Die Tücken des Novel Food

"Gentech-Nahrungsmittel sind sicher." Dies ist die Devise so mancher Gesundheitsbehörde – allen voran der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Enthüllungen interner FDA Unterlagen offenbaren nun aber: Die Aussage ist unhaltbar. Gegen die FDA wurde deswegen eine Klage eingereicht. Doch die Behörde lügt weiter.

Unser erstes Gebot lautet: Der einfache Frosch darf nie, niemals erfahren, daß die Froschstaatlichen Institutionen die Rechte und Gesundheit ihrer feuchtgrünen Bürger und Teichbewohner nicht länger schützen, sondern den Interessen einzelner klebriger Machtgruppen opfern. Leider geht das nicht ohne Verschleiern, Beschwichtigen, Lügen. Die Frösche sollen ja nicht um ihren hart verdienten Schlaf gebracht werden.

Problematisch sind allerdings die unverbesserlichen Quaker, die sich einfach nicht mit hochoffiziellen Quaks zufrieden geben wollen und immer weiter quaken, weil ihnen unsere wohlmeinenden, beschwichtigenden Quaks nicht genügen. Glücklicherweise sind solche Störenfriede selten. Sonst stünde der gesamte Teichfrieden auf dem Spiel.

Und doch... Man sollte ihnen das Denken aberziehen, zumindest das selbständige. Denn zwei, drei Querulanten können ausreichen, um eine ganze Sippe in Aufruhr zu bringen.

Gut, zuerst beachten wir die großmäuligen Quer-Quaker ja gar nicht. Sollen sie doch ihren Sturm in der Pfütze entfachen. Was kümmert's uns stolze Herren des Teiches? Unsere Beschwichtigungsparolen werden zum Glück lautstark von den Froschmedien nachgequakt. In diesem orchestrierten Lärm verhallen dann solch kompromittierende Unkenrufe ungehört. Meistens jedenfalls. Sollten trotz allem unanständig viele Frösche in das ungebührliche neue Lied einfallen, müssen wir selbstverständlich eingreifen. Die Harmonie im Teich darf nicht gestört werden. Das will niemand. Selbst die Frösche nicht, und deshalb erweisen wir ihnen damit sogar noch einen Dienst.

Jetzt sind unsere Stimmbänder gefragt. Wir hieven uns aus unseren bequemen Ruheplätzen empor und quaken unmißverständlich und deutlich, was die Froschmedien in unserem Auftrag schon lange vorquaken: Beruhigt euch! Es ist alles unter Kontrolle! Wir nehmen eure Besorgnis ja sehr ernst - obwohl es wirklich nichts Beunruhigendes gibt, quak! Glaubt ihr wirklich, wir würden irgend etwas in den Teich lassen, was euch Frösche gefährden könnte? Quak! Quak! Wie dumm von euch! Ihr wißt doch, daß uns euer Wohl das Wichtigste ist. Quak!

Selbstverständlich darf man gemeinen Fröschen nicht einfach so mit der Wahrheit kommen. Die Wahrheit ist komplex, vielschichtig. Weshalb sie sehr leicht mißverstanden wird. Vor allem aus der Froschperspektive.

Je weniger Frösche die ganze Wahrheit kennen, desto weniger unnötige Probleme können uns entstehen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß - und welcher Frosch will schon gern als gebratener Froschschenkel enden?

Leider müssen wir feststellen, daß sich die Unkenrufe trotz allem mehren. Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als diese ungesunden Auswüchse einer falsch verstandenen Meinungsfreiheit mit anderen Mitteln auf ein gesundes Maß zurückzustutzen. Ich denke da beispielsweise an eindringliche Appelle, die wir an die versammelte Froschnation richten werden, worin wir den guten, aber etwas naiven Fröschen darlegen, weshalb die Querquaker so gefährlich - so extremistisch - sind. So sektiererisch.

Begriffe, die zwar völlig ungenau, aber gerade deshalb so ungemein wirkungsvoll sind.

Wir werden unseren Fröschen erzählen, das Gebaren solcher Sektierer und Extremisten werde unversehens den Storch zum Teich locken. Das wird sie so sehr in Angst versetzen, daß sie gar nicht mehr auf die Idee kommen zu fragen, warum eigentlich. Und wir-einmal mehr-präsentieren bereits die Lösung des Problems: Schärfere Gesetze, härtere Strafen. Wenn nötig, sogar ein Quakverbot für die ganz renitenten Querquaker.

Dann wird wieder Ruhe einkehren und einträchtiger Frieden unter den Fröschen herrschen, und wir Kröten können uns rühmen, die Jungfräulichkeit der Wahrheit ein weiteres Mal vor den Blicken Unbefugter bewahrt zu haben.

Beschleunigte Ausbreitung der Gentech- Pflanzen

Solche 'Kröten' gibt es auch im Menschenreich. Deutlich führt uns das die amerikanische Zulassungsbehörde für Lebensmittel FDA (Food and Drug Administration) vor. Uneinsichtig und stur tritt diese staatliche Behörde für die Interessen der Novel Food-Hersteller ein und nimmt dafür sogar in Kauf, die Öffentlichkeit zu belügen.

Am 29. Mai 1992 erklärte die FDA nämlich offiziell, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel seien unbedenklich und legte fest, daß keine Sicherheitsuntersuchungen erforderlich seien. Interne Berichte von FDA-Wissenschaftlern redeten indes eine ganz andere Sprache, wie allerdings erst 1998 bekannt wurde.

So erstaunt es nicht, daß die FDA in den USA bereits 1994 zehn transgene Pflanzen für den uneingeschränkten landwirtschaftlichen Anbau zuließ. Darunter Baumwolle, Tabak und Soja, die Kartoffel und die Tomate.

1999 hat sich die gesamte Anbaufläche von gentechnisch hergestellten Pflanzen in einem Jahr auf knapp 28 Millionen Hektar verdreifacht. Das entspricht der Fläche von Großbritannien und Belgien zusammen. Im Jahr 2000 werden allein in den USA auf 26 Millionen Hektar Boden genmanipulierte Pflanzen angebaut.

In Europa verzehrtes Soja, das als Lezithin in fast allen industriell gefertigten Nahrungsmitteln vorhanden ist und als Kraftfutter an die meisten Kühe verfüttert wird, stammt zu 90 Prozent aus den USA. Amerikanisches Soja ist zur Hälfte genmanipuliert; ebenso amerikanische Baumwolle. US-Mais stammt bereits zu einem Drittel von transgenen Pflanzen. Wir alle nehmen also schon genmanipulierte Nahrung zu uns - ob wir es wissen oder nicht.

Wobei dieses Unwissen ganz nach dem Sinne der Biotech-Industrie und der ihr zudienenden Politik ist. Der renommierte Molekularbiologe Prof. Dr. John Fagan spricht denn auch das Offensichtliche aus: "Die Tatsache, daß die Industrie ihre Produkte nicht kennzeichnen will, zeigt deutlich, daß sie selber kein Vertrauen in ihre Produkte hat."

Wie der Londoner Guardian im Frühling dieses Jahres publizierte, setzte US-Präsident Clinton die britische Regierung im Jahr 1998 massiv unter Druck, um Großbritannien und damit die EU für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel aus den USA zu öffnen. Clinton bemängelte nicht nur die schleppende Zulassung des Novel Food, sondern auch die Kennzeichnung von genmanipulierten Nahrungsmitteln an sich. In den entsprechenden Protokollen steht: "Die USA sehen keinen Grund, ein Produkt einfach deshalb zu kennzeichnen, weil es gentechnisch verändert wurde. Eine Kennzeichnungspflicht von gentechnisch veränderten Organismen sollte auf solider Wissenschaft basieren." Und da diese keine Gründe zur Besorgnis liefern, sei eine Kennzeichnung auch nicht notwendig.

Klage gegen die FDA

Doch Bill Clinton wußte mehr als er sagte - beispielsweise, daß am27.Mai desselben Jahres gegen die amerikanische Zulassungsbehörde FDA Klage eingereicht worden war. Weil ihre Prüfkriterien für Novel Food eben gerade nicht auf "solider Wissenschaft basieren".

Noch heute, zweieinhalb Jahre später, haben die meisten Amerikaner kein Wort von dieser Klage vernommen. Und in Europa? Ein paar querquakende Frösche vielleicht. Dabei gibt es wohl kaum Klagen von einer ähnlichen Brisanz, sowohl den Inhalt wie die Beklagten betreffend. Immerhin wird einer Bundesbehörde Gesetzesbruch vorgeworfen und der US-Regierung eine grobe Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Pflichten.

Hinter der Klage stehen zwei Verbraucherorganisationen, fünfzehn führende Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Religion und - besonders gefährlich - neun hochkarätige Wissenschaftler. Sie beschuldigen die FDA, bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen Fakten falsch dargestellt und die Warnungen von Wissenschaftlern bezüglich Novel Food unterdrückt zu haben.

Federführend in dieser Klage ist die Allianz für Bio-Integrität, mit deren geschäftsführendem Direktor Steven M. Druker die ZeitenSchrift gesprochen hat: "Die FDA hat ohne jeden Zweifel auf schlimme Weise US-Gesetze gebrochen und die Öffentlichkeit während mindestens acht Jahren belogen!"

Woher Druker das weiß? Aus über 44'000 Seiten interner FDA-Dokumente, die dem Jurist im Laufe des Gerichtsverfahrens von der Bundesbehörde vorgelegt werden mußten. Darin steht nämlich schwarz auf weiß, daß manche FDA-Wissenschaftler eindringlich vor den Gefahren des Novel Food warnen. Doch mit ihrer entgegengesetzten Politik ist die FDA laut Druker "willkürlich ein enormes Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung eingegangen, um den kommerziellen Interessen der Biotech-Industrie zu dienen. Die USA setzten falsche und auf gefälschten Darstellungen beruhende Maßstäbe für die Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen, welche von Großbritannien, der EU und vielen anderen Ländern ohne Kenntnis der wahren Fakten übernommen werden."

Nichtwissen ist Ohnmacht.