In unseren Gedanken schlummern ungeahnte Kräfte. Sie haben das Universum und alle manifestierte Form erschaffen und können unser Leben von Grund auf verändern - wenn wir richtig mit ihnen umgehen. Wir müssen lernen, so zu denken, wie Gott denkt.
Ich denke, also bin ich". So berühmt dieser Ausspruch des französischen Denkers René Descartes auch sein mag - er geht dennoch an Krücken. Denn die Fähigkeit zum Denken ist in der menschlichen Evolution eine eher junge Errungenschaft. Millionen von Jahren davor gabes Menschen, die mit dem Göttlichen inniger verbunden waren, gerade weil ihr Intellekt noch tief im Traumbewußtsein schlummerte. Denn das, was für Descartes der Beweis der Existenz war, und was die Menschen unwiderruflich von Tier, Pflanze und Mineral unterscheidet, handhaben sie noch wie die Zauberlehrlinge, nach dem Motto "...denn sie wissen nicht, was sie tun".
Die wohl gewaltigsten Beweise für die Macht (allzu) menschlichen Denkens werden uns in den letzten Jahren immer häufiger und immer schmerzlicher präsentiert. Sie äußern sich als Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche, Dürren und Wirbelstürme. Naturkatastrophen sind eine direkte Folge mißqualifizierten menschlichen Denkens, und statt sich jedesmal, wenn solch eine Katastrophe wieder Menschenleben forderte, im Selbstmitleid zu suhlen, würde es von weit reiferem Verhalten zeugen, einmal darüber zu reflektieren, was der Mensch falsch macht, daß die Natur so sehr außer Rand und Band gerät.
Wie gesagt, schlummerte der Same des Denkens im frühgeschichtlichen Menschen über unendlich lange Zeiträume unerweckt dahin. Dann, plötzlich, in der Zeit des alten Atlantis, ertönte der Weckruf. Zuvor war der Mensch ein reines Begierden- und Gefühlswesen gewesen (nachdem er seinen Zustand ursprünglicher Unschuld und Reinheit durch den 'Sündenfall', siehe ZS 16, verloren hatte). Doch nun zeigte der Zeiger der Weltenuhr an, daß die Zeit gekommen war, da er beginnen sollte, sich den Kopf zu zerbrechen über Sein oder Nichtsein, über Ursache und Wirkung, über Sinn und Zweck - und solcherart aus den anfänglichen Bruchstücken seiner Erkenntnis schließlich die großen Geheimnisse der schöpferischen Gesetze erkennen und handhaben lernen.
Wie so manches Experiment mißglückte auch dieses erst einmal gründlich. Max Heindel erzählt in seinem Buch Die Rosenkreuzer-Weltanschauung, wie zur Zeit der semitischen 'Rasse' (welche die fünfte Lebenswoge des atlantischen Zeitalters darstellte) dieser Same des Denkens ins Leben gerufen wurde - und, da das Göttliche im Menschen damals außerordentlich schwach, die Begierdennatur dafür umso stärker war, sich der werdende Intellekt (entgegen dem Plan) mit dem Empfindungsleib verband, "was", so Heindel," die Fähigkeit der Schlauheit ergab, welche die Grundursache zu aller Bosheit des mittleren Drittels der atlantischen Epoche war." In der Zeit ihres Niedergangs war die atlantische Gesellschaft einem raffgierigen Materialismus verfallen. Heindel führt aus: "Durch den Intellekt beherrschten die ursprünglichen Semiten ihre Begierden einigermaßen. Statt der bloßen Begierden kam aber Schlauheit auf, durch die sie ihre selbstsüchtigen Ziele zu erreichen suchten. Obwohl sie ein unruhiges Volk waren, lernten sie, ihre Leidenschaften in großem Maße zu beherrschen und ihre Zwecke durch Schlauheit zu erreichen, die feiner und wirksamer ist als die brutale Kraft. Sie waren die ersten, die entdeckten, daß das Gehirn der Muskelkraft überlegen ist."
Die neu erwachende Denkfähigkeit forderte ihren Tribut. Der Mensch verlor seine Macht über die Naturkräfte. War es dem Unschuldigen im längst zerronnenen 'Goldenen Zeitalter' möglich gewesen, Engel und Naturgeister zu sehen und brüderlich mit ihnen zu existieren, so durfte er später noch immer gewaltige Kräfte lenken. Die Monumentalbauten, die wir heute als 'prähistorische Wunder' bestaunen, sind ein Zeugnis dafür, daß der Mensch der Frühzeit Kräfte wie Dematerialisation und Levitation beherrschte. Anders läßt sich der Bau der Pyramiden oder alter Kultstätten wie Stonehenge nicht erklären. Doch nun, da ihm der Zauberstab des Intellekts verliehen wurde - einer Geisteskraft, die sich den Himmel, aber auch die Hölle ausdenken konnte, wurde ihm jene Macht über die Materie genommen, und auch sein geistiges, sein 'drittes Auge', mit dem er die feinstofflichen Welten hatte wahrnehmen können, schloß sich. Gott sei Dank, seufzen wir. Sein entfesselter, gottloser Intellekt, gepaart mit unermeßlicher Macht über die Kräfte der Natur und die Materie hätten sonst dem Leben auf dieser Erde schon längst ein Ende bereitet. Hat der Mensch dereinst gelernt, Herr über seine Gedanken und Gefühle zu sein, und diese nur konstruktiv zu verwenden, wird er jene Kräfte zurückerlangen - und der Errichtung eines 'Paradieses auf Erden' steht dannzumal nichts mehr im Wege.
Es ist wichtig, sich dessen bewußt zu sein, daß 'der Mensch' nicht ein feststehendes, patentiertes Produkt ist. Genauso, wie wir gegenwärtig auf Erden Menschen ganz verschiedener Prägung haben- den sehr archaisch lebenden Ureinwohner Papua-Neuguineas oder australischen Aborigines ebenso wie den intellektbetonten Nordamerikaner und all die Abstufungen zwischen diesen beiden Extremen - genauso veränderte sich auch die Menschheit als Ganzes im Laufe der Zeitalter fundamental. Der jetzige Mensch stellt keineswegs die 'Krone der Schöpfung' dar. Der Mensch der Zukunft wird nämlich nicht nur über entwickelte Instinkte, einen gut trainierten Intellekt, sondern auch über eine unfehlbare Intuition und größtmögliche Fähigkeit zur Inspiration verfügen. Er wird wieder hellsehend werden und auf den Menschen des 21. Jahrhunderts blicken wie ein heutiger amerikanischer Gelehrter auf ein Mitglied des Pygmäenvolkes - mit dem Unterschied, daß im Pygmäen von heute entschieden mehr Unschuld und Naturverbundenheit ruht als in der ach so kultivierten 'Elite' der Zivilisation.
Der Rosenkreuzer Max Heindel nennt vier Phasen der 'Erziehung' des Menschheitsgeschlechts:
1. Man arbeitet von außen am Menschen, ohne daß er sich dessen bewußt ist (hyperboreisches und lemurisches Zeitalter).
2. Er wird unter die Führung göttlicher Botschafter und Könige (oft von der Venus stammend) gestellt, die er sieht, und deren Befehlen er gehorchen muß (Atlantisches Zeitalter).
3. Er wird gelehrt, die Befehle eines Gottes, den er nicht sieht, zu befolgen (Vergangene zwölftausend Jahre; also die nachatlantische Zeit).
4. Schließlich lernt er, sich über die Befehle zu erheben, indem er selbst zum Gesetz wird, und indem er sich aus eigenem freien Willen besiegt, in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur lebt, welche die Gesetze Gottes sind (unsere Zukunft, die jetzt keimhaft beginnt).
Damit einhergehen die vier Stufen seiner Gottesverehrung. Ganz zuerst
1. verehrt er Gott, den er zu fühlen beginnt, aus Furcht. Er bringt ihm wie ein Fetischanbeter Opfer dar, um diesen bösen, zornigen, zu fürchtenden Gott zu versöhnen.
2. lernt er Gott als den Spender aller Dinge erkennen und hofft, von ihm hier und jetzt materielle Wohltaten zu erlangen. Er opfert aus Geiz und erwartet, daß der Herr ihm sein Opfer hundertfach vergelten werde. Ebenso, daß er dadurch geschickt den Bestrafungen durch Seuchen, Krieg etc. entrinnen könne.
3. lernt er, Gott durch Gebete und durch ein gutes Leben zu verehren. Er muß den Glauben an einen Himmel pflegen, indem er in Zukunft belohnt werden soll. Er muß sich des Bösen enthalten, um so zukünftigen Höllenstrafen zu entgehen.
4. gelangt er endlich an einen Punkt, an dem er ohne irgendeinen Gedanken an Belohnung, Bestechung oder Strafe Gutes tun kann. Er tut nun das Gute einfach deshalb, weil es richtig ist, recht zu tun.
Heindel: "Die ursprünglichen Semiten hatten den zweiten Schritt erreicht, das Christentum die dritte Stufe. Die esoterischen Christen und Schüler aller okkulten Schulen versuchen nun, den höchsten Grad, die vierte Stufe, zu erlangen. Dann", so Heindel, "wird die vereinigende christliche Religion die Herzen der Menschen öffnen, so wie jetzt ihr Verständnis geöffnet wird."
Das Erklimmen dieser Stufe hat direkt mit Erkenntnis zu tun. Mit dem Denken. Der Mensch tut nicht einfach, weil ihm so geheißen wird und nicht anders kann, sondern weil er die große Freiheit der Wahl erhalten und durch ihre Handhabung gelernt hat, selber Gut von Böse zu unterscheiden, die Spreu vom Weizen zu trennen - und sich entschieden hat, Weizen zu sein.
Sehen wir es nüchtern: Die Erde biegt sich noch nicht unter Weizenfeldern; aber die Spreu, die droht sie manchmal zu ersticken. Auch wenn die ganz großen Schwarzmagier vom Erdboden vertrieben worden sind, wird weiterhin täglich am Leichentuch der Menschheitsentwicklung gestrickt. Sie wissen schon - das Fernsehen, die allgegenwärtige Darstellung aller Greuel und menschlichen Mißschöpfungen, die systematische Züchtung von Gier und Skrupellosigkeit, der Wildwuchs der Selbstsucht, die Netze des schönen Scheins halten Millionen von Menschen in düsteren oder oberflächlichen Massengedankenwelten gefangen.
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