Der Mann, der die Bienen retten will

Torben Schiffer hat eine Mission: Er will die Bienenhaltung von Grund auf revolutionieren. Viele Imker glauben, durch ihre Arbeit mit den Honigbienen den Fortbestand dieser so wichtigen Insekten zu sichern. Doch neue Erkenntnisse aus der Bienenforschung zeigen: Die konventionelle Imkerei ist leider nicht die Lösung – sondern Teil des Problems!

Torben Schiffer hat die Imkerei bereits in frühen Jahren von seinem Großvater erlernt. Seine große Passion und Liebe für die kleinen Nützlinge ist ihm anzumerken. Sie ist auch der Grund, warum er sich mit Imkern auf der ganzen Welt anlegt und gegen althergebrachte und festgefahrene Ansichten angeht. Dabei rennt er keineswegs offene Türen ein. Ironisch fragt Schiffer daher bei seinen Vorträgen als Erstes, ob denn viele Imker anwesend seien – und wo sich die nächsten Notausgänge befänden.

Bienen: die wohl wichtigste Tierart auf dem Planeten. Grund genug, sie endlich artgerecht zu halten!

Bienen: die wohl wichtigste Tierart auf dem Planeten. Grund genug, sie endlich artgerecht zu halten!

Zu einem gewissen Teil ist die Skepsis und Ablehnung der Imker gegenüber Schiffer sogar nachvollziehbar. Imker sind naturliebende Menschen, die den Bienen und der Natur etwas Gutes tun und in erster Linie Artenschutz betreiben wollen. Und dann kommt da jemand und stellt ihr Weltbild auf den Kopf. Sagt sogar, dass Imker moderne Massentierhaltung betreiben und Mitschuld am Bienensterben tragen würden. Doch der Bienenexperte lässt sich vom Gegenwind nicht beirren, denn er weiß, dass ihm seine Forschungsergebnisse recht geben.

Schiffer hat selber jahrelang konventionell geimkert und auch er musste seine Bienen gegen parasitäre Milben behandeln, im Standardverfahren mit Ameisensäure. Mit dem Resultat, dass nicht nur ganz viele Milben auf dem Boden seines Bienenkastens lagen, sondern auch ganz viele Fühler. Ihm fiel zudem auf, dass viele Bienen tot aus ihren Waben hingen – als direkte Reaktion auf die standardmäßig empfohlene Ameisensäurebehandlung. Diese Entdeckung stimmte den Bienenfreund nachdenklich. Denn was würde wohl eine Biene dazu veranlassen, sich die Fühler vom Kopf zu reißen? Ein Bienenfühler ist eines der sensibelsten sensorischen Instrumente, das die Natur kennt. Bienen können mit ihren Fühlern Temperaturunterschiede von 0,1 Grad erkennen, sie können den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre messen, sie können Hunderte verschiedene Substanzen wahrnehmen. Sie riechen, ob die Brut hungrig ist, ob sie geputzt oder verdeckelt werden muss. Dank ihrer Fühler können Bienen den Wassergehalt und den antibiotischen Gehalt des Honigs sensorisch feststellen. Ein Großteil der Kommunikation läuft über ihre Fühler. Die Fühler sind es, die eine Biene erst überlebensfähig machen. Was also bringt eine Biene dazu, sich dieses Organ vom Kopf zu reißen? Diese Frage ließ Schiffer nicht mehr los.

Wussten Sie, dass das Leben und Verhalten der Honigbiene unter ursprünglichen natürlichen Bedingungen im Wald und in Baumhöhlen in der heutigen Forschung noch kaum Beachtung gefunden hat? Das erstaunt durchaus, denn Honigbienen sind ökonomisch gesehen immerhin die drittwichtigste „Nutztierart“ – nur an Schweinen und Rindern verdient der Mensch aktuell mehr. Der Bestäubungswert der Bienen liegt weltweit bei ungefähr 265 (!) Milliarden Euro. Aus ökologischer Sicht sind Bienen die wohl wichtigste Tierart; ihr ökologischer Wert lässt sich jedoch kaum beziffern. Ohne Schweine und Rinder wäre ein Überleben auf diesem Planeten möglich, aber ohne Bienen? Etwa achtzig Prozent der Nutzpflanzen sind auf eine Bestäubung durch Bienen angewiesen. Die kleinen Insekten fliegen jedoch nicht nur Nutzpflanzen an, sie befruchten auch unzählige sogenannte „Unkräuter“, die für den Menschen nicht direkt wichtig, für ein funktionierendes Ökosystem aber unabdingbar sind. Eine Sammelbiene legt etwa hundert Kilometer am Tag zurück und fliegt dabei um die 20'000 Blüten an. Stellen Sie sich vor, Sie müssten diese Bestäubungsleistung von Hand mit einem Pinsel erbringen!

Bienenforscher Schiffer hat sich zum Ziel gesetzt, die natürlichen Lebensumstände der Bienen in Deutschland zu untersuchen und mit den Bedingungen in der modernen Imkerei zu vergleichen. Er untersucht dabei folgende Fragen:

  • Wie artgerecht ist die Kistenhaltung der Bienen wirklich?
  • Was brauchen Bienen, um überleben zu können?
  • Wie funktioniert ein Volk in freier Wildbahn?
Der Schiffer-Tree imitiert das natürliche Habitat der Bienen. Bienenfreunde stellen sich ihn in den Garten (Infos: www.beenature-project.com). Im Wald bietet er Lebensraum für die arg bedrängten Wildbienen.

Der Schiffer-Tree imitiert das natürliche Habitat der Bienen. Bienenfreunde stellen sich ihn in den Garten (Infos: www.beenature-project.com). Im Wald bietet er Lebensraum für die arg bedrängten Wildbienen.

Tatsächlich kommen Honigbienen heute in der Natur kaum mehr vor, es gibt sie praktisch nur noch bei den Imkern. Das ist an sich schon eine Misere, denn nun liegen 45 Millionen Jahre Evolution und Genvielfalt in den Händen (und Kisten) von Imkern, die in erster Linie ihre eigenen Ziele und Interessen verfolgen. Dazu muss man wissen, dass die Nutzung der Bienen durch den Menschen aus evolutionsgeschichtlicher Sicht gar keinen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit der Spezies selbst hatte, obwohl viele Imker behaupten, die Honigbiene existiere nur noch dank ihnen. Der Hauptteil des Genpools lag seit Jahrmillionen und bis vor wenigen Jahrzenten noch in der Natur – nämlich in den Baumhöhlen, dem natürlichen Lebensraum von wilden Honigbienen. So spielt es zum Beispiel für den Fortbestand von Fischen auch keine Rolle, wenn man einige Tausend aus dem Ozean entnimmt, in einen Teich steckt und sie kugelrund und träge züchtet. Der Hauptteil des Genpools befindet sich ja immer noch im Ozean. Im Gegensatz zu den Weltmeeren sind unsere Wälder jedoch bereits leer! Da summt und brummt nicht mehr viel. Deshalb hat der Imker heute nicht mehr nur einen kleinen Teil der Spezies in seiner Verantwortung, sondern den überwiegenden Teil. Doch was tut der Mensch in seiner Unwissenheit mit der ihm übertragenen Verantwortung? Er versucht gezielt, der Biene all jene Verhaltensweisen wegzuzüchten, die dafür gesorgt haben, dass die Spezies bis heute erfolgreich überlebt hat. Honigbienen sollen heute nicht mehr stechen, nicht mehr ihr Nest verteidigen. Sie sollen nicht mehr fliegen und sich nicht mehr putzen. Sie sollen auf den Waben sitzen bleiben, wenn der Imker den Stock auseinandernimmt. Bienen sollen nicht mehr schwärmen und sich nicht mehr natürlich fortpflanzen. Honigbienen sollen in der Imkerei eine Reihe von Eigenschaften haben, die allesamt die Überlebensfähigkeit der Spezies verringern!

Wie wollen Bienen leben?

Als offizielle Gründe für das Bienensterben gelten Spritzmittel, Neonicotinoide, Monokulturen und Agrarwüsten in der Landwirtschaft, die Varroamilbe, Bienenseuchen und Krankheiten. Gerade die Landwirtschaft muss oft als Sündenbock für das Bienensterben herhalten: Neben den vielen Monokulturen werden Unmengen an Spritzmittel eingesetzt, die viele Blütenpflanzen töten, was wiederum die Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten drastisch reduziert. Aus diesem Grund fehlt im Sommer oft der Nektar; die Imker müssen ihre Völker mit Zuckerlösungen nachfüttern. Doch ist das wirklich die ganze Wahrheit? Jein: Es ist ein durchs Imkern entstandener Fakt, der in der aktuellen Bienenhaltungsform zutreffend ist. Eine Haltungsform, die laut Schiffer jedoch einer manipulativen Massentierhaltung entspricht und nichts mit der ursprünglichen Lebensweise der Bienen zu tun hat. Doch was meint Schiffer mit einer solch heftigen Aussage?