Eigentlich hätten Schweine eine Lebenserwartung von bis zu zwanzig Jahren. Fast alle jedoch werden schon mit fünf oder sechs Monaten geschlachtet. Lesen Sie hier, wie eine Tierfreundin auf ihr Herz hörte und die Bitte von Schweinen, weiterleben zu dürfen, in die Tat umsetzte.
Es war ein ganz normaler Tag im Sommer 2020. Karin Minder war geschäftlich unterwegs und besuchte einen Schweine-Mastbetrieb im Kanton Luzern, im Herzen der Schweiz. Auf dem Weg zum Auto fiel ihr Blick auf ein Schweinchen, das sich außerhalb des Stalls aufhielt. Magisch zog es sie zu ihm hin. Es schien ihr, als wolle dieses kleine Wesen ihr etwas mitteilen.
Schon als Kind hatte Karin Minder eine innige Beziehung zu Tieren und Natur. Im Wald erlebte sie des Öfteren ein Einssein mit den Wesen der Natur und fühlte, dass da ein Ganzes miteinander verwoben ist. Sie spürte, dass auch Tieren etwas Göttliches innewohnt und dass sie eine Botschaft für uns Menschen haben.
Karin Minder erfuhr vom Bauern, dass das Ferkel von der Mutter verstoßen worden war und deshalb mit der Flasche großgezogen wurde – der Grund, weshalb es keinerlei Menschenscheu zeigte. Doch auch es würde „bald geschlachtet“, wie der Bauer trocken meinte. In einem Mastbetrieb werden Schweine in kurzer Zeit zu möglichst hoher Fleischausbeute hochgezogen. Bereits mit fünf bis sechs Monaten werden die Tiere geschlachtet – in einem Alter also, in dem sie immer noch ihre Babyzähnchen haben.
Karin Minder war geschockt. Und traurig über die aus ihrer Sicht herzlose Antwort des Bauern. Ohne zu überlegen fragte sie ihn, ob er ihr das Schweinchen geben würde, wenn sie einen Platz für es finden würde. Etwas verdutzt meinte der Bauer, dass er ihr drei bis vier Wochen Zeit gebe, einen Platz zu finden, es müsse aber auf einem Lebenshof1 sein. Und verschenken könne er es nicht.
Karin Minder setzte nun alle Hebel in Bewegung, um baldmöglichst einen schönen Platz für das Ferkel zu finden: Sie nahm Kontakt auf mit Tierschutzorganisationen, veröffentlichte ihre Geschichte in den sozialen Medien, sprach mit vielen Menschen. So stieß sie auf ganz viel positive Resonanz. Während der ganzen Zeit der Suche nach einer schönen Wohnstätte für Mäxchen, wie sie das Schweinchen inzwischen nannte, verblieb Karin Minder in einer inneren Verbindung mit ihm und besuchte es so oft wie möglich. Und als endlich der Tag kam, wo Mäxchen in sein neues Heim umziehen konnte und zum ersten Mal in seinem Leben einen Schlafplatz mit ganz viel Stroh hatte, legte er sich sichtbar glücklich darauf. Karin Minder legte sich kurzerhand zu ihm und bedankte sich für all die schönen Erlebnisse, die sie dank ihm gehabt hatte.
Mäxchen gab ein seliges Grunzen von sich und blickte ihr in die Augen. Die Dankbarkeit, die in diesem Blick zum Ausdruck kam, berührte Karin Minder tief im Herzen. Sie hatte den Eindruck, dass Mäxchen wusste, was geschehen war, und dass er nun nicht geschlachtet werden würde. Doch was war mit all den anderen Schweinen, die immer noch auf dem Hof waren? Karin Minder hatte die Erlaubnis des Bauern, die Tiere zu besuchen, so oft sie wollte. Doch was sie sah, stimmte sie traurig: Die Tiere verbrachten Tag und Nacht in den Ställen, sahen also nie Tageslicht. Drinnen stank es fürchterlich nach Ammoniak, die Platzverhältnisse waren eng, auf den Böden gab es kein Stroh zum Liegen. Das Futter erhielten sie per Knopfdruck, zum Spielen oder Sich-Austoben gab es weder Platz noch Anregungen. Manchmal standen die Schweine wie versteinert da, nämlich dann, wenn draußen Lastwagengeräusche zu hören waren.
Karin Minder ging zu den Tieren, sprach mit ihnen, streichelte sie und gewann sie immer lieber. Zu einem Schweinchen entwickelte sie eine besondere Beziehung – sie nannte es Babe. In einer Nacht träumte sie von Babe. Es weinte und sagte: „Ich will nicht sterben, bitte, bitte, hol mich hier raus!“ Am nächsten Tag fuhr Karin Minder auf den Hof. Mit dem Bauern ging sie zu den Tieren, zeigte auf Schweinchen Babe – und dieses kam direkt auf sie zu. „Wenn du es retten willst … es kostet 400 Schweizer Franken!“, meinte der Bauer. Sie filmte das Schweinchen, publizierte die Geschichte in den sozialen Medien und sammelte Geld, um es vor dem Schlachttod zu retten. Babe lebte einige Zeit auf einem schönen Hof im Bergkanton Wallis und zog dann um auf einen Biohof im luzernischen Hüswil, wo auch alle anderen geretteten Schweine ein schönes Leben genießen.
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