Warum die Körper Seelchen sind

Sind dicke Menschen liebevoller als dünne? Kann ein schmerzender Muskel eine schmerzende Seele verbergen? Lesen Sie, was unser Körper über unser Innenleben verrät.

PsycheUnsere Körper sind, so sagte es kürzlich ein „Experte“, hoffnungslos veraltet: Sie hinken der menschlichen Evolution um gut und gerne zweihundert Jahre hintennach. Noch immer rechnen sie nämlich mit Seuchen und Hungersnöten, die jederzeit drohen könnten (und in gewissen Teilen der Welt auch heute noch höchst real sind), und neigen daher zur Vorratshaltung. Da sie nie wissen, wann’s wieder mal länger nichts zu futtern gibt, lieben sie es, Fettpölsterchen für schlechte Zeiten anzulegen. Schließlich geht’s um nicht weniger als ums Sein oder Nichtsein.

Wir finden diese Aussage aus zwei Gründen interessant: Erstens, weil sie nahelegt, daß der Körper über eine Art Erinnerungsvermögen verfügt und zweitens, weil der Schluß nicht fern liegt, daß dieses Erinnerungsvermögen in tatsächlich schon Erlebtem gründet. Sprich: Es sind unsere eigenen Körper, die früher schon einmal mit Hungersnöten konfrontiert waren, und deshalb bereitet ihnen die Erinnerung daran soviel Furcht.

Denn wie man in der ZeitenSchrift schon öfters lesen konnte, kommt der Mensch immer wieder auf die Welt. Und immer wird er vom selben Körper-Elementarwesen begleitet, einem treuen Diener, der Leben auf Leben für ihn aus derselben Atomarsubstanz einen neuen Körper baut. Hat der Körper nun mal unter einer Hungersnot gelitten, wird er sehr verstört auf jede Form von Nahrungsentzug reagieren. Hält sein Besitzer plötzlich Diät und kommt nur noch die halbe Kalorienzahl, heißt das für ihn: „Achtung, Hungersnot droht!“ – und er schafft beiseite, was nur geht. Vor allem, wenn sein Besitzer wieder zu normaler Nahrungsaufnahme übergeht. Daher der Jojo-Effekt so vieler Diäten.

Der Körper vergißt nicht

Unser physischer Körper ist umgeben von der sogenannten „Seele“. Diese wiederum setzt sich zusammen aus dem Emotionalkörper, welcher auf der Ebene der Moleküle unsere Gefühle speichert, sowie dem Mentalkörper, welcher auf Atomarebene unsere Gedankenwelt trägt. Und schließlich der Ätherkörper, manchmal auch Vitalkörper genannt, der sich wie eine zweite Haut an unseren physischen Körper schmiegt und auf der Elektronenebene unsere Erinnerungen trägt – und zwar nicht nur die aus dem jetzigen Leben. Das ist die Erklärung dafür, daß es Leute gibt, die scheinbar ohne Grund eine panische Angst vor dem Schwimmen haben – sie sind in einem früheren Leben ertrunken. Das ist der Grund, weshalb der kleine David, ansonsten ein unbeschwertes und fröhliches Kind, jedesmal in hemmungsloses Weinen und Angstgebrüll ausbricht, wenn seine Eltern ihn alleine auf ein Karussell oder eine kleine Eisenbahn setzen: Seine Eltern haben nämlich im sechsten Schwangerschaftsmonat einen schweren Unfall gebaut, den das Körperelementarwesen im Bauch der Mutter natürlich miterlebte. Das ist der Grund, weshalb Christa nicht ohne eine Tasche voll Proviant das Haus verlassen kann: Ihre Mutter hatte während der Schwangerschaft eine Diät gemacht, und ihr werdender Körper hatte dies als Hungersnot erlebt.

Daß diese Theorien nicht einfach nur esoterisches Gesäusel sind, belegt auch das kürzlich erschienene Buch Körperschmerz – Seelenschmerz – Die Psychosomatik des Bewegungssystems von Hildegund und Peter Heinl Beide waren maßgebliche Wegbereiter für die sogenannt Psychosomatische Orthopädie: Sie fanden heraus, daß Schmerzen des Bewegungsapparates oftmals ein psychischen Grund haben. Wie beispielsweise bei dem 62jährige Mann, der zum ersten „Fall“ von Hildegund Heinl werden sollte, als er 1972 in ihre Praxis kam. Er litt unter unerträglichen Rücken- und Gliederschmerzen. Die intensive orthopädisch-physikalische Behandlung hatte überhaupt keine Besserung gebracht. „An seinem Dialekt erkannte ich sogleich, daß der Mann ein Heimatvertriebener aus dem Egerland (Tschechien) war. Als ich ihn auf seine Heimat ansprach, ging erstmals ein versonnenes Lächeln über sein trauriges Gesicht. Dieses Lächeln berührte mich tief“, schreibt die Autorin. Gespräche mit ihm förderten zutage, daß er seit seiner Heimkehr aus sibirischer Kriegsgefangenschaft, also seit 25 Jahren an den Beschwerden leide, und zwar vor allem im Winter. Die Autorin wurde hellhörig, und noch mehr, als der Mann sagte, zum ersten Mal seien die Schmerzen in diesem Jahr am ersten naßkalten Tag im Oktober aufgetreten, als Schneeflocken auf seinen Mantelkragen fielen und seine Wangen berührten. „Augenblicklich waren ihm Kälteschauer über den Rücken gelaufen und die Schmerzen im Rücken und in den Gliedern hatten begonnen. Noch im Laufe des Tages hatten die Schmerzen so zugenommen, daß er sich kaum mehr hatte bewegen können.“

Die Therapeutin gelangte zur Überzeugung, daß „die Krankheit in einem Zusammenhang mit den 25 Jahre zurückliegenden, traumatischen Leiberfahrungen von Hunger, Kälte und existentieller Bedrohung stand, die dieser Mann in drei Jahren sibirischer Gefangenschaft erlitten hatte“. Also regte sie ihn dazu an, über seine sibirische Gefangenschaft zu erzählen. Es schien, als erlitte er all die furchtbaren Erfahrungen noch einmal: „Er schauderte und zitterte heftig am ganzen Leib. Unerträgliche Rücken- und Gliederschmerzen stellten sich ein. Panik und Todesängste spiegelten sich auf seinem Gesicht, als er sich dem Schrecken von Krieg und Gefangenschaft in seinen inneren Bildern wieder gegenüber sah. Seelisch und körperlich durchlitt er die in ihm gespeicherten Erfahrungen, als verfüge sein Körper über ein Gedächtnis“, schreibt die Autorin.

Das tut der Körper, wie oben erwähnt tatsächlich! Sie hüllte den armen Mann in warme Decken, legte ihn auf eine Liege und beruhigte ihn durch eine sanfte Berührung, bis die körperlichen Symptome allmählich abklangen und er sich warm und geborgen fühlte. Anschließend behandelte sie ihn statt mit einer physikalischen mit einer Wärmetherapie, wobei sie all jene Anwendungen vermied, die beim Patienten Vorstellungen und Kälte hätten auslösen können. Überdies lehrte sie ihn, schöne Bilder von warmen Szenen am südlichen Meer zu visualisieren, oder Bilder aus seiner Jugend, die für Wärme und Geborgenheit standen: Wie er in der Bauernstube am warmen Kachelofen saß, auf dem die Bratäpfel schmorten.

Der Patient wurde auf diese Weise wieder gesund, nachdem einige Ärzte vorher sogar darauf gedrungen hatten, ihn in eine psychiatrische Klinik einzuweisen. Mit fröhlichen Kinderszenen im Schnee gelang es Heinl auch, in ihm die traumatische Verquickung von Schnee bzw. Kälte und Leiden zu lösen – sosehr, daß er kurz darauf nur leicht bekleidet im Schnee spazieren ging und sich wohl dabei fühlte. Die Heilung hielt übrigens an.

Der Körper scheint in der Tat kaum etwas zu vergessen, was ihm angetan worden ist – und liege es auch noch so weit zurück. So sollte einem 46jährigen Mann aufgrund seiner starken, therapieresistenten Rückenschmerzen ein Gipskorsett angelegt werden. Er hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, doch als der Gips anfing, trocken zu werden, fühlte er sich so stark in seiner Atmung eingeengt, daß er sich „in einem Anfall von Panik die Gipslagen vom Leib riß, in sein Krankenzimmer lief und sich dort auf sein Bett warf“. Hildegund Heinl vermutete einen Grund in der Vergangenheit, beruhigte den Mann und verstärkte dann den Druck ihrer Hand auf seinem Brustkorb. Langsam stiegen in dem Mann Erinnerungen daran auf, was seine Panik ausgelöst hatte: „Wie er mir, immer noch erregt, berichtete, war das U-Boot, auf dem er als junger U-Boot-Matrose während des Krieges gewesen war, abgesunken. Nur knapp war die Besatzung dem Erstickungstod entronnen.“ Drei Jahrzehnte später hatte das Gipskorsett, das Druck auf seine Brust ausübte, diese längst verdrängte Erinnerung schmerzlich wieder wachgerufen.

Wenn die Seele schmerzt

Doch nicht nur Angsterlebnisse lassen im Körper ihre Spuren zurück. Auch psychisch Unverarbeitetes hinterläßt dort seine schmerzlichen Spuren. Die Bauersfrau, die unter starken Schmerzen im Schulter-Arm-Bereich litt, hatte diese Schmerzen, wie Heinl herausfand, aus einer nicht geäußerten Wut über das Verhalten ihres Sohnes, der sich von seiner Frau scheiden ließ und ihres Mannes, der aus Kummer darüber sich allabendlich im Wirtshaus betrank. Obwohl die Frau diesem Zusammenhang gegenüber nicht offen war, gelang es Heinl, sie zur „Übung“ zu überreden, mit dem rechten, ansonsten praktisch bewegungsunfähigen Arm heftig auf ein Kissen zu schlagen, und so unbewußt ihre Wut herauszulassen. Und oho! Wie sehr der Arm zuschlagen konnte – und wie sehr die Frau zuschlagen wollte! Endlich konnte sie ihren Zorn herauslassen, wenn auch völlig unbewußt, und siehe da – die Schmerzen im Arm verschwanden völlig.

Das Leben ist also gewissermaßen tatsächlich lebensgefährlich, sprich, seine Verletzungen äußern sich früher oder später auch im Körper, der ebenfalls ein eigenständiges Wesen mit einem eigenen Bewußtsein ist und nicht einfach eine fleischliche Hülle, die wir zum Herumspazieren in dieser Welt benötigen.

Gewisse Richtungen der Bioenergetik kennen die fünf Charakterstrukturen des Menschen, welche das Ergebnis frühkindlicher Konfliktbewältigungen seien: Das, was der Mensch am Anfang seines Lebens erlebt, wo er noch besonders ungeschützt und verletzlich ist, hat eine prägende Wirkung auf seinen Charakter und oft auch auf seine körperliche Entwicklung. Wir führen diese fünf Typen hier kurz auf und entschuldigen uns, daß man ihnen so üble Namen aus der Psychoanalyse und aus Wilhelm Reichs Theorie der Charakterstudien gegeben hat. Zum Trost sei angefügt, daß jeder Mensch mehr oder weniger stark eine oder auch mehrere dieser „Wunden“ abbekommen hat – man also kein Fall für die Psychiatrie ist, sollte man sich in einem der Typen wiedererkennen.