Vom Lieben in schwieriger Zeit

Wenn die Welt scheinbar aus den Fugen gerät, gibt es nur eine Zuflucht, die uns vor allen Unbilden schützt: Die Liebe. Begeben wir uns in den inneren Raum der Liebe, wird Schmerz zur Freude, Angst zur Zuversicht und Unsicherheit zur Seelenruhe. Leider haben viele vergessen, daß das Lieben kein Konsumgut ist, sondern die erhabenste Tätigkeit des Geistes, die sich durch das Herz ergießt. Diese Ausgabe berichtet vom Suchen und Finden der Liebe – und davon, wie sie wiederbelebt werden kann, wenn sie bereits scheintot ist. Denn, wie es Pestalozzi sagte, „Gott ist nahe, wo die Menschen einander Liebe zeigen.“

Etwas schien schwer auf dem 12jährigen Jungen zu lasten. Nach langem Bohren gab er irgendwann seine tiefe Sorge preis, die so gar nicht in die Welt eines Zwölfjährigen zu passen schien: „Mama, wie finde ich einmal die richtige Frau für mich? Und woran erkenne ich dann, daß diese jetzt die Richtige ist? Und was, wenn ich der Richtigen einfach niemals begegne?“

Lieben in schwierigen Zeiten

Gute Fragen, nicht wahr? Ist es nicht reinste Magie, daß Mensch irgendwann der oder dem Auserwählten begegnet – von dem er/sie spürt, daß er/sie nun der/die lang herbeigesehnte „Richtige“ ist? Kürzlich besuchte uns ein reizendes Paar, das in Melbourne lebt. Beide frisch in Griechenland verheiratet und nach ihren Flittermonaten in Europa noch immer schwer verliebt. Beide im nordaustralischen Darwin geboren, dem einzigen städtischen Außenposten zwischen Meer und Tausenden Kilometern „Outback“. Beide Kinder griechischstämmiger Eltern. Und wie es aussieht, beide füreinander bestimmt. Da wanderte der junge Mann eines Tages in den Süden des Kontinents aus, nach Melbourne, das übrigens die größte griechische Stadt außerhalb Griechenlands ist. Jahre später zog es auch seine jetzige Frau dorthin, wo sie sich irgendwann über den Weg liefen und staunend feststellten, daß ihre Eltern in Darwin gute Bekannte waren. Die Nähe ihrer Geburt und die Bekanntschaft ihrer Eltern hatten vorgesorgt, daß sie einander zu gegebener Zeit begegnen würden. Doch dann büxte der junge Mann aus in eine weit entfernte Stadt. Und so mußte das Schicksal dafür sorgen, daß auch die junge Frau aus ganz anderen Gründen dorthin zog. Damit sie ihren „göttlichen Plan“ in diesem Leben nicht verpaßten und womöglich den falschen Partner heirateten.

Der Zwölfjährige konnte getröstet werden: Wenn es ihm beschieden sein sollte, in diesem Leben zu heiraten – und sein Wunsch danach war so präsent, daß dies höchstwahrscheinlich zu seinem Schicksal gehört – dann war ihm schon längst eine Frau bestimmt. Und die waltenden Mächte des Schicksals würden alles daran setzen, daß er ihr auch zum geeigneten Zeitpunkt begegnen würde.

Wenn dieses Wunder geschieht – daß zwei Lebensfäden unausweichlich aufeinander zustreben, um sich miteinander zu verbinden für ein langes Leben – dann weiß es das Herz einfach. Manchmal schon im ersten Augenblick, manchmal erst nach Wochen, Monaten oder gar Jahren. Und wenn das Herz dem Verstand dieses „Wissen“ – „das ist die/der Richtige“ nicht eines Tages gefühlstrunken funkt, dann ist es eben nicht die/der Richtige. Und dann soll man die Finger vom Ehering lassen. Weil man sonst eine Ehe eingehen würde, die nicht „im Himmel geschlossen“ wurde und damit seinen eigenen Lebensplan verpatzt, wie auch denjenigen des „falschen“ Partners sowie dessen richtigen Partners und des eigenen richtigen. Und so weiter. Das Wassermann-Evangelium zitiert Jesus bei der Hochzeit zu Kanaan (70,3) mit folgenden, sehr klaren Worten: „Keine Bindung ist so heilig wie die Ehe. Jene Kette, die zwei Seelen in getreuer Liebe bindet, ist im Himmelreich geschmiedet und kein Mensch kann sie zerreißen. Haben sich die zwei jedoch in Leidenschaft gefunden, kann ein Bund entstehen, als vermischte Wasser sich mit Öl. Wenn nun ein Priester diese Bindung segnet – ist es keine echte Ehe, sondern eine Fälschung. Beide machen sich des Ehebruchs schuldig und der Priester ist an diesem Unrecht mitbeteiligt.“

Eine Ehe ist also dann „im Himmel geschlossen“, wenn sie zum Plan unseres Lebens gehört, der festgelegt wird, bevor wir uns in eine erneute Verkörperung begeben – nicht aber, wenn sie nur aus Leidenschaft oder des Geldes wegen eingegangen wird. Zu diesem Plan für unser Leben haben wir übrigens immer „ja“ gesagt – auch wenn er oft nicht leicht sein mag. Schließlich sind wir hier, um zu lernen und innerlich zu wachsen, und nicht, um einfach ein bißchen Spaß zu haben.

Freundschaft ist die beste Frucht der Liebe

Noch nie wurden so viele Beziehungen und Ehen wieder getrennt und aufgelöst wie heute: Die Scheidungsraten liegen inzwischen alle zwischen 45 und 50 Prozent in den deutschsprachigen Ländern, während 1970 höchstens jede siebte Ehe geschieden wurde. Woran liegt das? Vielleicht daran, daß heutige Menschen auch die Ehe als ein Konsumgut begreifen, das ihnen knisternde Erotik, romantische Abende und Höhenflüge des Gefühls vermitteln soll? „Wir sind zwar noch ein Paar, aber kein Ehepaar mehr“, ließ eine prominente deutsche Schauspielerin im November 2008 bekanntgeben. Sie trennte sich im siebten Ehejahr von ihrem Mann; für die gemeinsame Tochter wollen beide weiterhin da sein. Was ist der Unterschied zwischen einem Paar und einem Ehepaar? Vielleicht derselbe, den mittlerweile so viele Paare als Trennungsgrund angeben – nämlich, daß aus der Verliebtheit irgendwann Freundschaft geworden ist?

Tragisch daran ist, daß dies der bestmögliche Verlauf ist, den eine Ehe nehmen kann: Vom anfänglichen Trunkensein voneinander hin zu einer tiefen Freundschaft, wo der eine dem anderen Heimat und Zuflucht ist, wo die gemütliche Wärme eines Kamins das Feuerwerksflimmern der ersten Monate oder Jahre ersetzt hat und liebevolles Verstehen den Rausch, den die Widerspiegelung im anderen einst hervorrief. Das, meine Lieben, ist des Lebens Lauf. Und es gibt nur sehr unangenehme Umstände, die einer Liebe nach längerer Zeit noch dieselbe Sturm-und-Drang-Romantik und -Dramatik verleihen können: Beispielsweise, wenn der eine in den Krieg muß und der andere nicht weiß, ob er auf den eigenen Beinen nach Hause kommt oder im Rollstuhl oder gar im Sarg. Oder, wenn der eine verheiratet und der andere das „Verhältnis“ ist, das nie weiß, woran es ist und ob das nächste Wochenende einem selbst oder der Familie gehört. Nicht wirklich erstrebenswert, oder?

Irgend etwas scheint die Menschen von heute jedoch glauben zu machen, sobald die Liebe Zimmertemperatur erreicht habe, müsse sie auch schon am Verlöschen sein. Vielleicht ist es eine Form der Sucht, der unsere Gefühls-, Gedanken- oder Ätherkörper erlegen sind? Gefühlssucht, wenn wir schon viele Ex-und-Hopp-Beziehungen der romantisch-dramatischen Art hatten, so daß uns alles andere bald fad erscheint? Sind wir zu vielen Groschenromanen und Liebesfilmen auf den Leim gegangen und meinen nun, so müsse auch das wahre Leben sein? Oder bringen wir in unseren Ätherkörpern aufregende Erinnerungen mit, aus Leben, wo der Liebste in die Schlacht zog oder auf den Kreuzzug, und unser Leben beherrscht wurde vom Auf und Ab eines wütenden Schicksals, so daß uns nun eine ruhige See wie ein Friedhof der Seele vorkommt?

„Wenn Menschen heiraten, nur weil sie glauben, so würde ihnen Glück geschenkt, dann beginnen sie ihr gemeinsames Leben mit dem größten Verhinderer romantischer Liebe. Wir sollten niemals jemanden heiraten mit dem Gedanken, daß irgend jemand uns glücklich macht, sondern mit dem Gedanken, was wir geben können, um denjenigen glücklich zu machen“, sagte die weise Amerikanerin Lao Russell. So muß aus dem Samen der persönlichen die Rose der überpersönlichen Liebe wachsen. Was dem Menschen einfach gemacht wird, denn die ersten Früchte der Liebe sind eigene Kinder, die zu lieben nicht allzu schwer sein sollte – jedenfalls im Babyalter! Doch nun sollten die beiden Eltern, statt darüber entsetzt zu sein, daß die Romantik zwischen Windeleimer und Breileinkochen einen schweren Stand hat, vom Haben- ins freudige Gebenwollen hineinwachsen. Tun sie dies, dann hat ihre Ehe gute Überlebenschancen. Denn jemand der gibt, erfährt durch dieses freudige Geben soviel inneres Glück, daß er keinen romantischen Gefühlen nachweinen muß. Er wird zum autarken Partner, der Liebe ausstrahlt, statt sie wie ein Vampir aus seinen Nächsten auszusaugen. Es scheint, als ob eine zunehmende Zahl von Menschen dies verpaßt. Vielleicht, weil sie vor der Ehe ein ungebundenes, egozentrisches Leben führten, welches in ihnen den Keim eines hedonistischen Lebensstils legte, der dann später seinen ungeduldigen Tribut fordert, indem dieser Mensch immer nur haben will – und zwar sofort.

Erweist sich dann die Romantik- und Erotiktankstelle als kaputt oder leer, halten sie bald nach einer neuen Ausschau. Meist ohne dauerhaften Erfolg, wie die Statistik belegt. Zweitehen werden nämlich noch zu zehn Prozent häufiger geschieden als Erstehen, was beweist, daß man zwar vor einer Situation, nicht aber vor sich selber fliehen kann. Dabei wäre es um so vieles gesünder, eine glückliche Ehe zu führen! Denn eine unglückliche Ehe erhöht die Gefahr zu erkranken um ca. 35 Prozent und verkürzt das Leben um etwa vier Jahre. Glücklich verheiratete Menschen haben ein stärkeres Immunsystem als unglücklich verheiratete. Und Kinder aus unglücklichen oder geschiedenen Verbindungen zeigen weit häufiger ein auffälliges Verhalten oder verschlechterte Schulleistungen, als Kinder aus glücklichen Familien.

Ob die eigene Ehe glücklich werden wird, hängt also erstens davon ab, ob wir den richtigen Partner heiraten oder den falschen, und dann, ob wir die Ehe als Beglückungsinstitut betrachten oder als eine von Liebe getragene Lebensschule. Auch wenn uns das die Fernsehabende leicht glauben lassen: Das Leben ist kein bequemes Sofa, auf dem man sich nur zurücklehnen und hinzuschauen braucht. Das Leben fordert uns auf, nicht Zuschauer, sondern Mitspieler zu sein.

Keine Liebe ohne Tugend!

„Sozialwissenschaftler bemessen die durchschnittliche Dauer des Phänomens Verliebtheit auf zwei Jahre. Dann kommt man vom emotionalen Hochgefühl herunter, die ganze Euphorie verfliegt, und dazu kommt die Entdeckung, eigentlich kein Liebespaar zu sein. Übrig bleiben zwei selbstbezogene Menschen, die einander Versprechen gegeben haben, welche sie unmöglich halten können. Die Euphorie wird von Verletzungen, Ärger, Enttäuschung und Angst abgelöst“, schreibt der bekannte amerikanische Paartherapeut und Buchautor Gary Chapman1 in seinem neuesten Werk Liebe als Weg – Wie die 7 Qualitäten der Liebe unser Leben verändern.2

Er fährt fort: „Ein paar Tatsachen über die Liebe zu begreifen ist das Einzige, das einer lebenslangen liebevollen Beziehung die Tür zu öffnen vermag. Liebe ist die Einstellung, die bewirkt, daß man sein Verhalten ändert. Liebe will, daß es dem anderen gut geht, und drückt dies sinnvoll aus. Solche Liebesäußerungen lösen beim Gegenüber ein warmes Gefühl aus, und werden sie von Mann oder Frau erwidert, wird einem ebenfalls warm ums Herz. Diese Gefühle sind das Ergebnis der Liebe, nicht die Liebe selbst.“

Gary Chapman – der selbst seit 45 Jahren glücklich verheiratet ist und zwei erwachsene Kinder hat – ging während Jahrzehnten der Frage nach, was der Unterschied zwischen liebevollen Menschen ist und solchen, die sich selten um andere kümmern oder sorgen. Er fand heraus, daß eine Liebe, die sich nicht in tugendhaftem, selbstlosem Verhalten äußert, diesen Namen nicht verdient. Auch hier wieder: Liebe ist nicht, in einem Gefühl zu baden, das die bloße Anwesenheit eines anderen Menschen in einem hervorruft – dies ist allenfalls die Droge der Verliebtheit, die Menschen zusammenbringt, sie aber, wenn keine wirkliche Liebe folgt, auch wieder trennt, sobald ihre Wirkung abgeklungen ist. Für die Liebe muß man sich entscheiden, und man muß dieses wunderbare Gefühl dazu verwenden, sich zu einem besseren Menschen veredeln zu wollen. So fand Chapman dann sieben Qualitäten, die für einen wahrlich liebevollen Menschen charakteristisch sind. Nämlich: Güte, Geduld, Vergebung, Höflichkeit, Bescheidenheit, Großzügigkeit und Ehrlichkeit.

„Diese sieben Züge sind nicht vage Gefühle oder gute Absichten. Es sind Gewohnheiten, die man sich aneignen kann, wenn man beschließt, wirklich ein liebevoller Mensch zu werden. Es sind grundlegende, praktische Charakterzüge, die sich im Alltag umsetzen lassen. Macht man sich diese Züge zur Gewohnheit, winkt ein verblüffendes Ergebnis“, verheißt Chapman. Nämlich: „Befriedigende Beziehungen“. Man verhindert damit, daß eine Verbindung diesen allzu bekannten Weg geht: Am Anfang redet er und sie hört zu. Nach der Hochzeit redet sie und er hört zu. Nach einigen Jahren reden beide – und die Nachbarn hören zu...

Chapman fügt an: „Die Liebe hat viele Seiten. Sie ist wie ein Diamant mit vielen Facetten, die eine einzige Schönheit ergeben. Ganz ähnlich machen die sieben Kernqualitäten der Liebe zusammen den liebevollen Menschen aus. Jeder Charakterzug ist wesentlich. Fehlt einer davon in Beziehungen, so fehlt etwas Wichtiges. Ich glaube, diese Qualitäten sind nicht nur der Schlüssel zu erfolgreichen Beziehungen, sondern zu einem erfolgreichen Leben überhaupt. Das liegt daran, daß man nur wahre Befriedigung im Leben findet, wenn man seine Mitmenschen liebt.“

Man beachte: Er benützt ein Tätigkeitswort, und kein Passivum. Wenn man liebt. Nicht, wenn man geliebt wird!

Leserstimmen zum Artikel

Ein unbeschreiblich wunderschöner Bericht über Liebe – auch im weitesten Sinne über Karma, Zwillingsgeist/Dualseelen in Verbindung mit dem Göttlichen! Sie haben alles sehr liebevoll und verständlich rübergebracht. Herzliche Grüße und alles erdenklich Gute!

M. Tratz

Quellenangaben