Verleihe deinem Traum Flügel!

Wie man in einer Zeit, die alles daran setzt, den Menschen zu veräußerlichen, seinen inneren Traum und damit Lebenssinn und Erfüllung finden kann.

Ausnahmslos jeder Mensch besitzt einen Traum, denn wir alle wurden mit einem Traum geboren, den Gott in unser Herz eingepflanzt hat." Der dies sagt, muß es wissen. Mit acht Jahren faßte Paul Probst den Entschluß, an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Damals gab es im Schweizer Bergkurort Davos im Tal noch keinen Fernsehempfang. "Also stiegen wir mit der ganzen Schule aufs Jakobshorn hinauf, um von dort oben drei Stunden lang eine Live-Übertragung der Olympischen Spiele von 1958 mitzuverfolgen."

An jenem Tag auf dem Jakobshorn dachte niemand, daß der kleine Paul einst unter den fünf olympischen Ringen Eishockey spielen würde - nun, fast niemand. "Am nächsten Morgen stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr zum Sportplatz", erinnert sich Probst. Einem Bekannten, der ihn unterwegs aufhielt, erklärte er: "Ich gehe trainieren. Ich will an die Olympischen Spiele!"

Er wurde zum Witz des Dorfes; alle lachten ihn aus. Doch 1972 wurde sein Traum Realität. Als Mitglied der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft reiste der damals 22jährige ins japanische Sapporo, wo die olympischen Winterspiele stattfanden.

Dazwischen lag einer erstaunlich steile Sportlerkarriere. Mit sechzehn Jahren spielte Paul Probst bereits als Jüngster in der höchsten Liga (Nationalliga A), und mit zwanzig wurde er in die Nationalmannschaft aufgenommen. Der Erfolg kam nicht von ungefähr. Probst trainierte hart, mit Ausdauer und Disziplin - und vor allem mit einer Vision vor Augen: den Olympischen Spielen.

Dabei war sein Traum ziemlich verrückt. Selbst als Spitzensportler durfte er nicht erwarten, je an die Olympischen Spiele zu fahren. Denn vor 1972 hatte sich das Schweizer Eishockeyteam sechzehn lange Jahre nicht einmal für die Teilnahme qualifizieren können. War Paul Probst all die Jahre auf diesen Traum fixiert und hatte sich konstant eingehämmert: ‚Wir müssen es schaffen, wir müssen es schaffen!'? - "Nein, nein. Du hast ein Ziel, ein Gedanke, der dich fasziniert. Daran hältst du fest. Dennoch gibt es Phasen, wo dieser Gedanke monatelang nicht in dein Bewußtsein tritt. Aber du zweifelst auch nie daran oder denkst, das erreichst du sowieso nie!"

Anfangsstation Sehnsucht

"Wenn du dir etwas ganz fest vornimmst, wirst du es auch erreichen. Deine Sehnsucht muß nur genügend stark sein", ist Paul Probst überzeugt. Genau das ist oft die Tragik von Kindern aus reichem Hause, die alles haben und ihr Leben sinnlos vertun, "weil sie nie diese Sehnsucht im Herzen kennengelernt haben", ergänzt Probst. Im Sport ist es genau gleich: "Die besten von uns waren fast immer Habenichtse", erinnert er sich. "Wir wollten etwas erreichen und waren gewohnt, dafür zu kämpfen." - Wie aber hilft man einem jungen Menschen, der ‚null Bock hat' und in der großen Leere zu ertrinken droht?

"Jeder muß seinen Traum finden. Manchmal braucht man dazu Hilfe von außen, jemanden, der einem einen neuen Ausblick vermittelt, wie es beispielsweise der amerikanische Arzt Patch Adams tut." Schauspieler Robin Williams setzte diesem herausragenden Menschen im gleichnamigen Kinofilm ein Denkmal. "Ich schätze diesen Film so sehr, weil er das Erfolgsgeheimnis von Patch Adams aufzeigt: Er bringt die Patienten wieder an jenen Punkt zurück, wo sie irgendwann - meistens als Kind - einen verrückten Traum hatten", sinniert Paul Probst. "Sobald sie ihre Träume wieder sehen, beginnen sie zu lächeln, verschwinden die Schmerzen. Und dann wächst in ihnen die Sehnsucht."

Wenn man sich auf seinen Traum ausrichtet, kommt etwas im Innern in Bewegung. Wie sagte Richard Bach in seinem Buch Illusionen doch so treffend: "Niemals wird dir ein Wunsch gegeben, ohne daß dir nicht auch die Kraft verliehen wird, ihn zu verwirklichen. Es kann allerdings sein, daß du dich dafür ernsthaft anstrengen mußt."

Wer allerdings an keine höhere Macht glaubt, hat es schwerer, den inneren Traum zu verwirklichen, weil man gegen den unerbittlichen Zufall ankämpfen und ihn überlisten muß. Deshalb sind so viele Menschen auf Sicherheit bedacht. Bloß nichts riskieren, lautet ihre Devise.

"In der Natur gibt es keine Sicherheit. Sie ist eine menschliche Fehlvorstellung", glaubt Paul Probst. "Es gibt nur die Gewißheit, daß alles gut herauskommen wird, wenn ich meinen Traum lebe. Der Wunsch nach Sicherheit hingegen wurde aus der Angst vor dem Leben geboren - und diese Angst ist etwas Unnatürliches."

Ende gut, alles gut. Daran kann indes nur glauben, wer eine über uns stehende Macht anerkennt, die uns behütet und führt. "Deshalb ist es so wichtig, Menschen, die den Glauben verloren haben, wieder sanft zur Erkenntnis hinzuführen, daß alles im Leben einen Sinn hat. Wir kommen nicht als unbeschriebene Blätter zur Welt, auf daß wir mit zufälligen Erlebnissen beschrieben werden. Jeder Mensch ist eine Zelle im Körper Gottes. Jeder hat eine bestimmte Aufgabe für das Ganze zu erfüllen und besitzt deshalb bestimmte Talente und Fähigkeiten. Diese sind identisch mit unserem inneren Traum - Gott sei Dank! So sind wir nämlich dann erst richtig glücklich, wenn wir den uns von Gott vorbestimmten Plan - unseren inneren Traum - leben."

Wie aber finde ich diesen Traum heraus? "Du mußt dich fragen, wann du das letzte Mal wirklich aus ganzem Herzen glücklich warst, und sei es auch nur für wenige Sekunden. Erinnere dich daran und du hast einen ersten Anhaltspunkt, in welche Richtung dich dein Traum führt", rät Paul Probst. "Jeder von uns ist einmalig und auf seine oder ihre Art großartig. Leider vergessen wir das allzuleicht, weil wir uns ständig mit anderen Menschen vergleichen. Natürlich gibt es immer jemanden, der etwas kann, was ich nicht kann. Oder in bestimmten Bereichen besser ist als ich. Dabei erkennen wir nicht, daß wir soviel in uns tragen, was die anderen nicht haben."

Über die Goldmedaille hinaus

Schön und gut. Man mag ja daran glauben, einen göttlichen Plan zu haben. Aber wie erkennt man ihn? "Zu Beginn ist dein Traum weit entfernt, diffus. Es scheint, als könntest du ihn niemals verwirklichen, weil er einige Schuhnummern zu groß für dich ist. Aber etwas in deinem Innern sagt: ‚Mach es!' - Stell dir vor, du wirst mitten im Ozean in ein kleines Boot ausgesetzt: Du weißt nicht wann, du weißt nicht wo, doch eines Tages wirst du wieder an Land kommen, obwohl du keine Ahnung hast, wie dieses Land aussehen wird. Diese Gewißheit wird dich ans richtige Ziel führen."

Das erinnert mich an das wunderschöne englische Sprichwort: ‚Too low they build who build beneath the stars' - was frei übersetzt bedeutet: Wer seine Träume nicht an den Sternen festmacht, kann nicht einmal den nächsten Kirchturm erklimmen. Paul Probst erinnert sich in diesem Zusammenhang an ein Erlebnis, das einem befreundeten Sportarzt beinahe das Leben gekostet hätte: "Er machte mit seiner Frau zusammen Wanderferien in Schweden. Mitten in der Wildnis wurden sie plötzlich von einem heftigen Unwetter überrascht, das innerhalb einer Stunde einen Meter Schnee auftürmte. Erschöpft und halb erfroren machten sie schließlich ein Licht in der Ferne aus, das zu einem Wohnhaus zu gehören schien. Die beiden hatten nur ein Ziel: das Wärme verheißende Licht zu erreichen. - Sie kämpften sich tatsächlich bis zum Haus durch, doch wenige Schritte vor der rettenden Haustür brachen beide bewußtlos im Schnee zusammen. Wäre der Hausbesitzer kurze Zeit später nicht vors Haus getreten, um Feuerholz zu holen, so wäre das Ehepaar erfroren."
Als beide wieder wohlbehalten in der Schweiz waren, erzählte der Arzt seinem Freund Probst, daß er ganz sicher genügend Kraft gehabt hätte, um ins Haus zu treten - wenn er es sich bloß vorgenommen hätte. "Das lehrte ihn, nicht nur bis ans unmittelbare Ziel zu denken", betont Paul Probst mit ernster Stimme, "sondern darüber hinaus."

Besonders deutlich habe ich selbst das im Sport erlebt: Kurz vor dem Ziel ist die Gefahr am größten, schlapp zu machen, weil man das Ende bereits vor Augen hat. Im Sportunterricht half es mir persönlich immer, wenn ich mich beim Langstreckenlauf während der letzten Runde darauf einstellte, noch eine weitere rennen zu müssen. Der Erfolg gab mir recht. John Denver, der amerikanische Liedermacher, schrieb 1984 eine Hymne auf den Sport und kleidete dieselbe Botschaft in die Worte The Gold and Beyond – Das Gold und darüber hinaus.

Mit dieser Bereitschaft zu einer Extra-Anstrengung können wir die Sterne berühren. Wir müssen den Willen haben, den eigenen Plan zu leben, das zu werden, was man sein soll - komme, was wolle.

Wie aber merke ich, wenn ich dem falschen Traum nachjagen sollte? Indem ich einfach beginne, selbst wenn das Ziel noch nicht ganz klar ist. Treffe ich dabei falsche Entscheidungen, "so wirst du korrigiert", wirft Paul Probst ein. "Denn du kannst nur korrigiert werden, wenn du in Bewegung bist, etwas tust. Kannst du ein parkiertes Auto lenken? - Natürlich nicht, es muß schon rollen."

Abgesehen davon dürfen wir Fehler machen. Sie gehören nämlich zu den besten Lehrmeistern. Demnach ist die Angst vor dem berüchtigten ‚Sprung ins kalte Wasser' unbegründet? "Es braucht selbstverständlich Überwindung", gibt Paul Probst zu. "Diesen ersten Schritt im Glauben kann dir niemand abnehmen. Hast du ihn jedoch getan, verlierst du mit der Zeit deine Ängste, weil du merkst, daß sie keinen realen Hintergrund haben und überhaupt nicht nötig sind."

Der Sport und später auch das Leben haben Paul Probst noch ein weiteres gelehrt: Der Sieg liegt im Feuer des Herzens. "Was immer du tust, mach es mit jeder Faser deines Herzens und mit Begeisterung. Diese Hingabe und Intensität ist maßgeblich für den Erfolg." Sie ist zudem eine gute Kontrolle: "Wenn du dich hundertprozentig einsetzt, merkst du sehr schnell, ob etwas faul ist und nicht stimmt. Dann kannst du es korrigieren." - Falls man ehrlich genug ist, einen Fehler einzugestehen. Vielleicht muß man das Alte sogar komplett loslassen, um das Neue in Angriff nehmen zu können. Als Paul Probst sich aus dem aktiven Sport zurückzog, machte er einen vollständigen Schnitt. "Letzte Weihnachten schnallte ich mir das erste Mal seit zwanzig Jahren wieder Schlittschuhe an die Füße."

Viele Sportler fallen am Ende ihrer Karriere in ein tiefes seelisches Loch, weil sie keine neue Aufgabe finden, woran sie innerlich wachsen können. Sinnkrisen kennen wir wohl alle, ob Sportler oder Pantoffelhelden. Deshalb mahnt der ehemalige Sportler: "Du darfst nicht einfach aufgeben, weil es das erste Mal nicht geklappt hat. Vergiß nie, der Sieger wird in der Niederlage geboren!"

Steh auf, geh weiter und lerne aus deinem Versagen. So wirst du stark. Wer weiß, vielleicht brauchst du ja gerade diese bestimmte Erfahrung der Niederlage, damit du eines Tages überhaupt fähig sein wirst, deinen Plan erfolgreich zu leben?