Eheglück: Einmal lebenslänglich, bitte!

Lesen Sie hier welche sieben Geheimnisse John Gottman nach jahrzehntelangen Untersuchungen des Ehealltags fand, die das vor dem Altar versprochene 'Lebenslänglich' zur Freude statt zum Frust werden lassen.

Ist es nicht erstaunlich, wie viele Menschen sich Jahr für Jahr freiwillig lebenslänglich ‚in Ketten legen‘ lassen, und dies auch noch als den ‚glücklichsten Tag ihres Lebens‘ bezeichnen? Hollywood weiß nämlich schon, weshalb seine Filme immer mit der romantischen Abfahrt des Hochzeitspaares in die Flitterwochen enden. Denn kaum verheiratet, erwachen viele in einer Realität, die so gar nichts gemein hat mit ihren romantischen Träumen von 'vor dem lebenslänglich'.

Ich geb' ja zu, diese Sätze sind zum einen zynisch und zum andern so optimistisch wie ein Weltuntergangsprophet. Doch Tatsache ist mittlerweile einfach, daß zwei von drei Ehen nicht mit dem Tod enden, sondern mit dem Termin vor dem Scheidungsrichter. Und dachten diese Paare nicht auch (fast) alle vor dem Traualtar, den Fahrschein zum ewigen Glück gelöst zu haben? Die große Liebe des Lebens zu ehelichen? Zu den 33 Prozent zu gehören, denen es ganz gewiß nicht passieren würde, daß ihr Traum vom lebenslangen Glück zu zweit in einer alleinerziehenden Mutter und einem Alimente zahlenden Vater enden würde?

Woran liegt es also, daß das gefährlichste Raubtier auf Erden- der schnöde Alltag- so viele Ehen zu fressen vermag? Wie kann aus einem Paar, das auf Wolke 17 schwebte, binnen weniger Jahre (und das sogenannt ‚verflixte siebte Jahr‘ findet heute in den meisten Ehen schon im dritten statt) eine keifende Streitgemeinschaft werden - oder aber zwei einsame Leute auf zwei Klippen, zwischen denen eine weite, scheinbar unüberbrückbare Kluft gähnt?

Es muß da also etwas geben, heimtückisch wie eine Mottenplage, das unerkannt in unserer Beziehungskiste sich einnistet und das Gewebe der Liebe zerfrißt, Tag für Tag mehr - bis es eines Tages auseinanderfällt. Aber was?

John M. Gottman, Mitbegründer des Seattle Marital and Family Institute ist es gelungen, dieses heimtückische 'Etwas' mit wissenschaftlicher Klarheit zu ermitteln. Gottman ist Professor für Psychologie an der University of Washington – einer Wissenschaft also, die (wie wir in Zeiten- Schrift 26 darlegten) gemeinhin nicht durch exakte Wissenschaftlichkeit zu überzeugen vermag. Anders Gottman. Während sechzehn Jahren führte er die aufwendigste und innovativste Forschungsreihe über Ehe und Scheidung durch, die es je gab. Er beobachtete in diesem Zeitraum 700 Paare und ihr Verhalten. "Mein Ziel war kein geringeres, als die Wahrheit über die Ehe herauszufinden, um endlich die Fragen beantworten zu können, die uns schon so lange beschäftigen: Warum ist es manchmal so schwer, verheiratet zu sein? Warum funktionieren manche Beziehungen einfach ein Leben lang, während bei anderen der Zeitzünder zu ticken scheint? Und wie kann man verhindern, daß eine Ehe scheitert, oder wie kann man eine retten, die bereits auf der schiefen Ebene ist?"

Gottman gelang dies mit durchschlagendem Erfolg. Er hat eine wesentlich höhere 'Rettungsquote' für angeschlagene oder bereits als gescheitert betrachtete Ehen als jeder andere Ehetherapeut in den USA. Bei herkömmlichen Ehetherapien lassen sich 30 bis 50 Prozent der therapierten Paare schließlich doch scheiden; bei Gottmans Therapie nur 20 Prozent. Er hat nicht nur genau analysiert, was eine Ehe auf die abwärtsführende Bahn geraten läßt, sondern er hat auch Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe formuliert (erschienen im Marion von Schröder Verlag, siehet Buchmarkt).

Gottmans Beobachtungen und wissenschaftlichen Analysen von Ehepaaren (die sich dazu bereit erklärten, sich ein Wochenende ins 'Ehelabor' zu begeben, wo ihr Verhalten von Kameras aufgezeichnet wurde) erlaubt es ihm mittlerweile, mit 91prozentiger Trefferquote bereits nach fünf Minuten zu prophezeien, ob die Ehe lebenslänglich halten wird oder nur temporär.

Sein Fazit klingt äußerst banal, scheint es aber nicht zu sein, wie die schwindelerregend hohen Scheidungsraten belegen. "Glücklich verheiratete Paare sind nicht klüger, reicher oder psychologisch gesehen raffinierter als andere", führt Gottman aus. "Aber sie haben in ihrem Alltag eine Dynamik entwickelt, die verhindert, daß die negativen Gedanken und Gefühle (die es bei allen Paaren gibt) die positiven überdecken. Sie führen, wie ich es nenne, eine von emotionaler Intelligenz getragene Ehe." Jedes Paar, das heiratet, sollte sich bewußt sein, daß die Fahrt in die Flitterwochen nicht das Happy End, sondern der Anfang der lebenslänglichen Arbeit ist. Eine glückliche Ehe bedeutet nämlich, sie zu hegen und zu pflegen. Fahrlässigkeit kann zum Entgleisen führen. Gleichgültigkeit ist der Wurm, der den Eheapfel frißt. Das Gefühl, es spiele keine Rolle, wie oft und hart man streite, wie man miteinander umgehe in all den alltäglichen Tagen ist der Schimmel, der eine Ehe faulig werden läßt - bis einer woanders frische Nahrung sucht. Achtsamkeit, Respekt und gegenseitige Unterstützung mögen wie ein allzu fades Rezept klingen, sind aber die Zutaten, die den Ehekuchen aufgehen lassen.

"Einer der traurigsten Gründe, warum eine Ehe stirbt, ist, daß keiner der Partner ihren Wert erkennt, ehe es zu spät ist", betont Gottman. "Eine gute Ehe wird viel zu oft als selbstverständlich hingenommen, anstatt daß man ihr die Nahrung und den Respekt gewährt, den sie verdient und unbedingt braucht." Mittlerweile ist wissenschaftlich erwiesen, wie verletzend sich eine Scheidung auf alle Beteiligten - Eltern wie Kinder auswirkt. Unglücklich Verheiratete oder Geschiedene haben eine um vier Jahre verminderte Lebenserwartung und ein 35 Prozent höheresErkrankungsrisiko. Das Immunsystem glücklich Verheirateter ist wesentlich besser. Kinder aus zerbrochenen oder unglücklichen Ehen schwänzten im Vergleich zu ihren gleichaltrigen Kameraden aus harmonischen Ehen viel öfter die Schule, litten an Depressionen, wurden häufiger von ihren Mitschülern abgewiesen, zeigten Verhaltensstörungen (besonders Aggressionen) und schnitten schulisch schlechter ab - wenn sie nicht sogar ganz scheiterten.

Den Garten der Ehe zu pflegen, solange er noch blüht, ist also sehr weise. Denn hinter dem Horizont lauern die apokalyptischen Reiter, die, wie Gottman herausfand, jeglichen Frieden aus dem einstigen Eheparadies vertreiben.

Erst aber räumt Gottman mit einigen Mythen über die Ehe auf:

1. Daß das Erlernen von konfliktbewältigender Kommunikation der goldene Weg zur Liebe und funktionierenden Ehe sei. Ein völliger Fehlschlag, wie Dr. Kurt Hahlweg in einer Studie herausfand. Denn der Ehemann, die Ehefrau ist kein unbeteiligter Therapeut, der zuhört, sondern der/diejenige, die angegriffen wird. Gottman: "Das aktive Zuhören verlangt von Paaren, Gymnastik auf olympischem Niveau zu betreiben, während ihre Beziehung doch kaum mehr kriechen kann." Das Pflänzchen Liebe keimt dadurch schon gar nicht wieder auf. Paare können sich immer wieder anschreien und doch eine gute Ehe führen. "Eine erfolgreiche Konfliktbewältigung ist nicht das, was eine Ehe gutmacht", folgert Gottman daher.

2. Neurosen oder Persönlichkeitsprobleme zerstören Ehen. Falsch, sagt Gottman. Jeder hat seine 'verrückten' Seiten. "Der Schlüssel zu einer glücklichen Ehe ist nicht, eine 'normale' Persönlichkeitsstruktur zu besitzen, sondern jemanden zu finden, der zu einem paßt.

3. Gemeinsame Interessen halten zusammen. Muß nicht sein, sagt Gottman, denn wenn zwei beim gemeinsamen Hobby einander dauernd niedermachen, hat das eine zersetzende und nicht verbindende Wirkung auf ihre Beziehung.

4. Eine Hand wäscht die andere. Manche Forscher glauben, eine Ehe sei dann gut, wenn jedes freundliche Wort, jede hilfreiche Tat vom Partner 'zurückgezahlt' wird. "In Wirklichkeit ist es aber die unglückliche Ehe, in der dieses Prinzip des Aufrechnens praktiziert wird", sagt Gottman. "Glückliche Ehepartner rechnen nicht auf, ob der andere das Geschirr spült, wenn der eine das Essen gekocht hat. Sie kochen für den anderen, weil sie ihm und ihrer Partnerschaft gegenüber grundsätzlich ein gutes Gefühl haben."

5. Affären sind die Hauptursache für Scheidungen. Irrtum. Affären sind meist ein Zeichen, daß etwas in der Ehe nicht stimmt - also die Folge, nicht die Ursache. Meist sucht man in einer außerehelichen Beziehung nicht in erster Linie Sex, sondern Freundschaft, Unterstützung, Verständnis, Respekt, Aufmerksamkeit, Fürsorge und Interesse - und dies, weil man sie innerhalb der Ehe nicht mehr bekommt.

Die perfekte Verbindung, in der einer zum andern paßt wie der Deckel auf den Topf, gibt es nicht. Oder kaum. Glückliche Ehen hatten genauso wie die unglücklichen ihre Konflikte zu bewältigen, und ihre Partner manchmal sehr unterschiedliche Ansichten über Geld, Arbeit, Kinder, Sex, Haushalt und so weiter." Das Geheimnis lag aber darin, wie sie so sicher durch diese Schwierigkeiten hindurch navigierten und ihre Ehen dabei glücklich und stabil erhielten", schreibt Gottman in seinem sehr empfehlenswerten Buch.

Erst wollen wir aber einen Blick auf jene Faktoren werfen, die zu den Feinden des Eheglücks zählen.

1. Ein grober Auftakt der Diskussion

"Es ist der Ton, der die Musik macht"- und so ist es auch bei Auseinandersetzungen. Beginnen sie mit rüden Rundumschlägen, hinterhältigen Gemeinheiten oder pauschalen Verurteilungen, die in keinem Verhältnis zum Objekt des Streites stehen, verbergen sich sehr negative, zersetzende Gefühle dahinter. Gefühle, die den Partner und die Verbindung als ganzes in Frage stellen - und die die vier apokalyptischen Reiter auf den Plan rufen.

2. Die vier apokalyptischen Reiter

"Es gibt bestimmte Formen von Negativität, die sich, wenn ihnen freier Lauf gelassen wird, auf eine Beziehung derart tödlich auswirken können, daß ich sie 'die vier apokalyptischen Reiter' zu nennen pflege", schreibt Gottman. Meist kommen diese vier Reiter in der folgenden Reihenfolge in das Zentrum einer Ehe getrampelt: Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern.

Leserstimmen zum Artikel

Herzlichen Glückwunsch! Ich bin eine seit über 30 Jahren glücklich verheiratete Frau, und hoffe dies auch bis an mein Lebensende zu bleiben. Dieser Artikel zeigt: Es fängt im Kleinen an, bei jedem selbst, damit es auch im Grossen funktionieren kann.

Inge W., D-München