Spielzeug: Erziehung zum Massenmensch

Eine Unterscheidung zwischen ‘Gut und Böse’ im Spielzeugladen: Welche Artikel roboterisieren unsere Jugend, welche machen sie kreativ und frei?

Das Spielzeug kleiner Kinder sollte möglichst einfach und universell einsetzbar sein, nur so wird des Kindes Kreativität wirklich gefördert.

Das Spielzeug kleiner Kinder sollte möglichst einfach und universell einsetzbar sein, nur so wird des Kindes Kreativität wirklich gefördert.

Sind Sie sich bewußt, welch wichtiger Wirtschaftsfaktor Ihr Kind in den Augen der Industrie ist? Der Spielzeugmarkt in Europa zählt 70 Millionen Kinder. 3'000 Hersteller, 40'000 Händler und 300'000 Beschäftigte leben von ihm. Allein in Deutschland geben Kinder zwischen sieben und fünfzehn Jahren elf Milliarden D-Mark für Spielzeug aus, ganz zu schweigen von den 33 Milliarden D-Mark der Erwachsenen. Gegen 50MilliardenMark werden in der BRD insgesamt für Werbung aufgewendet. 40 Prozent der Werbespots richten sich an Kinder, das heißt, jede Woche werden 6'000 TV-Spots nur für Kinder ausgestrahlt. Ja, es geht wirklich um viel Geld. Hinzu kommt, je schlechter und unorganischer das Spielzeug ist und je mehr es süchtig macht, desto mehr Geld läßt sich damit verdienen. Ein Einzelhändler kann mit herkömmlichem Spielzeug ca. 7'000 D-Mark pro Quadratmeter umsetzen. Mit Videospielen sind es hingegen 30'000 bis 40'000 D-Mark!

Hier geht es um jenes Spielzeug, mit dem unsere Kinder in Kaufhäusern und übergroßen Spielzeuggeschäften überschwemmt werden, für das massiv geworben wird und das ich als Massenspielzeug bezeichnen möchte. Spielzeug, das ausschließlich hergestellt wird, um es auf Teufel komm raus zu verkaufen; heutzutage ja oft im alles umfassenden Medienverbund von Film- und TV-Werbung, Frühstücksflocken, Figuren, T-Shirts usw. – Merchandising nennt sich das so schön, und es ist ein Zeichen der Zeit, daß derWalt Disney-Konzern darin führend ist. Kurzum, es geht um Spielzeug, das ethische und geistige Werte vermissen läßt. Ich führe pädagogische Werte nicht auf, weil diese oft als Deckmantel für Profit herhalten müssen.

Inwiefern qualitativ hochwertiges Spielzeug den hier erarbeiteten Kriterien entspricht und sinnvoll – bezogen auf das jeweilige Kind – eingesetzt werden kann, muß individuell geprüft werden. In Geschäften, die speziell auf Holzspielzeug ausgerichtet sind, findet man jedoch in aller Regel sorgsam und liebevoll hergestelltes Spielzeug.

Neben den äußeren Kriterien der Verarbeitung und Materialwahl sind vor allem die inneren Kriterien der ‚eingebauten‘ Botschaft und Qualität für das Kind wichtig. Wenn viele Menschen Holzspielzeug schön finden, dann wegen der angenehmen Tastempfindung und den sanften Farben; besonders jedoch, weil hier ein Bezug zum Lebendigen deutlich wird.

Sie können Ihrem Kind etwas über den Baum erzählen, aus dem sein Lastwagen entstanden ist, oder anhand der Spielsteine, an denen man die Maserung des Holzes und die Rinde sehen und fühlen kann. Sie können sein Gefühl für Wert und Einmaligkeit bestätigen mit jedem Stein, den Sie in seine Hand legen, mit jedem Stock, den das Kind aus dem Wald nach Haus bringt und seiner Sammlung hinzufügt.

Von welchem Erdölklumpen wollen Sie aber schwärmen, wenn sie Ihrem Kind einen von unendlich vielen gleichen Plastikspielsteinen geben?

Kindliche Phantasie positiv anregen

Es ist lebenswichtig, daß die Kraft der kindlichen Phantasie wirksam werden kann. Sie muß ein positives Resonanzfeld zur Entfaltung dieser Phantasie vorfinden. Was kann ein Stück Holz, ein Stock nicht alles sein (Es fallen Ihnen bestimmt mühelos mindestens fünf Möglichkeiten ein)? Was kann man mit einem Tuch alles anstellen! – Wie armselig (arm an Geist) ist dagegen meist ein ‚fertiges‘ Spielzeug. Was ist der Unterschied zwischen einem eben schnell in der Stadt gekauften Plastikbausteinkasten-Geburtstagsgeschenk und einem sorgfältig gesuchten und nach langem gefundenen Stein aus dem Bach oder einer besonderen Vogelfeder? Aha!

Machen Sie einmal folgendes Experiment (es eignet sich auch für Elternabende zum Thema): Spielen Sie 20 Minuten mit Naturmaterialien wie Steinen, Eicheln, Aststücken, Rinden, Heu, Ästen.

Dann wechseln Sie zu Robotern, intergalaktischen Kämpfern und Transformern, zu ‚He-Man‘ und den Turtles.

Machen Sie weiter mit Plastiksteinen – nein nicht nur einfach Bausteine, es muß schon der Weltraumflughafen sein. Früher hatten Sie vielleicht einen Grundbaukasten, aus dem alles gebaut wurde; heute wünscht sich das Kind aber das Raumschiff, die Tiefsee-Station, die Pizzabude oder einen anderen fertigen Bausatz mit speziellen Teilen, die es nach Vorschrift zusammenbaut. Damit zu spielen ist fast unmöglich, da andauernd wieder etwas von den filigranen Konstruktionen abfällt oder erst gar nicht gefunden wird (Sie sollten hören, wie die Kinder dann zu schimpfen lernen!). Und sobald es fertig zusammengebaut wurde, widmet sich das Kind dem Studium des beiliegenden neuesten Prospektes und die Freude am ‚Spielzeug‘ ist schon dahin. Ein gewisser kreativer Umgang gelingt manchen Kindern nach einiger Zeit, bildet aber meist nur die vom Hersteller beabsichtigten Spielziele nach. Denn aus der Pizzabude wird nie ein Raumschiff. Natürliches kann sowieso nicht gebaut werden.

Vielleicht wollen Sie sich in den nächsten 20 Minuten mit ‚B-Girl‘ und ‚B-Boy‘ und all den anderen ‚niedlichen kleinen Sachen‘ erholen?

Abschließend spielen Sie dann noch einmal 20 Minuten mit Holzspielzeug herkömmlicher Art (rechteckig, quadratisch, farbig), das organisch geformt ist und den Hautsinn belebt(Waldorfpädagogik). Fragen Sie sich nun:

Wie haben Sie sich jeweils gefühlt? Was für körperliche Empfindungen hatten Sie? Welche Anforderungen wurden an Ihre Sinne gestellt?

Bedenken Sie, daß alles, was wir anschauen und anfassen, alle Formen und Farben, die uns umgeben, unser Innerstes beeinflussen; vor allem bei Kindern, da ihr Körper noch einer stärkeren Entwicklungsbeschleunigung unterliegt.

Was geschieht, wenn ein Kind mit einem perfekten und fertigen, eng zweckbezogenen Spielzeug spielt und es geht entzwei? Es wird vermutlich in Tränen ausbrechen, wütend und enttäuscht sein und ein neues Spielzeug fordern. Die Kreativität ist begrenzt. Was geschieht, wenn das Kind mit einem vollkommenen, unfertigen und ‚weiten‘ Spielzeug spielt und es geht entzwei? Höchstwahrscheinlich ergibt sich ein neues Spiel daraus; der Kreativitätsfluß bleibt erhalten.

Wofür gibt es Massenspielzeug?

1. Um eine Basis für eine lebenslange konsumorientierte Betäubungshaltung zu legen.

Michael Ende hat dies in seinem Kinderbuch ‚Momo‘ unübertroffen klar beschrieben: Einer der ‚grauen Herren‘ überhäuft Momo mit allem, was eine ihr zugespielte Puppe ‚braucht‘. Es scheint kein Ende nehmen zu wollen und Momo kämpft. Sie kämpft, um den Zugang zu ihrer Herzensstimme nicht zu verlieren. Und schließlich stellt sie fest, daß dieser perfekten Puppe etwas fehlt: Man kann sie nicht liebhaben. –Die Wahrheit zerreißt den Schleier der Illusion und der ‚graue Herr‘ wird noch grauer.

Es ist im Sinne der großen Spielzeug-Hersteller, daß die Dinge neu gekauft werden müssen, wenn sie kaputt gehen. Daß dabei gleichzeitig eine massive Einschränkung der Phantasie erfolgt, deckt sich mit unseren Erkenntnissen über das Fernsehen und ähnliche Medien. Auch, daß dabei eine frühe Suchterziehung durch die Zerstörung des Wertgefühls stattfindet. Woher sollen Kinder wissen, daß ihre Unlustgefühle nicht dem Mangel, sondern dem Überfluß entstammen?