Fast alle Menschen haben einen chronischen Eiweißmangel, was sehr häufig zu vielerlei Beschwerden führt. Über das Essen kann man dies kaum beheben. Dank modernster Ernährungsforschung gibt es nun eine Lösung.
Über kaum ein Nahrungsmittel gibt es so viele Missverständnisse wie über Proteine. Während die Begeisterung zum Thema Mikronährstoffe kaum Grenzen kennt und kein Tag vergeht, an dem nicht über die Vorzüge diverser Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente oder sekundärer Pflanzenwirkstoffe berichtet wird, herrscht über Eiweiß wenig Klarheit. Auch Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel sind vielen geläufig. Anders der Proteinstoffwechsel: Selbst bei Ernährungsfachleuten und trotz einer gewissen „Mode“ bei der Supplementierung von Aminosäuren bestehen erhebliche Wissensdefizite, was neuere internationale Forschungsergebnisse angeht. So wird beispielsweise kein Unterschied zwischen dem Nährwert und der Verdaubarkeit von Proteinen gemacht. Ebenso wenig besteht Einigkeit über die Höhe der täglichen Proteinzufuhr im Erhaltungs- oder im Leistungsbedarf.
Dabei haben Proteine eine Vorrangstellung in der Ernährung. Nahezu alle Vitalsubstanzen, die unser Körper benötigt, werden aus verschiedenen Aminosäuren (AS) zu Peptiden oder Proteinen umgebaut. AS sind die eigentlichen Bausteine des Lebens, die über das Blut zu jenen Stellen des Körpers transportiert werden, wo sie in körpereigenes Eiweiß (Organgewebe wie Haut, Muskulatur, Leberzellen, Enzyme usw.) umgewandelt und eingebaut werden. AS bilden auch die Basis für Hormone (z.B. Insulin, Glucagon) oder Neurohormone (Serotonin, Melatonin). Außerdem für Stütz- und Gerüsteiweiße (Kollagen, Elastin, Keratin) sowie Strukturproteine (Aktin, Myosin) und Plasmaproteine (Globulin) oder Transportproteine wie Albumin und Hämoglobin. Sie sind aber auch für die Produktion männlicher und weiblicher Hormone, und damit zur Aufrechterhaltung einer gesunden Libido wichtig.
Daneben sind sie Grundlage unserer Immunabwehr (Antikörper, Blutgerinnungsfaktoren). Selbst als Reservesubstanzen für die Energieversorgung bei Hunger werden Proteine benötigt. Der Körper regeneriert sie vor allem aus der Muskulatur, der Milz und der Leber, wo sie in Hungerszeiten – und etwa auch bei falschen Diäten oder bei Fastenkuren – mithilfe der Gluconeogenese (Zuckerersatzgewinnung) für die Energiebereitstellung herangezogen werden. Täglich produziert der Organismus zwischen 80’000 und 120’000 unterschiedliche Enzymverbindungen, indem er verschiedene Aminosäure-Moleküle aneinanderreiht und zu Molekülketten in Körpereiweiß „umbaut“.
Unsere moderne Ernährungsform und unsere stressbedingte Lebensweise stellen nicht immer sicher, dass wir alle lebensnotwendigen, d.h. essentiellen Aminosäuren in ausreichender Menge aufnehmen und/oder verwerten. Der Bedarf an Proteinen wird stark unterschätzt. Mit zunehmendem Alter oder in Stress- und Krankheitsphasen sinkt die Aufnahmefähigkeit des Körpers (Nachlassen der Verdauungs- und Entgiftungskräfte, Eiweiß-Verwertungsstörungen), während der Bedarf an Aminosäuren zur Bewältigung von Krankheiten bis zum Bedarf analog dem eines Leistungssportlers ansteigen kann.
Ein besonderer Fall ist der aus der Proteinernährung anfallende Stickstoffabfall, bestehend aus den Abbauprodukten des Proteinstoffwechsels (Ammoniak, Harnstoff), den die Leber und Nieren entsorgen müssen. Lediglich Fachleute wissen hier näher Bescheid. Und wenig davon dringt ins Bewusstsein einer breiten Bevölkerung. In der Sport- und Diäternährung (Steinzeit-Diät, Low-Carb-Diät, Montignac) aber wird das Thema Stickstoffabfall und seine Gefahren vernachlässigt, von bestimmten Interessengruppen sogar auf sträfliche Weise verharmlost. Die gesundheitlichen Folgen können fatal sein, nicht nur bei Leber- und Nierenkranken.
Gerade in Extremsportarten wie Bodybuilding ist zumindest die Höhe des Proteinbedarfs sehr gut erkannt worden: die Zufuhrempfehlungen für die Proteinmengen beruhen dort auf nachvollziehbarem Erfahrungswissen und weichen deshalb erheblich von den Vorgaben eines durchschnittlichen Ernährungsberaters oder den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), respektive denen des US-amerikanischen Pendants, der Food Standards Agency (FSA), ab.
Ernährungswissen ist eben nicht nur im Hinblick auf den gesundheitlich förderlichen Proteinbedarf oder den sportlich induzierten Leistungsbedarf gefragt, sondern auch im Hinblick auf mögliche Gefahren einer erhöhten Proteinzufuhr, gerade wenn es sich, wie in vielen gängigen Proteinpräparaten sichtbar, um minderwertige Proteinquellen handelt. Unzählige Wirtschaftszweige leben von der Vermarktung solcher Billigprodukte. Einmal erkrankt und nicht ahnend, woher sie ihre Beschwerden haben, werden jene, die solche Produkte regelmäßig in größeren Mengen zu sich nehmen, von unserer Krankheitsindustrie als Beitragszahler herzlich empfangen. Dr. Bircher-Benner hat bereits 1938 auf diesen Umstand hingewiesen und angemerkt, „dass die ungeordnete Ernährung heute der furchtbarste, aber unsichtbarste Feind der zivilisierten Menschheit ist.“
Aber selbst bei für die menschliche Ernährung hochwertigen Proteinquellen wie magerem Fisch, magerem Fleisch und magerem Geflügel sind grundlegende Dinge zu beachten. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden gesundheitliche Schäden durch eine zu hohe und einseitige Proteinzufuhr bei den Trappern und Pionieren in den USA offenkundig. Sie hatten in den langen Wintermonaten nur das proteinreiche, gleichwohl fettarme und an essentiellen Fettsäuren reiche Wildfleisch zur Verfügung. Doch sie verzichteten aus Unwissenheit auf die basenreichen Innereien der Tiere. Anstatt wie jeder Wolf und jeder Löwe zuerst die Innereien zu fressen, um genügend Basen für die aus dem Verzehr von Muskelfleisch notwendige Säurepufferung zur Verfügung zu haben, schöpften sie aus der Fülle der Magermasse. Ihr Instinkt für die richtige Ernährung war längst degeneriert, und das Wissen der Eingeborenen wurde anscheinend nicht beachtet.
Ein Blick in die Geschichte genügt, um auch ohne „wissenschaftliche“ Studien zu wissen, welche Folgen eine dauerhafte Überlastung von Leber und Nieren haben kann: in der Antike war die Verabreichung von Muskelfleisch ohne weitere basische Nahrung an Gefangene eine beliebte Form der Todesstrafe!
Was sind Proteine? Proteine bestehen aus kleinen Bausteinen, den Aminosäuren (AS). Diese AS bestehen wiederum aus vier Elementen: dem Kohlenstoff -, Stickstoff -, Wasserstoff- und dem Sauerstoffatom. Sie sind, bildlich gesprochen, die Bausteine des menschlichen Körpers. Aus diesen AS kann der menschliche Organismus tausende unterschiedlicher Proteine herstellen, die unterschiedliche Funktionen in unserem Körper erfüllen. Nur ein Beispiel: Das erste komplexe Protein, das 1851 von Otto Funke entdeckt wurde, ist das Transporteiweiß Hämoglobin, der eisenhaltige Blutfarbstoff der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Es besteht aus mehr als 1’800 Aminosäureverbindungen. Auch Makrophagen (Fresszellen), T-Helferzellen oder der in der Zelle aktive, lebensnotwendige Radikalfänger Glutathion bestehen aus Aminosäuren. Die Fachwelt spricht von Proteinen erst, wenn der Komplex aus mindestens hundert Aminosäureverbindungen besteht. Bei weniger als hundert Aminosäureverbindungen spricht man von Peptiden.
Insgesamt gibt es zwanzig proteinogene Aminosäuren. Der Körper kann zwölf davon eigenständig synthetisieren. Die anderen acht Aminosäuren kann er nicht selbst vermittels der Transaminase herstellen. Sie müssen über die Nahrung zugeführt werden. Aus diesem Grund werden diese acht AS auch als die acht essentiellen Aminosäuren bezeichnet. Es sind dies die Folgenden:
heißen L-Isoleucin, L-Leucin, L-Lysin, L-Methionin, L-Phenylalin, L-Threonin, L-Tryptophan und L-Valin.
Der Körper spaltet Proteine, die über die Nahrung zugeführt werden, über den Verdauungsprozess mit Hilfe von Enzymen (Pepsin, Trypsin, Chymotrypsin). Im Idealfall einer vollständigen Verdauung sind die AS „blutfähig“ und können vom Körper zum Aufbau von Körpereiweiß verwendet werden. Die aufbauenden acht essentiellen AS bilden, zusammen mit den AS, die der Körper selbst synthetisiert, die strukturelle Grundlage unseres Körpers sowie aller Moleküle, die Leben unterstützen. Dieser Prozess wird als Körperproteinsynthese bezeichnet.
Der Name Protein wurde 1839 von Jöns Jacob Berzelius vom griechischen Wort protos(erstes, wichtigstes) oder proteuo (ich nehme den ersten Platz ein) abgeleitet. Als Mentor und Freund von Gerard Johannes Mulder hat er dessen Entdeckung der molekularen Struktur der Proteine als einheitlichen „Grundstoff“ begleitet und den Begriff Protein vorgeschlagen. Die beiden Wissenschaftler wollten damit die große Bedeutung von Proteinen für das Leben unterstreichen.
David Raubenheimer, Ernährungsforscher und Biologe an der Universität Auckland, hat darauf hingewiesen, dass es in der menschlichen Ernährung eine eindeutige Vorrangstellung von Protein (Proteinhierarchie) gibt, die dazu führt, dass wir unseren Eiweiß-Appetit als erstes vor allen anderen stillen. Obwohl der Proteinanteil in der Nahrung mengenmäßig im Vergleich zu Fetten und Kohlenhydraten gering ist, steht der Bedarf an Eiweiß für den menschlichen Körper an erster Stelle. Und das ist nicht verwunderlich, sind doch die Bausteine von Eiweiß, die Aminosäuren, an nahezu allen wichtigen Aufgaben des menschlichen Organismus’ beteiligt: Zellerneuerung, Enyzme, Hormone, Knochen, Knorpel, Haare und Nägel, Sehnen und Bänder. Proteine versorgen als Gerüsteiweiße das Kollagen unserer Haut, als Struktureiweiße unsere Muskeln und als Transportproteine (Hämoglobin) unser Blut.
Proteine sind ein lebenswichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Sie tragen nicht nur dazu bei, die Muskel- und Gewebszellen unseres Körpers zu erneuern, Hormone und Enzyme zu bilden und zu regulieren sowie den Stoffwechsel zu kontrollieren. Proteine bilden die Grundlage unseres Immunsystems und unserer Immunabwehr, indem sie uns helfen, Krankheiten abzuwehren.
Proteine liefern das grundlegende Baumaterial für unseren gesamten Organismus. Ungefähr die Hälfte unserer nicht aus Wasser bestehenden Körpermasse besteht aus Proteinen. Der größte Teil der Proteine in unserem Körper wird dabei kontinuierlich umgebaut, abgebaut und erneuert. Unser Körper muss deshalb täglich Tausende von Proteinen neu bilden, um die abgebauten Eiweiße zu ersetzen.Je aktiver ein Mensch ist und/oder je höher die tägliche Stressbelastung eines Menschen ist – etwa auch durch eine Krankheit oder durch sportliche Höchstleistung – desto schneller wird Protein abgebaut und umso mehr Protein wird benötigt, um es zu ersetzen. Protein kann nur kurzfristig gespeichert werden, im Gegensatz zu Kohlenhydraten (Glucose) oder Fett. Der körpereigene AS-Pool ist auf maximal zwei bis drei Stunden ausgelegt, so dass der Körper täglich mehrmals Nachschub benötigt.
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