Vom Leben und Wirken des Buddha

Von 564 bis 483 v. Chr. lebte in Indien Buddha Gautama. Hier erzählt der bedeutende buddhistische Lehrer Sayagyi U Ba Khin auf ebenso einfache wie lebendige Weise aus dem Leben jenes grossen Avatars und gibt einen kurzen, einleuchtenden Abriss über das Zentrale seiner Lehre.

Buddha-Statue in Bodhgaya, jenem heiligen Ort im Ganges-Tal, wo Gautama die Erleuchtung erlangte.

Buddha-Statue in Bodhgaya, jenem heiligen Ort im Ganges-Tal, wo Gautama die Erleuchtung erlangte.

Gautama Buddha ist der vierte von fünf Buddhas, die im jetzigen Weltzyklus erscheinen, der als verheißungsvoller Weltzyklus bezeichnet wird. Seine Vorgänger waren Buddha Kakusanda, Buddha Konâgamana und Buddha Kassapa. Auch in früheren Weltzyklen erschienen unzählige Buddhas und lehrten denselben Dhamma (das Gesetz),der allen gereiften Wesen Befreiung von Leiden und Tod bringt. Alle Buddhas sind voll Mitleid, voller Herrlichkeit und erleuchtet. (...)

Als die Zeit der Niederkunft nahte, wünschte die Königin (Mâyâ Devi, seine Mutter), im Hause ihrer Eltern zu gebären. König Suddhodana ließ sie also in Begleitung ihres Gefolges, durch Wachen beschützt, zu ihren Eltern bringen. Auf dem Weg wurde eine Rast im Lumbinî-Hain eingelegt. Mâyâ Devi entstieg ihrer Sänfte, genoß die kühle Brise und den Duft der Sal-Blumen. Als sie gerade ihre rechte Hand nach einer Blüte eines nahestehenden Sal-Baumes ausstreckte, gebar sie plötzlich und unerwartet einen Sohn, den künftigen, vollkommen erleuchteten Buddha. Gleichzeitig fand auf vielfältige Weise eine Umwälzung der natürlichen Ordnung im Kosmos statt, und es wurden zweiunddreißig wunderbare Phänomene aktiviert. Die materiellen Welten wurden in ihren Grundfesten erschüttert; im Sonnensystem gab es ein ungewöhnliches Leuchten; alle Wesen der materiellen Ebenen konnten einander sehen, die Tauben und Stummen wurden geheilt, himmlische Musik war zu hören usw.

In diesem Augenblick sprach Kâladevala, der Einsiedler-Lehrer des Königs Suddhodana, mit himmlischen Wesen der Tâvatimsa-Devawelt. Er war ein berühmter Einsiedler, Meister der acht geistigen Fertigkeiten, die ihm übernatürliche Kräfte verliehen. Als er inmitten der Freude, die in den feinstofflichen Existenzebenen und den Sinneswelten herrschte, von der Geburt des Königssohnes erfuhr, eilte er zurück in den Palast. Er bat darum, das Kind zu sehen, um es zu segnen. Als der König das Kind vor seinen Lehrer hinlegen wollte, geschah ein Wunder: Der Prinz erhob sich in die Luft und berührte mit seinen winzigen Füßen den Kopf Kâladevalas. Dieser erkannte dadurch, daß das Kind kein Geringerer als der Embryo-Buddha war. Aufgrund dieser Tatsache lächelte er, um jedoch gleich darauf in Tränen auszubrechen; denn er sah voraus, daß er nicht mehr so lange leben würde, um die Lehre des zukünftigen Buddha hören zu können. Nach seinem Tod würde er in den immateriellen Existenzebenen wiedergeboren werden, von denen aus kein Kontakt zu den materiellen Existenzebenen möglich ist. Er war aufs äußerste betrübt über das Unglück, den Buddha und seine Lehre zu verpassen. In Anwesenheit bekannter Astrologen, die alle darin übereinstimmten, daß das Kind sämtliche Merkmale eines zukünftigen Buddhas besaß, wurde ihm am fünften Tag der Name Siddhartha gegeben. Seine Mutter, die Königin, starb jedoch eine Woche nach der Entbindung, worauf das Kind von ihrer Schwester Pajâpatî-Gotamî aufgezogen wurde.

Siddhartha verbrachte seine Jugend in Bequemlichkeit, Luxus und Kultiviertheit. Er galt als Wunderkind sowohl seines Intellekts als auch seiner Stärke wegen. Der König scheute keine Mühe, um das Leben des Knaben so angenehm wie möglich zu gestalten.

Für die drei Jahreszeiten –die heiße, die kalte und die regnerische–wurden drei Paläste erbaut. Sie waren mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet und sollten den Prinzen in eine Umgebung der Sinnlichkeit versinken lassen. Denn der König Suddhodana wünschte sich in väterlicher Zuneigung, daß sein Sohn ein weltliches Leben führen und König werden sollte–nicht ein Erleuchteter, ein Buddha. Er achtete stets darauf, seinen Sohn in einer Umgebung heranwachsen zu lassen, in der keine höheren philosophischen Ideen entstehen konnten. Um sicher zu gehen, daß die Gedanken des Prinzen niemals diese Richtung einschlagen würden, ordnete er an, daß keiner seiner Diener und Kontaktpersonen jemals Alter, Krankheit oder Tod erwähnen sollten. Sie hätten sich so zu verhalten, als ob es in der Welt nichts Unangenehmes gäbe. Diener und Gefolge, die das geringste Anzeichen des Alterns, der Schwäche oder einer Krankheit zeigten, wurden ersetzt. Zudem fanden ununterbrochen Tanz- und Musikveranstaltungen sowie fröhliche Festestatt, um den Prinzen vollkommen im Banne der Sinnlichkeit gefangen zu halten.

Die Große Entsagung

Im Verlaufe der Tage, Monate und Jahre verlor jedoch die monotone sinnliche Umgebung langsam ihren Einfluß auf Prinz Siddhartha. Seine geistigen Qualitäten, die er in all seinen unzähligen früheren Leben für das große Ziel der Buddhaschaft entwickelt hatte, wurden automatisch geweckt. Wenn zuweilen die Welt der Sinnlichkeit ihre Kontrolle über seinen Geist verlor, kamen seine inneren Qualitäten zum Vorschein. Sein Geist entwickelte sich durch die Kraft von Samâdhi (Konzentration), die ihn auch als Kind in die Luft und auf den Kopf Kâladevas gehoben hatte, zu einem Zustand der Reinheit und Ruhe. Der Nervenkrieg begann.

Sein erster Wunsch war die Flucht aus der Sinnlichkeit und Leidenschaft. Er wollte wissen, was außerhalb des Palastes existierte, den er noch nie verlassen hatte. Er wollte die Natur so sehen, wie sie ist, und nicht so, wie sie vom Menschen geschaffen war. Deshalb entschloß er sich, den königlichen Park jenseits der Palastmauern zu besichtigen. Ungeachtet der vom König getroffenen Vorsichtsmaßnahmen, um den Weg von unangenehmen Anblicken frei zu halten, sah der Prinz bei seinem ersten Ausflug einen vom Alter gebeugten Menschen. Als nächstes erblickte er einen von einer unheilbaren Krankheit befallenen Menschen. Danach sah er einen Leichnam, und auf seiner letzten Ausfahrt begegnete ihm ein Mönch. All dies gab ihm ernsthaft zu denken. Seine geistige Einstellung wurde durch diese Erlebnisse verändert. Sein Geist klärte sich von Unreinheiten und stimmte sich ein auf seine eigenen geistigen Qualitäten, die er auf der Ebene der Geisteskräfte angesammelt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war sein Geist von Hindernissen befreit und ruhig, rein und stark.

All dies ereignete sich in jener Nacht, in der seine Frau einem Sohn das Leben schenkte, eine weitere Fessel, die ihn an die Welt binden würde. Er war jedoch immun gegen alles, was sein geistiges Gleichgewicht hätte stören können. Die Qualität der Entschlossenheit ließ in ihm einen festen Vorsatz heranreifen: Er beschloß, einen Ausweg aus Geburt, Alter, Leiden und Tod zu suchen. Diesen feierlichen Entschluß faßte er um Mitternacht. Er befahl seinem Diener Channa, seinen Hengst zu satteln. Nach einem letzten Blick auf seine Frau und sein neugeborenes Kind brach Prinz Siddhartha alle Bande mit seiner Familie und der Welt und machte die Große Entsagung. Er ritt durch die Stadt zum Fluß Anomâ, den er überquerte, um erst wieder zurückzukehren, nachdem er seine Mission erfüllt hatte.

Die Suche nach Wahrheit

Nach der Großen Entsagung begab sich Prinz Siddhartha im Gewand eines Wanderasketen mit einer Almosenschale auf die Suche nach möglichen Lehrern. Er vertraute sich der geistigen Führung zweier bekannter Brahmânen-Lehrer namensÂlâra undUddaka an. Âlâra betonte den Glauben an Atman (Seele) und lehrte, daß die Seele vollkommene Befreiung erreichte, nachdem sie von den materiellen Begrenzungen befreit sei. Dies befriedigte den Prinzen jedoch nicht.

Als nächstes suchte er Uddaka auf, dessen Lehre aber zu starkes Gewicht auf die Wirkung der willentlichen Handlungen (Karma) und auf die Seelenwanderung legte. Beide konnten sich nicht von der Auffassung einer ‘Seele’ befreien. Da der Prinz-Asket ahnte, daß es noch etwas anderes zu lernen gab, verließ er beide, um den Weg zur Befreiung selbst zu erarbeiten. Zu dieser Zeit hatte er natürlich schon die acht geistigen Errungenschaften verwirklicht und war ein Meister in der Ausübung aller übernatürlichen Kräfte, einschließlich der Fähigkeit, die Ereignisse vieler zukünftiger und vergangener Weltzyklen zu sehen. Diese Fähigkeiten gehörten alle dem weltlichen Bereich an, für den der Prinz-Asket kein besonderes Interesse hegte; denn seine Absicht war es, einen Ausweg aus diesem weltlichen Reich von Geburt, Leiden und Tod zu finden.

Später schlossen sich ihm fünf Asketen an. Einer von ihnen hieß Kondanna; er war der Astrologe, der am fünften Tag nach der Geburt des Prinzen die Voraussage gemacht hatte, daß er bestimmt ein Buddha werde. Diese Asketen unterstützten ihn mit großer Hingabe während der sechs Jahre, die er mit unterschiedlichen Fasten-und Meditationsübungen verbrachte. Er unterwarf sich verschiedenen Arten von strengen Härteübungen, Selbstkasteiungen und Disziplinen, bis er fast zum Skelett abgemagert war. In der Tat fiel er eines Tages aus Erschöpfung in Ohnmacht. Nachdem er diesen Zustand überlebt hatte, änderte er seine Methode, folgte einem mittleren Pfad und erkannte, daß dadurch der Weg zur Erleuchtung klarer wurde.