Lachen, bis die Egos krachen

Humor: Das Geschenk der Götter an die Menschen. Er macht nicht nur frei von Depressionen und Problemen, sondern heilt auch schwerste physische Krankheiten – oder um es in den Worten von Friedrich Nietzsche zu sagen: "Der Mensch hat das Lachen nur erfunden, weil er das leidenste Tier auf Erden ist."

Es streiten sich zwei Saufkumpane am Stammtisch. Da schreit der eine: "Du Vollidiot!" - Gespannte Stille. "Meinst Du das im Spaß oder im Ernst?"-"Im Ernst!"-"Das ist gut - solchen Spaß verstehe ich nämlich nicht!"

Sie schmunzeln? Fein. Denn Humor ist der beste Psychotherapeut weit und breit. Und ich muß es ja schließlich wissen, war ich doch erst kürzlich an einem Kongreß in der Messe Basel zum Thema ‚Humor in der Therapie', einer europäischen Premiere übrigens. Daraus ersehen Sie, daß dem Humor - zumindest in Europa - noch immer mit einer gehörigen Portion Skepsis begegnet wird. Wer über ernste Themen lacht, der ist doch nicht ganz dicht - oder zumindest ziemlich unprofessionell. Besonders, wenn es um ein so düsteres Kapitel wie die menschliche Psyche samt ihren Verirrungen geht. Psychobanalytiker wissen genau, was ich meine, lehrten sie doch, daß es strengstens verboten sei, in Gegenwart eines Patienten auch nur einen Mundwinkel nach oben zu ziehen. Ein Therapeut hatte stoisch zu sein, absolut undurchschaubar und unnahbar - und wenn es geht, trotzdem wohlwollend.

Das jedenfalls war die althergebrachte Philosophie, nach der Psychotherapeuten ausgebildet wurden und William Fry, ein bedeutender Psychiater, kritisiert, daß zu seiner Studienzeit noch erklärt wurde, der Humor sei in der Therapie unnötig, gefährlich und unerwünscht. Humor in der Psychotherapie, das war wie eine Ratte in der Hotelküche. Wohl des halb wurden in der Vergangenheit die Besuche bei einem Psychiater oft zu einer unendlichen Geschichte von unverändert gebliebenen Depressionen, wurden wir zu einer Gesellschaft von ‚Stadtneurotikern', wie das Woody Allen so selbstironisch dargestellt hat.

Dabei hatten sogar schon solche Pessimisten wie Friedrich Nietzsche erkannt, daß der Humor absolut überlebenswichtig ist: "Der Mensch hat das Lachen nur erfunden, weil er das leidendste Tier auf Erden ist." -Wie dem auch sei; mit Humor geht jedenfalls alles ein bißchen leichter. Selbst in der Psychotherapie.

Da ganz besonders. Denn wo Menschen mit sich selbst Probleme haben, kann ihnen Humor helfen, Abstand von sich selber zu gewinnen und sich nichtmehr ganz so ernst zu nehmen. Zudem ist Psychotherapeut und Buchautor Michael Titze der Ansicht, daß der Humor einer frischendes, entspannendes, originelles und anregendes Kontaktmedium darstellt, das zwischen Therapeut und Patient für Offenheit und Gleichwertigkeit sorgt.

Die Psychotherapie geht lustigen Zeiten entgegen, dafür sorgen viele neue Strömungen und namhafte Psychiater, vor allem aus den USA. Sie haben den Humor in ihre Therapien integriert und sehr gute Erfolge damit erzielt.

Einer von ihnen ist der Österreicher Paul Watzlawick, Professor an der Stanford Universität, Mitglied der Palo Alto-Gruppe und Buchautor mit Millionenauflagen. In Basel sprach er über die ‚Bisoziation' im Humor. Dieses schwierige Wort meint etwas ganz einfaches: Zwei Ebenen, zwei Wirklichkeitsauffassungen, die nichts miteinander zu tun haben, werden auf unkonventionelle Weise miteinander verknüpft. So sagte in den Kriegsjahren ein Kabarettist, neulich habe er ein Portrait von Hitler geschenkt bekommen, und "jetzt weiß ich nicht, ob ich ihn aufhängen oder an die Wand stellen soll."

Solche Doppeldeutigkeit stößt uns vor den Kopf - und reizt zu einem erlösenden Lachen. Doch nicht nur das. Dieses unverhoffte Aufeinandertreffen zweier inkompatibler Welten kann auch die Kreativität beflügeln. Ein Beispiel aus der Antike wäre Archimedes, der von einem Perserkönig den Auftrag bekam, festzustellen, ob seine Krone wirklich aus echtem Gold bestünde oder nur vergoldet sei. Der arme Archimedes fühlte sich völlig überfordert und gönnte sich nach langem, vergeblichen Brüten ein Bad. Als er in die volle Wanne stieg, brachte sein Körper das Wasser zum überfließen und - Heureka! - die Lösung war gefunden: Er tauchte die Krone in ein randvolles Becken und maß, wieviel Wasser überfloß. Anhand des Gewichtes der Krone und der ausgeflossenen Wassermenge konnte er dann die Masse der Krone und damit deren Goldgehalt bestimmen.

Eine ähnlich kreative Lösung wurde auch in einem Film gezeigt, wo ein kleines Städtchen vor 200 Jahren von den Spaniern belagert wurde. Auf den ersten Blick gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder würde man sich dem aussichtslosen Kampf stellen und ein fürchterliches Gemetzel provozieren, oder aber man ergab sich, worauf Plünderungen und Vergewaltigungen dennoch nicht ausbleiben würden. Die Frauen jedoch hatten eine dritte Lösung gefunden: Sie schickten alle ihre Männer in den nahegelegenen Wald, wo sie sich verstecken sollten. Dann öffnete die wehrlose, jetzt nur noch von Frauen bewohnte Stadt den Spaniern ihre Tore und hieß die Invasoren willkommen. Die Spanier, von der Liebenswürdigkeit der Frauen völlig überrumpelt, wurden sogleich an ihrem Ehrgefühl gekitzelt und benahmen sich als zuvorkommende Kavaliere, wie es sich huldvollen Frauen gegenüber geziemt. Als die spanische Armee endlich weiterzog, hinterließ sie sogar reiche Abschiedsgeschenke als Dank für die genossene Gastfreundschaft.

Zauberwort Kreativität. Nichts ist heute, wo alles mit Problemen regelrecht zugeschaufelt scheint, stärker gefragt. Sie ist auf den Chefetagen von Konzernen ebenso gesucht (und rar) wie in der Schulstube. Vielleicht liegt es daran, daß wir das Lachen weitgehend verlernt haben, weil uns gelehrt wurde, nur ein ernster, leistungsbewußter Mensch könne es zu etwas bringen. Da-bei ist Kreativität nichts anderes, als das Vermögen, aus einem scheinbar ausweglosen bipolaren Gefängnis auszubrechen und völlig neue, unkonventionelle Lösungen zu suchen. Und genau dabei hilft der Humor ungemein, weil er die Starrheit einer Situation durchbricht, weil er im ersten Moment verwirrt und sozusagen einen ‚Schock' auslöst, der ein befreiendes Lachen nach sich zieht.