Wie der Buddhismus christlich wurde

Vierhundert Jahre nach dem Tod Buddha Gautamas schien seine Lehre in der Abgeschiedenheit der Klöster zu erstarren, obwohl sie zuvor bis zu den Griechen gelangt war. Doch dann vollzog sich ein grosser Wandel, und der Buddhismus wurde zur Weltreligion voll des Mitgefühls und der Nächstenliebe. Der Urheber dieses Wandels war kein geringerer als Jesus Christus!

buddha

Jede Religion durchschreitet mehrere Stadien während ihrer Geschichte. Als der Buddhismus an einem toten Punkt angelangt war, sorge Jesus für eine Wiederbelebung

Als Buddha Gautama am 8. April des Jahres 483 v. Chr. starb, beschlossen seine zehn engsten Jünger, ein großes Konzil einzuberufen. Wie sollte es weitergehen? Welche Regeln sollten das künftige buddhistische Leben bestimmen? Sollte es einen Nachfolger geben, oder sollte man sich die letzten Anweisungen Gautamas zum Gebot nehmen – „Stütze dich auf das Gesetz, nicht auf die Person“? Nun, da der geistige Führer nicht mehr lehrend und inspirierend unter ihnen weilte, ein steter Draht zu den höheren Sphären, allwissend und allgerecht, galt es, die Lehre in eine Form zu bringen, in der sie überliefert werden konnte. Eine einheitliche Form, um Spaltungen und Glaubenskämpfe zu vermeiden. Denn Buddha selbst hatte kein Wort aufgeschrieben; Historiker behaupten sogar, es habe zu jener Zeit gar keine Schrift gegeben. Die ältesten bekannten indischen Schriftzeugnisse reichten lediglich ins 3. Jahrhundert vor Christus zurück.

Glücklicherweise gab es da Ananda, den Lieblingsjünger Gautamas, der über sechstausend (!) Predigten des Erleuchteten wortwörtlich wiedergeben konnte. Und es gab Upali, den hochdisziplinierten Jünger, der wie Ananda Buddhas Lehre mit jedem Atemzug vorlebte. Denn das war Shakyamuni wichtig gewesen: Daß seine Anhänger nicht leeres Kopfwissen zum Besten gaben, sondern das, was er lehrte, in ihrem Leben prüften und verinnerlichten und damit zum lebendigen Beispiel des Wortes wurden. ‘Shakyamuni’ bedeutet übrigens „der Weise aus dem Geschlecht der Shakyas“. Der Begriff wird in Asien häufig als Bezeichnung für Buddha Gautama verwendet, der ins königliche Haus des Shakya-Stammes im heutigen südlichen Nepal geboren worden war.

Noch im Todesjahre Shakyamunis trafen sich die zehn engsten Jünger Buddhas und fünfhundert weitere Mönche in Rajagaha, der Hauptstadt des Staates Magadha. Nicht in der Stadt selbst, nein, auf dem Land – genauer in der ‘Höhle der sieben Blätter’ an einem nahegelegenen Berghang. Auch Buddha hatte die großen Städte lieber gemieden und draußen in der Natur gelehrt. Die Reinheit der sie umgebenden göttlichen Schöpfung erleichterte es den Zuhörern, das Gesagte aufzunehmen.

Überflüssig zu sagen, daß manche Mönche traurig, ja verzweifelt waren über das Dahinscheiden ihres großen Vorbildes. Sie brauchten dringend eine neue Richtschnur, eine neue Ausrichtung für die kommenden Jahre. Hinzu kam, daß sich der Buddhismus auch gegenüber dem Brahmanismus definieren mußte, der immer noch die Hauptreligion der damaligen Zeit darstellte, während der Buddhismus sich noch im Keimstadium befand. Und die Mönche hatten dem Brahmanismus nichts besonders Attraktives gegenüberzusetzen– nämlich einen Weg der Selbstvervollkommung, den jeder selbst beschreiten mußte, mit allen Opfern und Prüfungen, die notwendig sind, um die innere Lösung von den Leidenschaften und damit dem, was Leiden schafft, zu vollbringen. Der Brahmanismus der damaligen Zeit machte es den Leuten leichter. Hier eine mildtätige Spende, dort ein hübsches Zeremoniell, dann ein größeres Tieropfer–und die Götter waren dem eigenen Schicksal gegenüber (angeblich!) gnädig gestimmt. Ein Kuhhandel auf höchster Ebene also – wobei natürlich keine Kühe gehandelt wurden!

„Auch wenn ich sterbe, sollt ihr nicht glauben, daß ihr ohne Führer zurückbleibt. Die Lehren und Gebote, die ich euch dargelegt habe, sollen eure Führer sein“, hatte Buddha vor seinem Hinscheiden in einem Hain gemahnt. Dies befolgte man nun am Ersten Konzil. Mittels Gruppenrezitation lernten die fünfhundert Mönche viele der Predigten Buddhas auswendig. Zur leichteren Einprägsamkeit arbeitete man einige davon zu Hymen und Sutren (Predigten) um, die sich reimten. Man schuf also gleichsam das Evangelium des Buddhismus, weniger ausgerichtet auf den Lebensbeschrieb des Erleuchteten, als auf den Inhalt seiner Lehre. Bis heute bildet dieser uralte Kanon die Grundlage des buddhistischen Glaubens, der den Fortbestand des ‘Dharma’ (Gesetzes) sichert.

Doch der Lauf des Allzumenschlichen beeinträchtigte auch die frühe Entwicklung des Buddhismus. Nur hundert Jahre nach Buddhas Hinscheiden hatte sich die erste Spaltung gebildet. Auf der einen Seite gab es eine Richtung, die sich Theravada nannte (die „Lehre der Älteren“), auf der anderen den Mahasanghika (die „Mitglieder des großen Ordens“).

Der Buddhismus war nun nicht mehr eine winzige Randerscheinung, sondern hatte eine beträchtliche Anzahl Anhänger unter dem einfachen Volk gewonnen – besonders bei jenen, denen der Brahmanismus aufgrund ihrer ‘niederen Geburt’ keine Chance auf Erlösung in Aussichtstellte. Doch auch unter den Herrschern und Adeligen in den Städten fand die neue, so wunderbar logische und klare Lehre bald viele Anhänger, ebenso wie unter den Handwerkern und Kaufleuten (die nichts dagegen hatten, keine teuren Opfer mehr finanzieren zu müssen!). In vielen Gegenden waren Klöster gegründet worden, und die neue Religion breitete sich von ihrem Ursprungsland Magadha in alle Himmelsrichtungen aus. Doch je mehr Köche in der Suppe rühren, desto undefinierbarer wird ihr Geschmack! So kam es, daß die Theravada-Anhänger und die Mahasanghika-Vertreter sich in die Haare gerieten (obwohl sie Glatze trugen),was die Rigidität der Ordensregeln betraf. Besonders in der Stadt Vaishali wollte man etwas lockerere Regeln formuliert haben. Beispielsweise, daß die Mönche etwas Salz aufbewahren durften. Oder nach der Mittagsstunde Nahrung zu sich nehmen. Oder unterbestimmten Umständen Bettzeug, Matten und Kleider verwenden, deren Masse leicht von den Vorgaben abwichen. Wir sehen also: Nichts, was den Kern der Lehre gefährdet hätte.

Diese Theravada- Richtung war im Laufe der Jahrzehnte in eine FormdesAsketizismus verfallen, der den Charakter hart und unbarmherzig werden ließ. Und dies, wo doch Buddha selbst den Weg der Askese verworfen und stattdessen für den ‘goldenen Mittelweg’ plädiert hatte! Dieser Geist behinderte immer mehr den Unternehmungsgeist der Mönche und die Tatkraft, die notwendig sind, um die Hauptaufgabe des Ordens auszuführen – nämlich, die Verbreitung der buddhistischen Lehre.

Ein Grund für den Asketizismus lag in Arroganz und geistigem Stolz. Die Mönche betrachteten sich in ihrer erlauchten Abgeschiedenheit als besser als das übrige Volk. Und dieses elitäre Bewußtsein verleitete sie dazu, immer mehr Regeln aufzustellen, die immer schwieriger zu befolgen waren und sie immer mehr vom ‘gewöhnlichen’ Volk separierten. Der Buddhismus war aber gerade dadurch aufgefallen, daß er alle Menschen gleich behandelte, unabhängig von Geschlecht oder Kaste. Darauf pochten nun auch die Anhänger der neuen Richtung am Zweiten Konzil.

Die zehn Mönche aus West- und Ostindien, die am Konzil darüber zu entscheiden hatten, was von den Anträgen der ‘gemäßigten Buddhisten zu halten sei, brandmarkten diese als die „zehn Gesetzesbrüche“. Die Anträge wurden in Bausch und Bogen abgelehnt, und siebenhundert Mönche aufgefordert,eine Gruppenrezitation über die Sutren und Regeln der Disziplin abzuhalten, um den Entscheid zu bekräftigen. Solche Aktionen sind immer dann notwendig, wenn einem die Stimme des Gewissens eigentlich etwas anderes sagt, und man sie partout übertönen will. Denn Buddha hatte selbst darauf hingewiesen, wird berichtet, daß die Ordensregeln etwas verändert werden dürften und in manchen Fällen sogar ganz aufgegeben werden könnten – vorausgesetzt, die Ordensmitglieder könnten sich darüber einigen.

Die unterlegenen Mönche der Mahasanghika, des ‘großen Ordens’ dachten ihrerseits nicht daran, sich den Entscheiden der Vertreter der Theravada-Linie zu beugen. Nach Beendigung des Konzils riefen sie zehntausend Mönche zusammen und hielten ein eigenes Konzil ab, das als ‘Große Gruppenrezitation’ in die Geschichte eingegangen ist. In den folgenden hundert Jahren hielt der Teilungsprozeß an, bis es achtzehn Sekten gab, wovon zwölf zur Linie des Theravada und sechs zur Mahasanghika gehörten.

Während die Anhänger des Mahasanghika sich unter das Volk mischte, mit den Menschensprachen, ihre Sorgen anhörten und ihren buddhistischen Glauben förderten, isolierten sich die Theravada-Anhänger weiter in ihren Klöstern und verfielen einem kleinlichen Autoritätskult.

Trotz dieser geistigen ‘Fehden’ muß betont werden, daß keine der zwei Seiten je einen Versuch unternahm, die andere Seite zu belästigen, von der Anwendung von Gewalt ganz zu schweigen. Dies zeigt, wie sehr der Respekt und die Toleranz für das menschliche Leben den Geist des Buddhismus durchdringen.

Schon im 2. Jahrhundert begannen sich also die beiden großen Richtungen herauszukristallisieren, welche die weiteren zweieinhalbtausend Jahre des Buddhismus charakterisieren sollten: Auf der einen Seite der Theravada, der später den etwas verächtlichen Namen Hinayana (kleines Fahrzeug) erhielt, weil seine Anhänger lediglich an der eigenen Erleuchtung arbeiten. Zu den Ländern des Hinayana-Buddhismus gehören heute noch Thailand, Kambodscha, Laos, Sri Lanka und Burma.

Aus dem Mahasanghika sollte sich später die Mahayana -Richtung entwickeln („großes Fahrzeug“). Hier widmet sich der Gläubige nicht nur der eigenen Entwicklung, sondern er kümmert sich um seinen Nächsten und stellt die eigene Entwicklung hinten an zugunsten des Dienstes an den Menschen und der Verbreitung der Lehre. Daher der Name ‘großes Fahrzeug’: Es bietet nicht nur Platz für einen, sondern für eine ganze Schar von Menschenbrüdern, die der Mahayana- Buddhist auf seinem Pfade mitnimmt und betreut. Die nördlichen Gebiete – also China, Korea und Japan sowie Vietnam waren klassische Länder des Mahayana-Buddhismus, der somit heute fast verschwunden ist: In Japan hat der Shintoismus (Ahnengläubigkeit) wieder Überhand genommen; in China, Korea und Vietnam war es der Kommunismus, der die Austreibung des Glaubens betrieb. Daher haben wir heute ein etwas verfälschtes Bild vom Buddhismus als einem streng rationalen, zurückgezogenen Weg der Einkehr und der Meditation, die irgendwann zur Erleuchtung führen–und das einzig, weil der Mahayana-Buddhismus nicht mehr richtig gelebt wird. Er dürfte aber den Vorstellungen Buddhas stärker entsprochen haben als die eher ichbezogene Lehre des Theravada/Hinayana.

Wenn Könige nach dem Dharma regieren...

...dann kommen wir der idealen Regierung schon sehr nahe. König Ashoka, der im 3. Jahrhundert vor Christus über das Reich der Maurya regierte, wurde vom britischen Dichter H. G. Wells als „einer der größten Herrscher, den die Welt je gesehen hat“ tituliert. Auch Graf Coudenhove-Kalergi, einer der Architekten des Vereinten Europas, äußerte einmal, er betrachte Ashoka als jemanden „der unter allen Herrschern der Weltgeschichte hohen Respekt verdient.“ Und der englische Biologe J.B.S. Haldane bemerkte, er wünschte sich, zur Zeit Ashokas auf dieWelt gekommen zu sein.

Wer war Ashoka? Die Legende berichtet uns eine hübsche Geschichte. Shakyamuni (der Buddha) soll einmal, als er bettelnd durch die Außenbezirke von Rajagaha ging, auf zwei kleine Jungen gestoßen sein, die im Sand spielten. Die Knaben bemerkten die sogenannten ‘Zweiunddreißig unterscheidenden Merkmale eines großen Mannes’, die der Buddha besessen haben soll, und entschieden sich, ihm ein Opfer darzubringen. Sie formten Kuchen aus Sand und legten sie Shakyamuni in die Bettlerschale. Einer von ihnen faltete zum Zeichen der Verehrung seine Hände. Shakyamuni, der Buddha, nahm die Gabe der Sandkuchen mit einem Lächeln entgegen. Der Jünger Ananda, der ihn begleitete, fragte ihn, wieso er lächle. Er antwortete: „Ich habe Grund zu lächeln, Ananda, und du sollst wissen warum. Einhundert Jahre nach meinem Tod wird dieser Junge in Pataliputra ein Chakravarti- König werden, der über alle Gebiete herrschen wird. Sein Name wird Ashoka sein, und er wird durch das wahre Dharma (kosmisches Gesetz) regieren. Außerdem wird er meine Überreste überallhin verteilen, er wird vierundachtzigtausend Stupas zu Ehren des Königs des Dharmas errichten, und er wird zahllosen Menschen Wohlergehen bringen.“

Ashoka also regierte über das Reich Maurya, das nicht nur das ganze heutige Indien umfaßte, sondern auch nach Sri Lanka im Süden und in die Gebiete der griechischen Staaten im Westen reichte–alles Gebiete, in denen der Buddhismus eingeführt wurde.

König Ashoka soll um 272 v.Chr. den Thron bestiegen haben, regierte bis 236v. Chr.und starb ca. 231. Sieben Jahre nach der Thronbesteigung trat er zum Buddhismus über und wurde ein upasaka – ein männlicher Laiengläubiger. Anfänglich scheint es ihm mit der Lehre nicht sehr ernst gewesen zu sein, denn der Buddhismus verbietet jegliches Töten – Ashoka jedoch fiel im neunten Jahr seiner Herrschaft in den Staat Kalinga ein (heutige Region Orissa). Er tötete einige Hunderttausend Menschen, nahm weitere Hundertfünfzigtausend gefangen und verschleppte sie. Gemäß einer Inschrift soll ihn jedoch der Anblick von Leid und Tod so sehr erschüttert haben, daß er gelobte, nie mehr in den Krieg zu ziehen.

Und dieses Gelübde hielt er dann auch während der übrigen dreißig Jahre seiner langen Herrschaft. Kein leichtes Unterfangen, wenn man bedenkt, daß 118 Stämme in den verschiedenen Teilen Indiens lebten, die durchaus streitlustig waren. So war denn seine lange Herrschaft zu jeder Zeit gefährdet. Vermutlich ist es der tiefen Menschlichkeit seiner Herrschaft zu verdanken, daß sie doch so lange unangefochten dauern konnte.

„Alle Menschen sind meine Kinder. So wie ich meinen Kindern nur Wohlergehen und Glück auf dieser und in der nächsten Welt wünsche, so wünsche ich dies allen Menschen.“ An die besonders kämpferischen Völker der Grenzgebiete schrieb er: „Ich möchte, daß die Völker der Grenzgebiete frei von Furcht vor mir sind. Ich möchte, daß sie mir vertrauen und nur Wohlergehen, aber keine Mühsal aus meinen Händen erhalten. Sie sollen folgendes verstehen: ‘Der König wird alles für ihr Heil auf sich nehmen. Wenn sie meine Lehren befolgen und den Dharma praktizieren, dann werden sie in dieser Welt und in der nächsten sicherlich Glück und Wohlergehen erfahren.’“