Eine kleine Geschichte dessen, was seit dem Mittelalter den menschlichen Gaumen kitzelt und das Hirn aufklärt oder berauscht.
„Wir sind auf der Suche nach Christen und Gewürzen."
Eintrag in Vasco da Gamas Logbuch
Das Mittelalter hatte noch kein Rauschgift nötig. Wozu auch? Plätscherte doch das Alltagsleben wie ein gemächlicher Fluß dahin. Gearbeitet wurde höchstens an drei bis vier Tagen pro Woche, und gegessen reichlich. Die Frau des Meisters hatte von Gesetzes wegen mindestens fünfgängige Menüs für die Gesellen und Lehrlinge auf den Tisch zu bringen, und das Essen zog sich hin, bis weit in den Nachmittag hinein. Und fast jeder dritte Tag war ohnehin ein Feiertag; in Paris zählte man beispielsweise 103 davon!
Die ‘Droge' des Mittelalters waren die Gewürze. Denn wohl träumte man von fernen Welten, glaubte Hölle wie Paradies gleich hinter dem Meere angesiedelt – doch waren beide so unerreichbar wie heute (noch) der Mond. Man hatte keine Bilder, keine Erzählungen, keine Vorstellung vom Paradies. Alles, was man von ihm erhaschen konnte, war sein Geschmack. Es roch nach Muskat und Zimt und hatte die erregende Schärfe von Pfeffer. Ein ‘Pfeffersack' war das Wort für einen reichen Mann, denn zuweilen kostete der Pfeffer mehr als das Gold. Bis ins 15. Jahrhundert schwelgten wohlhabendere Haushalte in den Gewürzen; ja, man begrub das Fleisch völlig darunter. Eigentlich war es nur da, um den Gewürzen eine Grundlage zu bieten.
Für ein Gastmahl mit 40 Teilnehmern gibt ein spätmittelalterliches Haushaltsbuch als Gewürzverbrauch an: „Ein Pfund Colombine-Pulver... ein halbes Pfund gemahlener Zimt... zwei Pfund Zucker... eine Unze Safran... ein Viertelpfund Gewürznelken und Malagettapfeffer... ein Achtel Pfund Pfeffer... ein Achtel Pfund Galgantwurzel... ein Achtel Pfund Muskat... ein Achtel Pfund Lorbeer."
Gewürze gehören zu den vornehmsten Gaben. So erhält der König von Schottland, als er 1194 seinem Kollegen Richard I. von England einen Besuch abstattet, täglich zwei Pfund Pfeffer und vier Pfund Zimt zugewiesen. Statt eines Gläschens Sherry nimmt man nach dem Essen gleich nochmals ein paar Prisen Pfeffer, Zimt oder Muskat zu sich. Und auch die Weine des Mittelalters sind mehr Gewürzlaugen als Rebensäfte. Sie werden wie Tee mit den verschiedensten Ingredienzen aufgekocht und dann abgegossen.
Das Paradies liegt für den mittelalterlichen Menschen im Osten, im Orient. Dort herrscht auch die von Indien kommende Hochkultur: Die Mauren pflegen einen sehr viel verfeinerteren Lebensstil als die bäuerischen Europäer. Die Kreuzritter tragen die orientalische Kultur nach Mittel- und Nordeuropa, sie bringen den Teppich, das Sofa, den Baldachin, Seide, Samt, Damast und Taft – alles übrigens Wörter arabischen Ursprungs. Sie bringen aber auch das Zahlensystem und die astronomisch-nautischen Kenntnisse, welche den Seefahrern erst das Instrument gibt, sich von den sicheren Ufern weiter zu entfernen.
Der Hunger nach den fernen Luxusgütern ist die Triebfeder zur Errichtung des Fernhandels. Unsere ganze westliche Wirtschaft beginnt mit der Lust aufs Gewürz! Und je mehr Gewürze die Schiffe bringen, desto weiter verbreiten sie sich auch in die bürgerlichen Schichten hinunter.
Und es ist nicht zuletzt die Gier nach den Gewürzen, die einen Vasco da Gama auf die Meere hinaustreibt, und die Aussicht auf ein Gewürzmonopol, das Könige auch so kühne Visionäre wie einen Kolumbus finanzieren läßt. Und erst, als die Welt hinlänglich erkundet ist und man weiß, wie das Paradies aussieht, schwindet im17. Jahrhundert der Heißhunger auf die Gewürze.
Der Gaumen darf sich inzwischen anderer Kitzel erfreuen: Kaffee, Tee und Schokolade schicken sich an, europäischen Zungen zu schmeicheln.
„Der Kaffee muß heiß wie die Hölle, schwarz wie der Teufel, rein wie ein Engel, süß wie die Liebe sein."
Talleyrand
Es ist ein Augsburger Arzt namens Leonhard Rauwolf, der als einer der ersten anno 1582 von einem eigenartigen, im Orient genossenen Getränk berichtet. Es solle den ‘Gebresten des Ma-gens gar dienstlich' und schwarz wie Tinte sein. Doch auch die arabische Welt kannte den Kaffee als Genußmittel erst etwa seit dem 15. Jahrhundert. Zuvor war er lediglich als Medizin verwendet worden. Der Legende nach sollte Mohammed mit Kaffee von einer krankhaften Schlafsucht kuriert worden sein!
Erst Mitte des17.Jahrhunderts hat der Kaffee zusammen mit Schokolade und Tee seinen Auftritt in europäischen Häusern. Er hat einen größeren Einfluß auf die Ernüchterung des Abendlandes, als wir es heute ahnen. Denn, pardon, bevor der Kaffee dem Stand der Bürger einen klaren Kopf bescherte, duselte halb Europa wein- und bierselig vor sich hin. Vielleicht, könnte man kühn vermuten, hätte sich ohne den Auftritt des Kaffees die ganze industrielle Revolution verzögert, oder hätte der Rationalismus niemals in diesem Ausmaß seines Sieges zugangetreten. Denn was in den Jahrhunderten vor dem Kaffee gebechert wird, genügt, um ganze Völker in einem Halbrausch zu halten.
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