Vom wahren Wesen des Körpers

Obwohl wir mit ihm ein Leben lang verbunden sind, wissen wir nicht, wer unser Körper wirklich ist: Ein Wesen mit einer eigenen Herkunft, Zukunft und einem ebenso eigenen Bewußtsein. Höchste Zeit also, unserem Körper mit Liebe und Respekt zu begegnen.

Das menschliche Nervensystem. Nervenimpulse erreichen Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h. Noch heute ist die genaue Funktionsweise des Nervensystems nicht bis ins Letzte erforscht.

Das menschliche Nervensystem. Nervenimpulse erreichen Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h. Noch heute ist die genaue Funktionsweise des Nervensystems nicht bis ins Letzte erforscht.

Heute war wieder einmal ein total erschöpfender Tag. 21‘034mal mußte mein Hirn dem Zwerchfell Befehl geben zu atmen. 103‘677mal dem Herzen anordnen zu schlagen. Dank längerer Schlafphasen gab es nicht gar so viele Befehle zum Augenblinzeln wie an anderen Tagen. Dank nur kleinem Hunger gestaltete sich der Verdauungsprozeß nicht gar so arbeitsaufwendig wie sonst, und Leber und Niere rebellierten gott sei dank nicht wie gestern, als ich zwei große Maß Bier trank. Trotzdem. Hätte ich heut‘ auch noch aufstehen müssen, ich glaub ,ich wär‘ kollabiert. Dabei darf ich gar nicht daran denken, wie viel Arbeit ein Nervenzusammenbruch bereitet.- Augenblick, die Hormone melden sich. Muß kurz unterbrechen, zwecks Steuerung der Libido.

So, da bin ich wieder. Schlucken. Herzschlag. Atmen. Was wollte ich noch schreiben? Herzschlag, Atmen, Blinzeln. Herzschlag. Schlucken. Herzschl.... Hiiilfe! Ist Ihnen schon aufgefallen, daß Sie nicht Ihr Körper sind? Sonst würden Ihre Tage vermutlich so aussehen wie gerade eben beschrieben - und Sie würden sich ein kurzes Leben wünschen. Sie sind mit Ihrem Körper ebenso wenig identisch wie ein Astronaut mit seinem Raumanzug. Sie haben ihn sich für dieses Leben angezogen, um in einer physischen Welt Sinneserfahrungen machen und wirken zu können, wie dies nur ein physischer Körper erlaubt. Die Bhagavadgita, das alte indische Weisheitsbuch, formuliert es so: „Das Lebewesen sitzt im Körper wie auf einer Maschine." (18:61).

Doch Vorsicht: Den eigenen Körper nur als Bio-Maschine zu sehen, einem ausgeklügelten Uhrwerk gleich, wird ihm in keiner Weise gerecht. Denn wäre er nicht mehr al sein Fleischvehikel, die meisten von uns würden nicht sehr alt. Wenn Sie tausendmal relativ sanft auf eine Uhr einschlagen, dann tickt sie mit großer Wahrscheinlichkeit nach dem tausendsten Mal nicht mehr richtig. Wie lange dauert es, bis Sie tausend schlechte Gefühle produziert haben? Gefühle der Sorge, der Abneigung, des Mißmuts, des Neids, der Eifersucht, des Zorns? Ein Jahr? Für unseren Körper sind solche Gefühle wie die leichten Schläge, welche die Uhr nicht aushält. Da unsere Körper mittlerweile eine Lebenserwartung von etwa 75, bei Frauen gar gegen 80 Jahren haben, muß da etwas sein, was sie einem Uhrgehäuse überlegen macht.

Es ist die Fähigkeit, die größtmögliche Vollkommenheit unserer Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Trotz der Fallgruben, die seine Bewohner dem Körper täglich graben: Unzureichende Ernährung, Chemie, Impfungen, destruktive Gedanken und Gefühle, zu wenig Schlaf und Bewegung, schlechte Atmung, nervliche Reize aller Art... Nein, der Körper kann nicht alle Gruben wieder zuschütten. Doch er versucht auf intelligente Art, Brücken über sie zu bauen, damit der Organismus weiterhin so perfekt wie möglich funktioniert. Bis die Gräben so weit und tief werden, daß alle Brücken brechen und ein Teil des Körpers seinen Dienst versagt. Doch wäre da nicht eine Intelligenz, die trotz des Menschen Raubbau und Schlendrian eigenwillig und selbstbewußt die Vollkommenheit des Körpers aufrechterhielte, wir alle wären behände Totengräber unserer Physis, und graue Haare wären unbekannt - ganz einfach, weil wir alle gar nicht erst so alt würden in unseren geschundenen Körpern.

Unser Körper: 206 Knochen, mehr als 600 Muskeln, die alle von Nerven versorgt werden. Streichen Sie sich durchs Haar! - Soeben haben zahlreiche Muskeln zusammenarbeiten müssen, untereinander verbunden durch ein Netzwerk nervöser Schaltkreise, welches die Muskulatur mit dem Zentralnervensystem verbindet und die Signale überträgt, die den Fluß der Muskelenergie bestimmen. Bei jeder Kontraktion eines Muskels sind Milliarden von Eiweißmolekülen beteiligt, die in höchster Übereinstimmung kooperieren. Jede geordnete Bewegung, die wir machen, erfordert im Körper die unaufhörliche Zusammenarbeit von Sinnesorganen und Muskeln, welche über das Rückenmark und den Teil des Gehirns laufen, der Sinneswahrnehmungen und motorische Befehle miteinander verschaltet. Nur schon das aufrechte Stehen erfordert - um der Erdanziehungskraft zu trotzen - die Aktivität einer großen Zahl von Muskeln. Für ihre Arbeit benötigen Muskeln ständig Sauerstoff. Das lebenswichtige Atemgas fließt mit dem Blut in den Schlagadern, die sich aufzweigen, um jedes Muskelbündel zu umfassen. Von diesen ausgehende feinste Haargefäße (Kapillaren) umspinnen die einzelnen Muskelfasern. Dort findet der ‚Gasaustausch‘ statt: Sauerstoff wandert in die Muskelfaser, Kohlensäure kommt heraus. Dieses Abfallprodukt des Zellstoffwechsels wird mit dem Blut in den Venen zur Lunge transportiert, wo es mit der Atemluft den Körper verläßt. Seine Dynamik erhält der Muskel aus der Faser. Ihr Inhalt besteht zu etwa 80 Prozent aus feinen Fäserchen oder Myofibrillen - je nach Fasergröße hunderte bis tausende, der Rest aus zahlreichen Kernen, Sarkoplasma und anderen typischen Zellbestandteilen wie die energieproduzierenden Mitochondrien, alles von einer dünnen Plasmahaut (Sarkolemm) eingefaßt.

Wenn der Muskel eine Kontraktion ausführt, tut er dies auf Befehl des Zentralnervensystems. Die Nervenenden in der Nähe des Sarkolemms und setzen dort Überträgersubstanzen frei. Diese Neurotransmitter lösen eine Welle elektrischer Aktivitäten aus, die sich über die gesamte Muskelfaser ausbreiten. An der Muskelmembran werden Kalziumionen, elektrisch geladene Teilchen, in das Sarkoplasma abgegeben, die das mechanische Zusammenziehen anfeuern. – Um die Muskelkontraktion detailliert weiter zu beschreiben, benötigten wir noch rund 30 Zeilen Text. In der Realität benötigt der so beschriebene Vorgang einige Tausendstel Sekunden.

Wenn ich mir vorstelle, was in meinem Körperablaufen muß, damit ich eilig diesen Text eintippen kann, wird mir schwindlig. Und dabei haben wir noch überhaupt nicht über all die anderen Vorgänge nachgedacht, die gleichzeitig in diesem Universum Körper ablaufen, und die wir nur wahrnehmen, wenn sie aus der Harmonie geraten sind - mittels Schmerz.

Der Mensch und sein ‚Bruder Leib‘

„Jede Sünde, die ein Mensch begehen mag, ist außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib. Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, den ihr von Gott habt, und daß ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden; verherrlicht nun Gott mit eurem Leib.“ (1.Kor. 6.18-20).

Eine bekannte Bibelstelle aus dem 1. Korintherbrief von Paulus. Wir haben unseren Körper also von Gott. Da können wir ohne Zähneknirschen zustimmen (außer unser Denken ist so kurzsichtig, daß wir hinter allen Erscheinungen keine ordnende Macht erkennen wollen). Doch daß wir uns nicht selbst gehören? Wem gehört unser Körper dann? Gott? Sich selbst? Und wenn, was würde dies in letzter Konsequenz bedeuten?

Diese Bibelstelle weist auf die Eigenwesenhaftigkeit unseres Körpers hin. Er wird als ein ‚Ding‘ behandelt, das eine eigene Identität besitzt. So sprach Franz von Assisis denn auch vom Körper als vom ‚Bruder Leib‘.

„Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußererMensch aufgerieben wird, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.“ (2. Kor. 4.16). Wieder unterscheidet Paulus zwischen zweierlei ‚Menschen‘: Dem inneren und dem äußeren. Mit welchem identifizieren wir uns? Sind wir uns bewusst, dass es in unserem Sein eine fundamentale Dualität gibt?

Lassen wir die Katze aus dem Sack: Unser ‚Ich‘ ist der innere Mensch, das Geistbewußtsein, die Stimme im Herzen, unser ewiges Sein. Dieses Ich bewohnt eine fleischliche Form, die wiederum für sich selbst ein Wesen ist.

Richtig: Unser Körper ist ein Wesen mit einer Vergangenheit und einem eigenen Bewußtsein. Er ist zugleich unser getreuer und gehorsamer Diener durch all unsere Verkörperungen hindurch. Denn wenn wir sterben, stirbt wohl unser physischer Körper, doch seine ätherisierte Substanz, das höhere Wesen unseres Körpers, geht wie unser Geist hinüber ins Jenseits, zur Erholung. Bis es erneut seinen Dienst antritt und im Schosse einer neuen Mutter beginnt, dieses Wunderwerk namens ‚Körper‘ zu erbauen.