Bitterstoffe: Bitter macht lustig!

Eine gute Verdauung beschert ein gutes Gemüt, und Bitterstoffe sind ein Schlüssel dazu. Zwar schlucken die meisten heute nicht mehr gern Bitteres, doch zeigt sich im Leben oft, dass ein bitteres Erlebnis heilkräftige Veränderungen in Gang setzen kann. Auf das Bittere in unserer Nahrung trifft dies in besonderem Maße zu: Bitterpflanzen wirken äußerst wohltuend auf unseren Körper.

Sie aktivieren den Verdauungstrakt, aber auch Herz und Kreislauf, Gehirn- und Nervensystem, Immunsystem und die Säure- Basen-Balance: Kulturübergreifend werden Heilpflanzen mit einem hohen Bitterstoffgehalt als universelle Heilmittel geschätzt. Das gilt für die traditionelle abendländische Naturheilkunde von Hippokrates über Hildegard von Bingen und Paracelsus bis zur modernen Phytotherapie ebenso wie für die Indianermedizin und die Traditionelle Chinesische Medizin. Letztere ordnet den bitteren Geschmack dem Herzen und dem Gefühl der Freude zu: Bekommt der Organismus Bitterstoffe, freut sich der Mensch!

Nie waren Bitterstoffe in unserer Nahrung so nötig wie heute, um den Umweltbelastungen, denen wir alle nicht entgehen können, standzuhalten.

Nie waren Bitterstoffe in unserer Nahrung so nötig wie heute, um den Umweltbelastungen, denen wir alle nicht entgehen können, standzuhalten.

Früher waren Bitterstoffe in fast allen Gemüsen und in vielen Obstsorten enthalten. Sie bewirkten, dass der Appetit ganz allgemein, und vor allem die Lust auf Süßes, auf ein gesundes Maß gezügelt wurde. Heute fehlen diese natürlichen Spuren von bitterem Geschmack weitgehend – dem Trend zum Süßen folgend wurden sie von Lebensmittelindustrie und landwirtschaftlichen Massenerzeugern aus Pflanzen und Früchten herausgezüchtet. Für die Produzenten ist das Resultat durchaus positiv: Solchermaßen ihrer Bitterstoffe beraubte Nahrungsmittel verkaufen sich besser, und vor allem in größeren Mengen.

Dass heutige Lebensmittel dieser natürlichen "Appetitzügler" entbehren, dürfte auch eine der Ursachen dafür sein, dass laut einer aktuellen Studie1 im Jahr 2015 mehr als zwei Milliarden Menschen übergewichtig oder sogar fettleibig waren. Übermäßiges Körpergewicht betrifft heute fast jeden dritten Menschen. So hat sich der Prozentsatz übergewichtiger Menschen zwischen 1980 und 2015 in mehr als 70 Ländern verdoppelt, und in den meisten anderen Staaten ist er zumindest stetig gestiegen.

Bitter – was darunter zu verstehen ist

Chemisch betrachtet bilden die Bitterstoffe keine einheitliche Gruppe, doch pharmakologisch lassen sie sich in drei Hauptgruppen unterteilen: Die Amara tonica (auch Amara pura, Stomachika oder Aperitiva genannt) enthalten die bittersten Bitterstoffe. Von ihnen geht die kräftigste Wirkung hinsichtlich Anregung von Magen und Darm und einer gesunden Verdauung aus. Sie tragen zur Belebung und Stärkung des gesamten Organismus bei. Zu dieser Gruppe gehören der gelbe Enzian, das Tausendgüldenkraut, die Rinde des Kondurangobaums, der Bitterklee, die Rinde des Chinabaums und die Schalen der Pomeranze.

Zu der Gruppe der Amara aromatica gehören Pflanzen, die neben den bestimmenden Bitterstoffen auch noch ätherische Öle in nennenswerten Mengen enthalten. Sie wirken weniger auf die allgemeine Kräftigung des Organismus ein, sondern deutlich stärker direkt auf das Verdauungssystem. Zu ihnen gehören das Benediktenkraut, Engelwurz, Kalmus, Schafgarbe, Beifuß und Wermut.

Die dritte Gruppe der Amara acria schließlich umfasst die Heilpflanzen, die neben den Bitterstoffen auch sogenannte Scharfstoffe enthalten. Sie bringen Verdauung und Kreislauf gleichermaßen in Schwung. Zu den wichtigsten Vertretern dieser Gruppe gehören Ingwer, Galgant, Kardamom und Zitwer (weißer Kurkuma).

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Heilpflanzen, die nicht einer dieser drei Gruppen zugeordnet werden, aber dennoch von großer Bedeutung als bittere Therapeutika sind. Dazu gehören Kurkuma, Bitterholz, Hopfen, Löwenzahn und Mariendistel.

Bitter verdaut gut

Das Wirkungsspektrum von Bitterstoffen ist von einer schier unglaublichen Bandbreite. Das wusste bereits die Klostermedizin, als sie für ihr Elixier "ad longam vitam" ("Elixier für ein langes Leben") eine Tinktur aus Engelwurz, Enzianwurzel und anderen Bitterkräutern zusammenbraute. Das Elixier wurde als nahezu universelle Arznei eingesetzt, mit der man den gesamten Organismus stärken und beinahe alle Krankheiten zumindest lindern, wenn nicht gar heilen konnte.

Was bewirken denn diese besonderen Stoffe nun genau? Stellen Sie sich vor, Sie essen einen Portulaksalat und eine große Portion Käse-Rahm-Nudeln. Während Sie mit Kauen beschäftigt sind, lösen die im Portulak enthaltenen Bitterstoffe durch ihren Geschmack reflektorische Reize auf die Speicheldrüsen im Mund aus, was zu einer vermehrten Speichelabsonderung führt. Eine erfreuliche Reaktion, denn nun können die im Speichel enthaltenen Amylasen Bissen für Bissen Ihres Mittagessens enzymatisch zerlegen, sodass dieses optimal "vorverdaut" in den Magen gelangt. Dort bewirken die Bitterstoffe eine vermehrte Freisetzung von Magensaft und eine Mehrdurchblutung der Magenschleimhaut. Auch die Peristaltik wird angeregt. Als Folge davon werden Nudeln & Co. gründlicher und dazu noch rascher verarbeitet als bei einer bitterstofflosen Mahlzeit.

Über das vegetative Nervensystem, das heißt über das sympathische und das parasympathische System, wirken Bitterstoffe zudem nicht nur anregend und stärkend, sondern gleichzeitig auch entspannend und beruhigend. Anregend über den Sympathikus, da die Bittermittel die Herztätigkeit und den Blutkreislauf beschleunigen, so die Elastizität der Gefäße trainieren und den gesamten Stoffwechsel aktivieren. Über die oben beschriebene reflektorische Wirkung sorgt der Parasympathikus wiederum für Beruhigung und Entspannung.

"Der Tod sitzt im Darm." Vor rund 500 Jahren verdeutlichte der berühmte Arzt Paracelsus mit diesem Satz, dass die Ursachen vieler, auch der schwersten Krankheiten, in einem nicht intakten Verdauungssystem zu suchen sind. Heute gilt dies sogar mehr denn je, denn Stress, Hektik, Leistungsdruck, schädigende Umwelteinflüsse und oft ungesunde Lebensgewohnheiten belasten unsere Verdauung noch stärker als früher.

Nährstoffe werden über den Darm aufgenommen, wo sie von der Schleimhaut absorbiert und über den Blutkreislauf in den Organismus weitergeleitet werden. Ist die Darmschleimhaut aber mit Giften beladen, ausgetrocknet und unbeweglich, wird bestenfalls ein kleiner Teil aus der Nahrung aufgenommen, der große Rest wandert in die Toilette.2 Dies trifft auch auf die oft teuren Vi- tamin- und Mineralstoffpräparate zu, die wir zusätzlich schlucken. Es ist daher ein guter Rat, seine Darmschleimhaut mit Bitterstoffen aktiv zu halten. So schaffen wir die beste Voraussetzung dafür, dass alles, was wir zu uns nehmen, auch dem Körper zugutekommt.

Bitter wirkt "süß" auf den Körper

Aktive Entsäuerung: Übersäuerung ist eines der bedeutendsten gesundheitlichen Probleme unserer Zeit. In der ZeitenSchrift Nr. 79 berichteten wir über eine Methode, mit der wir uns zellentief von Übersäuerung befreien können. Mithilfe von speziellen Basenpräparaten lassen sich Säuren und saure Schlacken nicht nur aus den Körperzellen, sondern auch aus dem Bindegewebe herausholen und zur Ausscheidung bringen. Wichtig bleiben hier zusätzlich eine Ernährung, die überwiegend auf basischen und Basen bildenden Lebensmitteln beruht, sowie tägliches Bewegungstraining. Bitterstoffe bieten eine weitere hervorragende Möglichkeit, das leidige Thema der Übersäuerung in den Griff zu bekommen. Im Gegensatz zu Basenpräparaten, die die Säure-Basen-Balance des Körpers von außen – also gewissermaßen passiv – regulieren, werden Bitterstoffe, die basisch wirken, im Organismus selbst aktiv. Sie regulieren nicht nur das Verdauungssystem, sondern aktivieren gleichzeitig auch die sogenannten basophilen Drüsen und bilden dadurch körpereigene Basenreserven. So können überschüssige Säuren neutralisiert und ausgeschieden werden.

Mobilisierung der Abwehrkräfte: Ein intaktes Verdauungssystem ist die beste Voraussetzung für ein gut funktionierendes Immunsystem. Denn gut achtzig Prozent unseres körpereigenen Abwehrsystems sind auf der Schleimhaut des Dickdarms angesiedelt. Hier werden Krankheitserreger aller Art bekämpft. Erfolgreich wird dieser Kampf aber nur dann geführt, wenn die Darmschleimhaut – mit einer Oberfläche von fast 200 Quadratmetern! – sauber, geschmeidig, beweglich und mit einer gesunden Flora von Darmbakterien besiedelt ist. Bitterstoffe nun sorgen durch die verstärkte Sekretion von Verdauungssäften dafür, dass die Oberfläche der Darmschleimhaut befeuchtet wird und so geschmeidig und beweglich bleibt. Und natürlich wird eine derart trainierte Schleimhaut mit Giften, die sich hier durch Umweltbelastung und falsche Ernährung häufen, viel besser fertig und kann dadurch das Immunsystem erheblich entlasten.

Schlank werden und bleiben mit Bitterstoffen: Bitterstoffe in Lebensmitteln wirken wie eine natürliche Essbremse und unterstützen den Erhalt der schlanken Figur. Sie führen nicht nur zu einem schnelleren Sättigungsgefühl, weil die Verdauungssäfte rascher und ergiebiger fließen, sondern reduzieren auch den Heißhunger auf Süßes. Süße Speisen machen dagegen Lust auf immer mehr. Bitterstoffhaltige Lebensmittel enthalten deutlich weniger Kalorien als beispielsweise Süßspeisen und sorgen durch Optimierung der Verdauung dafür, dass Nahrungsfette von unserem Körper genutzt, also zur Energiegewinnung verbrannt und nicht an Bauch und Hüfte angelagert werden.

In den achtziger Jahren machte eine Rapssorte von sich reden, aus der man die Bitterstoffe herausgezüchtet hatte. Rehe, die sich an einem solchen Rapsfeld gütlich taten, haben so viel davon gefressen, dass sie entweder einem Eiweiß-Schock zum Opfer fielen und erstickten oder an einer Eiweiß-Vergiftung zugrunde gingen. Es fehlte einfach die natürliche Bitterstoffbremse, die wie bisher verhinderte, dass sich die Tiere überfraßen.

Anti-Aging mit Bitterstoffen: Gesund alt werden – dabei können uns Bitterstoffe eine wertvolle Hilfe sein. Wer sie regelmäßig zu sich nimmt, hält nicht nur seine Verdauungsorgane bis ins hohe Alter intakt und schafft damit die Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben, sondern er sorgt auch für eine kaum nachlassende Aktivität nahezu aller anderen Organe. Denn da Bitterstoffe sowohl über den Darm als auch über das vegetative Nervensystem tonisierend wirken, aktivieren und regulieren sie zugleich auch Herz und Kreislauf, halten die Blutgefäße elastisch und fördern die Durchblutung von Gehirn, Haut und Gewebe. Darüber hinaus wirken sie blutbildend, entzündungshemmend und beschleunigen den Zellaufbau. Wer also auch im Alter noch viel vom Leben haben will, sollte diese Tonika zur Stärkung von Körper, Geist und Seele fest in seine Ernährung miteinbeziehen.

Bitter – wie kommen wir dazu?

Erhält Ihr Körper genügend Bitterstoffe? Stehen Chicorée, Radicchio, Grapefruit, Rucola, Löwenzahn, Ingwer, Salbei und Co. regelmäßig auf Ihrem Menüplan? In unseren Breitengraden konnten sich die gesunden Naturstoffe praktisch nur in der mediterranen Küche einigermaßen halten – dank Artischocken, Olivenöl und bitteren Küchenkräutern wie Oregano, Majoran und Rosmarin.

Eine sehr gute Möglichkeit, täglich vom gesundheitlichen Nutzen von Bitterpflanzen zu profitieren, sind sogenannte "Bittertrunke". Sie liefern wertvolle Bitterstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe in Form von Alkohol-Tinkturen. Dies hat den Vorteil, dass man sich bei gesunder, abwechslungsreicher Küche zusätzlich optimal mit Bitterstoffen versorgen kann – egal wo man is(s)t.

Es liegt an uns, dem "Bitteren" in unserem Leben, vor allem aber in unserem Geschmack, wieder den Stellenwert zu geben, den es verdient hat und den es wieder einnehmen muss, wenn wir auf Dauer gesund bleiben oder es wieder werden wollen!

Quellenangaben

  • 1 Studie des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) in Seattle, USA, veröffentlicht im Juni 2017
  • 2 Wie Sie den Darm mithilfe von Sauermolkenkonzentraten schonend von Verkrustungen und Verklumpungen befreien, erfahren Sie hier: Galacum und Ihr Darm blüht auf