Was tun, wenn das Damoklesschwert der Arbeitslosigkeit einen plötzlich trifft und man Job und Lebensinhalt verliert?
Jeder, der sich tiefer damit beschäftigt, spürt, wie wesentlich die Arbeit, die schöpferische produktive Tätigkeit zum Nutzen anderer für jeden einzelnen ist. Es ist interessant zu beobachten, wie diese Bedeutung im Bewußtsein so vieler Menschen bis zur Unkenntlichkeit verwischt und verdreht ist. Für viele ist Arbeit nur „Maloche“, sinnentleertes Tun in einer Maschinerie, die den einzelnen als ersetzbares Teil einspannt oder entfernt. Und selbst diejenigen, die in einer Anstellung sind, die sie selbst gewählt haben, sprechen regelmäßig im Klageton davon, daß sie morgen „wieder zur Arbeit gehen müssen“ und freuen sich auf das nächste Wochenende. Erst wenn jemand„seine Arbeit verliert“, wird ihm schmerzlich bewußt, daß er plötzlich mehr verloren hat, als nur eine Arbeitsstelle.
Wenn heute Massenarbeitslosigkeit zu beklagen ist, dann geht es nicht nur um das Ergebnis eines ökonomischen Prozesses der Mechanisierung, Rationalisierung und Globalisierung, eines Prozesses, der genau so gewollt ist, sondern es geht um einen schleichenden Bewußtseinsprozeß, in dem Menschen nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihre eigene Wertschätzung verlieren. Irgendwie ist einmal – auf welche Weise auch immer – der Sinn der Arbeit vergessen worden, und dann verloren viele auch die Wertschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten, um sich daraufhin in verschiedenen konfektionierten Anstellungen zu verdingen.
Male ich das Bild zu düster? Es mag sein, daß sich auch viele mit Bravour in diesem System der modernen Arbeit bewegen. Sie mögen mir vielleicht nicht zustimmen. Doch können wir wirklich immer wieder zur Tagesordnung übergehen, wenn wir in allen Medien täglich die Arbeitslosenzahlen vorgehalten bekommen und schon zwei, drei Personen im Haus kennen, die ohne Arbeit sind? Ich meine nicht, daß wir jedes Mal die kollektive Frustration mitvollziehen und uns mit-leidig ein bißchen schlecht fühlen sollen. Nein, es geht um ein Umdenken, welches das Bewußtsein betrifft. Arbeitslosigkeit ist nicht nur das Problem des einzelnen, es ist der Spiegel des Bewußtseins einer Gesellschaft, die vergessen hat, dankbar zu sein, und Menschen als austauschbare Arbeitskräfte ansieht. Jeder kann mit seinem Denken dazu beitragen, daß wir allmählich aus dieser Massen-Neurose aussteigen.
Was genau ist diese Massen-Neurose, die vom Bewußtsein so vieler in unserer Welt Besitz ergriffen hat und sich in Massenarbeitslosigkeit als ihrem Leitsymptom niederschlägt? Ich will Ihnen dazu eine Geschichte erzählen: In einem Meer gab es zwei Inseln. Auf beiden Inseln lebten Menschen, aber so unterschiedlich, daß sie bei den wenigen Versuchen, sich gegenseitig kennenzulernen, es nicht schafften, das Leben der jeweils anderen Gesellschaft zu verstehen. Beide hatten grundsätzlich verschiedene Theorien über das Leben und wie es gelingen könnte. Und das hatte Auswirkungen bis tief in den Alltag jedes einzelnen Menschen. Ich will die beiden Lebensformen ein wenig genauer beschreiben:
Auf der einen Insel ging man davon aus, daß das Leben gefährlich und anstrengend ist, da nur die Stärksten überleben könnten. Deshalb war jeder auf der Hut, weil der Nächste, der ihm begegnete, sein Feind sein konnte. Alle befanden sich zumindest latent in ihren Gedanken und in ihren Gefühlen in einem großen Kampf. Jeder strebte danach, auf die eine oder andere Weise überlegen zu sein, und wer sich in irgendeiner Hinsicht als schwach zeigte, wurde allgemein mit Verachtung gestraft oder verfiel seiner eigenen inneren Verurteilung und Schmach. Wer allerdings eine geachtete Stellung errungen hatte, lobte das System als einzig sinnvoll und posaunte in großer Selbstgefälligkeit, daß jeder eine solche Stellung erringen könne – mit der heimlichen Häme, daß jeder, der es nun versuchen sollte, zu seiner Höhe aufzusteigen, an seinem eigenen Scheitern die große Fähigkeit des ach so Erhabenen bewundern müsse.
Auf der anderen Insel war das Leben völlig anders. Die Menschen erlebten das Leben als Geschenk, als ständige Bereicherung, weil jeder seine Fähigkeiten, seine Stärken und Schwächen offen ausdrückte und teilte und jeder von jedem lernte. Die Theorie, die das Denken und Handeln der Menschen auf dieser Insel bestimmte, war, daß das Leben nur durch Geben erhalten und im Fluß bleibt und sie alle nur gemeinsam eine hohe Ebene des Lebens erreichen konnten. Das Zusammenleben basierte darauf, daß man die Stärken jedes einzelnen erkannte und achtete, daß immer einige da waren, die in dem stark waren, wo andere schwach waren. Da die ganze Gemeinschaft jeden achtete, war alles von Annahme und Wertschätzung bestimmt, und mit der Zeit begann jeder, die Schwäche eines anderen mit seiner Stärke zu heilen. Auf diese Weise erreichten sie immer höhere Ebenen von Fähigkeit und schufen immer mehr kulturelle Güter, die die gemeinsamen Werte widerspiegelten.
Auf welcher der beiden Inseln würden Sie gerne leben? Wo meinen Sie, können Sie am besten Ihre mitgebrachten Talente und Fähigkeiten entfalten? Wo gibt es die stärkste wirklich gemeinsam schaffende und allgemein nützliche Zusammenarbeit? Sicherlich entscheiden Sie sich spontan für die zweite Insel. Doch glauben Sie tatsächlich, daß ein solches Leben möglich ist? Leben Sie so? Spüren Sie, hier sitzt die Neurose! Die meisten Menschen glauben nicht mehr, daß das Leben gut ist, daß wir gemeinsam eine aufbauende und wertschätzende Lebensform schaffen können. Warum? Weil die meisten die alten Verletzungen zum Anlaß nehmen, um auf die Kampfinsel umzuziehen. Die Verletzung ist ohne Zweifel schmerzhaft und zunächst niederschmetternd. Viele sind nun leider allzu schnell bereit, ihr Denken über sich selbst und die ganze Welt zu korrumpieren; sie beginnen, an eine bösartige, zerstörerische Welt zu glauben – nur so macht das Erleben von Schwäche, Ohnmacht und Scham überhaupt Sinn, so meinen sie. In unserer Welt haben die Positionen des sogenannten Sozial-Darwinismus 1 der Angst-Insel eine große Kraft, weil so viele an sie glauben. Die Folge ist, daß jeder, der in diesem Glaubenssystem eine Schwäche erlebt und zum Beispiel arbeitslos wird, neben dem eigentlichen Problem des Existenzaufbaus die Schmach eines Verlierers trägt.
Wenn Sie aus der mißlichen Situation der „Arbeitslosigkeit“ aussteigen wollen, brauchen Sie die Bereitschaft und Entschlossenheit, von der Kampfinsel auf die Gemeinschaftsinsel zu wechseln, aus einem machtbezogenen Denken (das sich selbst als [über-]mächtig oder ohnmächtig erlebt) in ein Denken an Unterstützung und Nutzen. Das, was tatsächlich etwas ändert, ist nicht ein Wechsel der Lebensbedingungen, sondern ein Wechsel des Paradigmas,2 der Brille, durch die Sie Ihr Leben betrachten.
Lassen Sie mich das an einigen Beispielen aus der Praxis verdeutlichen:
Ein junger Mann empört sich gleich zu Beginn eines Seminars: „Der einzige, der daran Schuld ist, daß ich seit Jahren nicht mehr auf die Beine komme, ist mein letzter Chef, der mich gekündigt hat; der hat mein Leben versaut.“ Er wollte keine noch so fürsorgliche Unterstützung annehmen, um eine neue Perspektive für sein Leben aufzubauen, weil er in seiner Schmach alle Energie darauf verwendete, den „Schuldigen“ zu bekämpfen, auch wenn dieser Kampf nur in seinem Kopf stattfand. Dieser Kampf diente nur der Rechtfertigung seiner Scham. Solange Sie wie dieser junge Mann im Kampfparadigma festsitzen, kann ihnen keine noch so konstruktive Strategie helfen, eine befriedigende Arbeitsstelle zu finden. Sie werden sich Ihre Vorstellung von der Wirklichkeit selbst erfüllen – abgelehnt werden oder wieder einen solchen Chef bekommen – weil Sie den alten Kampf in die neue Situation hineintragen. Sie verstehen: Unser Denken bestimmt, was passiert.
Lassen Sie den alten Kampf los! Sie haben keine Chance, ihn je zu gewinnen. Der einzige, auf den Sie wütend sind, sind Sie selbst – weil Sie es noch nicht geschafft haben, Ihr Leben so zu nutzen, wie Sie es tief innen wissen, daß es funktioniert. Erkennen Sie, daß Ihre „Feinde“ Sie nur dort treffen konnten, wo Ihre Stärke noch nicht entwickelt ist! Das Leben ist gut, es fordert Sie nur dort an, wo tatsächlich etwas ist. Es ruft Sie in Ihre Stärke. Hilft es Ihnen, es einmal so zu sehen? Jetzt brauchen Sie nur noch einen Freund, der Sie begleitet, diese Stärke zu sehen und zu erproben. Und sollten Sie wirklich keinen Freund finden, dann schauen Sie sich bitte selbst mit den Augen eines Freundes an!
Eine junge Frau sitzt mit einem beleidigten Gesichtsausdruck vor mir: „Mich nimmt sowieso keiner. Sie brauchen mir überhaupt nicht vorzugaukeln, ich hätte eine Chance. Ich bin überall nur gemobbt worden. Ich habe genug davon. Ich gehe nirgends mehr hin!“ Sie war in ihren Augen (verständlicherweise) das Opfer, zeigte dann aber deutlich, daß sie jegliche Kraft lieber leugnen als stärken wollte, um aus der Opferrolle herauszukommen. Sie hatte Recht: Mit diesem Opferbild im Kopf wollte sie tatsächlich niemand haben. Jeder fühlte sich von ihr entweder angeklagt oder verspürte Lust, ihr einen neuen Anlaß zu geben, sich als Opfer zu fühlen. Jedes destruktive Paradigma drängt immer wieder zur Selbstbestätigung.
Sollten Sie in einem solchen Opferparadigma hängen, in Ihrem Denken ständig um das erlittene Unrecht und die Schmach kreisen und dabei das runterziehende Gefühl des Selbstmitleids bleiern schwer in allen Gliedern spüren, geben Sie sich einen heftigen Anstoß: Sie sind der oder die Einzige, der/die so über Sie denkt! Was haben Sie davon? Sie fühlen sich elend und vergrößern genau das: Ihr Elend. Was können Sie tun, damit es schlimmer wird? Bitte, ich meine das ernst! Erkennen Sie, Sie können es tatsächlich verschlimmern, das heißt, Sie sind nicht ohnmächtig! Sie können auch in die Gegenrichtung aufbrechen und Ihr Leben gelingen lassen! Wie sollte das Leben sein? Lassen Sie ein ganz konkretes Bild vor Ihrem geistigen Auge entstehen, wie Ihr Leben sein sollte. Und wenn Sie das Bild deutlich und klar vor sich sehen, fragen Sie sich bitte: Bin ich bereit, zu hundert Prozent Verantwortung dafür zu übernehmen, daß dieses Bild Wirklichkeit wird?
Mancher wechselt hier schnell wieder in die Ohnmacht; wie sagte letztens ein Freund zu dieser Flucht: „Lieber ein bekanntes Unglück, als ein unbekanntes Glück!“ Geben Sie Ihrem Bild und dem, was in Ihnen schlummert, eine echte Chance, und Sie werden merken: Sie sind tatsächlich stärker, als Sie es bisher glauben. Wie wollen Sie wissen, wie stark oder schwach Sie sind, wenn Sie es nicht tätig ausprobieren?
Dr. Olaf Kron arbeitet als Ganzheitlicher Berater in eigener Praxis in der Erwachsenenbildung und im Management.
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Zur „ganzheitlichen“ Beratung gehört für ihn immer der Blick auf den ganzen Menschen, sein Denken, Erleben, seine Gesundheit und Beziehungen und vor allem seine inneren Potentiale und äußeren Möglichkeiten. So verbindet er Methoden des Mentaltrainings, der emotionalen Klärung mit Elementen der Traditionell-Chinesischen Medizin und der Kinesiologie. Es geht darum, „daß der Betreffende sich selbst versteht – und selbst in den mißlichen Aspekten seines Lebens die positive Motivation wieder entdeckt, die ihn ursprünglich angetrieben hat, aufzubrechen und aktiv zu werden.“
Sie können eine persönliche Beratung genauso nachfragen wie ein Gruppentraining oder eine Supervision. Olaf Kron unterstützt auch gerne Initiativgruppen, die einen neuen Weg beschreiten wollen. Denken Sie bei diesen Angeboten bitte nicht gleich an Geld, denn es gibt viele Möglichkeiten des Ausgleichs.
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