Früher war tatsächlich vieles besser – zumindest auf die Produktqualität bezogen. Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum der DVD-Spieler, Drucker oder Toaster kurz nach Ablauf der Gewährleistungsfrist kaputtgeht? Die Antwort ist simpel: Die Industrie verkauft uns absichtlich mangelhafte Ware, deren frühzeitiges Ende schon in der Entwicklung minutiös geplant wurde – damit wir unnötige Ersatzkäufe tätigen müssen.
An Heiligabend 1924 beschlossen die weltweit führenden Glühbirnenhersteller die Brenndauer einer Glühbirne von damals 2‘500 Stunden auf 1‘000 zu reduzieren. Dabei hatte man sogleich auch die relativ hohen Preise fixiert. Alles unter dem Deckmantel der ‚Verbraucherfreundlichkeit‘ – denn es wurde angeblich ein sinnvoller Kompromiss zwischen Effizienz und Lebensdauer getroffen. Thomas Edison würde sich im Grabe umdrehen!
Es ging um nichts anderes, als das Geldsäckel einiger weniger noch mehr zu füllen. So wies der Hersteller Philips beispielsweise darauf hin, es sei eminent wichtig, dass die neue Brenndauer von nur 1‘000 Stunden eingehalten werde. Denn nur schon eine vermeintlich kleine Abweichung von zehn Stunden (ein Prozent) zusätzlicher Brenndauer bedeutete damals einen Absatzverlust von vier Millionen Glühbirnen. Der Autor Christian Kreiß1 rechnet in seinem Buch Geplanter Verschleiss dann auch gleich vor, was diese kartellmäßige Absprache in der Glühbirnen-Industrie für Folgen hatte: „Geht man davon aus, dass die Brenndauer erfolgreich um 1‘000 bis 1‘500 Stunden vermindert wurde, bedeutet dies, dass ab dem Ende der 1920er-Jahre etwa 400 bis 600 Millionen Glühbirnen jährlich zusätzlich und damit unnötig produziert wurden.“Bedenkt man nun das weltweite Wirtschaftswachstum, so liegt der Gedanke nahe, dass die Anzahl der unnötig produzierten Glühbirnen in den letzten Jahrzehnten das jährliche Mehr von 400 bis 600 Millionen Stück um ein Vielfaches überstiegen hat. Es wird also für die Tonne produziert – und nicht wie eigentlich vorgesehen für die Lampe! An dieser Stelle sei unbedingt das Centennial Light der US-Stadt Livermore erwähnt. Dieselbe 60-Watt-Glühlampe brennt seit 1901 in der dortigen Feuerwache – außer eine Handvoll kleiner Unterbrechungen – für mittlerweile 113 Jahre! Sie hat zwar nur noch eine Leistung von 4 Watt, aber die Webcam, die ihre Brenndauer live im Internet überträgt, musste bereits dreimal ersetzt werden.
Die Glühbirnen-Industrie ist leider bei Weitem kein Einzelfall, was diese Art der ‚vorzeitigen Produktalterung‘ angeht, wie wir noch sehen werden.
Der Albtraum der heutigen modernen Frau: eine Laufmasche in den Nylonstrümpfen. Eigentlich sollte man denken, dass heute, wo die Menschheit bereits auf dem Mond war, wir innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Nachricht ans andere Ende der Welt senden können und wir bereits über selbstständig fahrende Autos reden, etwas so vermeintlich Simples wie ein robuster Strumpf nicht der Rede wert sein sollte. Das wäre es auch … wenn damit nicht möglichst viel Geld verdient werden müsste. Bereits in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts arbeitete der US-Konzern DuPont daran, die Lebensdauer seiner Nylonstrümpfe mittels chemischer Prozesse zu verkürzen. Dies ist laut dem Professor und Chemiker Michael Braungart2 auch relativ einfach. Er erklärt, dass ein Nylonstrumpf nicht nur aus Nylonfäden besteht, sondern auch aus verschiedensten chemischen Zusatzstoffen. So kann der Nylonstoff zum Beispiel gegen die UV-Strahlung der Sonne stabilisiert werden. Fügt man nun weniger dieser Additive bei oder lässt diese gar zum Teil ganz weg, dann wird das Nylongewebe von der Sonne oder dem Sauerstoff stärker angegriffen und beschädigt. Mit dem Resultat, dass sich eine Laufmasche bildet oder der Strumpf ganz reißt.
Was in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts anfing, ist heute beileibe noch nicht zu Ende. So scheint es heute in der Textil- und Schuhbranche gang und gäbe zu sein, bewusst minderwertige Ware auf den Markt zu werfen. Zum Beispiel führt die Verwendung von kurz- statt langfaseriger Baumwolle dazu, dass die Haltbarkeit von Hosen extrem gemindert wird. Und so gehen teure Jeans beim normalen Sitzen auf dem Bürostuhl plötzlich kaputt, obwohl die Jeans ja ursprünglich eine richtige Bauern- und Arbeiterhose ist. In der Schuhindustrie setzt man gerne auf minderwertigen Kunststoff, der schnell abreibt und die Sohle so zur Schwachstelle macht. Wohlgemerkt: Eine Sohle aus besserem Kunststoff würde sich kaum auf den Produktions- oder Verkaufspreis auswirken – der Kunde würde allerdings später einen neuen Schuh kaufen müssen.
Das Phänomen der geplanten Obsoleszenz (frühzeitiger Verschleiß/Produktalterung) ist noch keine hundert Jahre alt und nahm seinen Anfang in den 1920er-Jahren des damaligen Amerika.
Dem Autopionier Henry Ford war nichts wichtiger als Qualität. Sein Anspruch war nicht geringer, als dass jeder Kunde, der sich eines seiner Automobile kaufte, niemals ein zweites anzuschaffen braucht. Mit diesem Qualitätsdenken war er sehr erfolgreich und sein Model T (welches es ausschließlich in schwarz gab) wurde 15 Millionen Mal verkauft und hatte 1921 einen Marktanteil von 61 Prozent. Zu einer Zeit, als bereits mehr als die Hälfte aller amerikanischen Haushalte ein Auto besaß.
Fords damals größter Konkurrent hieß General Motors (GM). Dessen Chef Alfred P. Sloan vertrat hingegen ganz andere Werte. Er setzte gezielt auf immer neuere Modelle und Technologien, die Vorgänger bewusst veralten ließen. GM modernisierte und veränderte die Modelle jedes Jahr ein klein wenig; zudem wurde mit geschickter Werbung eine Umbewertung des Autos als Fortbewegungsmittel hin zum ‚Lifestyle-Produkt‘ vollzogen. Mit großem Erfolg: In den darauffolgenden Jahren sank der Marktanteil von Ford auf 30 Prozent und im Frühjahr 1927 musste Ford die Produktion seines Model T endgültig einstellen. Es zählten also nicht mehr in erster Linie Qualität und Langlebigkeit, sondern Exklusivität und Fahrzeugdesign. Unsere heutige Konsumgesellschaft war geboren.
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