld am Krieg soll die Hisbollah sein, weil sie am 12. Juli 2006 zwei an der libanesischen Grenze stationierte israelische Soldaten in den Libanon verschleppt hatte.
Angeblich. Denn diese allgemein als „Tatsache“ kolportierte Version widerspricht den allerersten Pressemeldungen von Nachrichtenagenturen wie der Agence France Press, AP, UPI und anderen. So berichtete die Deutsche Presseagentur DPA am 12. Juli aus Beirut: „Die libanesisch-schiitische Hisbollah-Bewegung erklärte am Mittwoch, ihre Guerillakämpfer hätten im Südlibanon zwei israelische Soldaten gefangengenommen.“ Und weiter: „Gemäß libanesischer Polizei wurden die zwei Soldaten beim Versuch gefangen genommen, den libanesischen Ort Aitaa al-Chaab zu ‚infiltrieren.“1
Die Entführung israelischer Soldaten auf israelischem Boden ist ein Verbrechen. Die Gefangennahme israelischer Soldaten hingegen, die sich bewaffnet und unerlaubt auf libanesischem Boden befinden, ist legitim.
Egal, was sich nun wirklich abgespielt haben mag, eines ist klar: Israel mißbrauchte diesen Zwischenfall als Casus belli. Das glaubt auch der israelische Historiker Tom Segev. Israels Militäroffensive im Libanon sei lange vorher geplant gewesen, erklärte er im Spiegel-Interview.2 Die Regierung habe nur auf einen passenden Anlaß gewartet.
Entsprechend gut war man vorbereitet. „Israels militärische Antwort zu Luft, Land und zur See verlief gemäß einem Schlachtplan, der vor über einem Jahr ausgearbeitet wurde“, schrieb Matthew Kalman aus Jerusalem.3 Damals, so Kalman, „begann ein hochrangiger israelischer Armeeoffizier, im inoffiziellen Rahmen PowerPoint-Präsentationen vor US-Diplomaten, Journalisten und Denkfabriken zu halten, worin die Strategie für die jetzige Militäroperation bis aufs kleinste dargelegt wurde.“
Doch damit nicht genug: Am 22. Juli 2006 berichtete der auf Insider-Informationen aus der Washingtoner Politikszene spezialisierte Wayne Madsen,4 Israel und die USA hätten die Invasion des Libanon gemeinsam beschlossen – und zwar einen Monat vor der Entführung der beiden israelischen Soldaten: „Am 17. und 18. Juni trafen sich der ehemalige israelische Premier Benjamin Netanjahu und der Knesset-Abgeordnete Natan Scharanski vom Likud mit Vizepräsident Dick Cheney während der Konferenz des American Enterprise Institute in Beaver Creek, Colorado. (…) Nachdem er von Cheney die volle Rückendeckung für die geplante Invasion in Gaza und im Libanon erhalten hatte, flog Netanjahu nach Israel zurück, wo er sich zu einem speziellen ‚Ex-Premierminister-Treffen’ begab. Dort überbrachte er die Zusicherung der Bush- Admin istration, daß man die strategische Umsetzung des ‚Sauberen Schnitts’ unterstützen werde – das zunichte Machen aller Nahost-Friedensabkommen inklusive den Oslo-Verträgen. An besagtem Treffen nahmen neben Netanjahu auch der amtierende Premier Ehud Olmert sowie die beiden ehemaligen Regierungschefs Ehud Barak und Shimon Peres teil.“
Die Strategie des ‚Sauberen Schnitts’ geht auf ein politisches Papier zurück, das neokonservative Zionisten bereits 1996 in den USA veröffentlicht hatten. Sein Titel lautet: A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm.5 Verfaßt wurde es von drei politisch einflußreichen Persönlichkeiten, die maßgeblich für den amerikanischen Angriff auf Afghanistan und den Irak verantwortlich sind: Richard Perle (ehemaliger Vorsitzender des Defense Policy Board, einer Gruppe unabhängiger Berater des US-Verteidigungsministeriums), Douglas Feith (während des Irakkriegs Vize-Verteidigungsminister unter Rumsfeld) und David Wurmser (wichtigster Nahost-Berater von Vizepräsident Dick Cheney).
Worum es im Strategiepapier dieser Israeltreuen „Falken“ geht, umriß der Buchautor und Geheimdienstexperte James Bamford während eines Fernseh-Interviews mit den Worten: „1996 präsentierten sie einen Plan – die Clean Break-Strategie – wie Israel sich des Iraks und Saddam Husseins entledigen, in den Libanon und in Syrien einmarschieren und schließlich im Iran einfallen kann.“6
Nützt dieser „Saubere Schnitt“ nun Israel oder den USA? Wedelt der Hund mit dem Schwanz oder der Schwanz mit dem Hund? Es ist längst kein Geheimnis mehr, daß zionistische Interessen die Politik in Washington bestimmen.7 Dieser Fakt wurde kürzlich einmal mehr offengelegt. Diesmal durch die beiden US-Professoren John J. Mearsheimer (Universität von Chicago) und Stephen M. Walt (Harvard Universität). Allein schon der enorme Grad an Empörung, den ihr Aufsatz in den amerikanischen Medien auslöste, zeigt, wie stichhaltig ihre Argumente sind (vgl. Kasten auf Seite 48).
Amerikanische Politiker verpflichten sich gegenüber den zionistischen Zielen, im Gegenzug erhalten sie genug Wahlkampfspenden und positive Presseberichte, damit sie auch gewählt werden. Journalist Alexander Cockburn zitiert eine Liste des Magazins Mother Jones aus dem Jahre 2001, welche die 400 wichtigsten Wahlkampfspender der Wahl 2000 enthielt: „Sieben unter den ersten zehn waren jüdisch, wie auch zwölf unter den ersten zwanzig oder 125 unter den ersten 250. Diesem Umstand eingedenk, sind alle umsichtigen Kandidaten weit über das übliche Maß hinausgegangen, um deren Wünsche zu befriedigen.“8
Die Israellobby hat die amerikanischen Politiker gut unter Kontrolle. Wie das unter anderem geht, offenbart Howard Friedman in einem Brief vom 30. Juli 2006, worin der Präsident von AIPAC,9 der mächtigsten US-Lobbygruppe, seinen Anhängern für die Unterstützung im Libanonkrieg dankt, weil die USA sämtliche europäischen Bemühungen für einen schnellen Waffenstillstand sabotiert hatten.
„Wie machen wir das?“, fragt Friedman seine Anhänger, und gibt gleich die Antwort: „Durch jahrzehntelanges hartes Arbeiten, das nie aufhört.“ Und dann plaudert der AIPAC-Präsident aus dem Nähkästchen: „AIPAC trifft sich mit jedem Kandidaten, der sich in den Kongreß wählen lassen möchte. Diese Kandidaten erhalten von uns eine tiefschürfende Unterweisung, die ihnen helfen soll, die komplexe Zwickmühle vollständig zu verstehen, in der sich Israel und der ganze Nahe Osten befinden. Wir bitten alle Kandidaten sogar, ein ‚Positionspapier’ zu verfassen, worin sie ihre Meinung über die Beziehung zwischen den USA und Israel darlegen – so wissen wir ganz genau, wie sie zu diesem Thema stehen.“
Sind die Politiker dann gewählt, geht ihre „Unterweisung“ durch die Israellobby weiter. „Die Mitglieder des Kongresses und ihre Gehilfen, wie auch Regierungsbeamte verlassen sich auf AIPAC-Memos“, erklärt Howard Friedman. „Sie sind sehr beschäftigte Leute, die wissen, daß sie auf AIPAC zählen können, wenn es um klare, weitsichtige Analysen geht. Wir präsentieren diese Informationen in prägnanter und präziser Form allen gewählten Volksvertretern. Informationen und Analysen sind unfehlbar – schließlich steht unser Ruf auf dem Spiel. Das führt zu einer Regierungspolitik und Gesetzgebung, die Israels Rettungsleine ausmachen.“
Es bleibt an dieser Stelle anzufügen, daß die „unfehlbare Information“ über die angeblichen Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein ursprünglich aus der Gerüchteküche des Mossad und der amerikanischen Israellobby stammten.10
Wenn auch die Informationspolitik der Israellobby nicht immer unfehlbar ist, so funktioniert dafür die angesprochene Betreuung der Kongreßmitglieder tadellos. Dies zeigte sich beispielsweise am 20. Juli 2006, als das amerikanische Repräsentantenhaus eine Resolution verabschiedete, welche dem Libanon die alleinige Schuld am Krieg zuschob. Von den 435 Abgeordneten wagten nur deren acht, dagegen zu stimmen. Schon zwei Tage zuvor hatte der US-Senat Israels Militäroperation ebenso deutlich in Schutz genommen.
Was uns zur Frage vom Hund und seinem Schwanz zurückbringt. Führen die USA im Irak nun einen Stellvertreterkrieg für Israel? Oder hat Israel vielmehr „im Libanon Bushs Krieg gegen den Terrorismus“ geführt, wie das Jack Rosen, der Vorsitzende des Amerikanischen Jüdischen Kongresses, behauptet? Diese Fragen lassen sich nicht mehr eindeutig beantworten, seit die zionistischen Interessen die amerikanische Auslandspolitik bestimmen, wie unter keiner anderen Admin istration zuvor. Der texanische Investor Fred Zeidman, ein jüdischer Aktivist und langjähriger Bekannter von George W. Bush, sagte denn auch über den Präsidenten: „Ich habe nie einen Mann gesehen, der Israel mehr verpflichtet wäre.“
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