Exodus in die Widernatürlichkeit

Wissenschaftstechnokraten wollen die Natur durch High Tech-Systeme ersetzen, denen der Mensch gentechnisch anzupassen ist. Doch wollen wir wirklich zulassen, dass die Natur stirbt, nur weil wir sie angeblich nicht mehr brauchen?

Vor fünf Jahren trafen sich die Spitzen der Welt in Rio de Janeiro. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit verpflichtete man sich, die notwendigen Schritte einzuleiten, welche unser aller Überleben auf diesem Planeten sichern. Viele Verträge wurden unterschrieben und noch mehr Versprechungen gemacht. Der Erdgipfel von Rio entzündete erneut die Flamme der Hoffnung in den Herzen der Menschen.

Wozu brauchen wir die Natur? Wir haben ja unsere High-Tech-Welt! – Möchten Sie jedoch wirklich in einer solchen Welt – womöglich auf dem Mars – leben?!

Wozu brauchen wir die Natur? Wir haben ja unsere High-Tech-Welt! – Möchten Sie jedoch wirklich in einer solchen Welt – womöglich auf dem Mars – leben?!

Heute stehen wir bereits wieder nur noch vor glimmender Asche. Fast alle der öffentlich eingegangenen Verpflichtungen haben sich mittlerweile in Schall und Rauch aufgelöst. Die UNO kritisiert die Industriestaaten für das gebrochene Versprechen, den armen Ländern mehr finanzielle Unterstützung zu geben. Stattdessen flossen merklich weniger Entwicklungsgelder in die Dritte Welt. Kritisiert wird auch die Welthandelsorganisation WTO, weil sie falsche Entscheidungen treffe, die dem Raubbau an der Natur noch Vorschub leisten.

Ebenso düster ist der Jahresbericht 1997 des Worldwatch Institutes: Die Umweltzerstörung schreite unvermindert weiter voran, die Ziele von Rio seien nur ansatzweise erreicht und die vereinbarten Verträge würden nicht eingehalten und angemessen umgesetzt. So könnten beispielsweise die Hälfte der Länder ihre Versprechungen bezüglich der CO2-Reduktion nicht erfüllen. Beim Artenschutz sei überhaupt nichts erreicht worden: Nach wie vor sei ein Viertel der 4'600 Säugetierarten vom Aussterben bedroht. Das Institut beschuldigt den Internationalen Währungsfond und die Weltbank, entgegen ihren Beteuerungen dem Umweltschutz kaum Bedeutung beizumessen. Traurig auch, was der internationale Klimagipfel in Berlin vor zweieinhalb Jahren zustande gebracht hat: Im Grunde genommen nichts. Erklärtes Ziel war es, eine gemeinsame Strategie zur Eindämmung der Treibhausgas-Emissionen zu verwirklichen. Bis heute ist man noch immer damit beschäftigt, mögliche Vorschläge zu sammeln – dieses Frühjahr hat die mittlerweile sechste Kommission getagt, doch die eigentlichen Verhandlungen haben noch nicht einmal begonnen. Vor allem Washington bremst und will möglichst keine verbindlichen Ziele fixieren. Und den Zeitplan möchten die Amerikaner gleich auch noch ein paar Jahre nach hinten schieben.

Wieso, muß man sich als besorgter Erdenbürger fragen, scheint es so schwierig, daß sich die Regierungen der Welt auf einen gemeinsam orchestrierten Umweltschutz einigen, wo wir doch alle im gleichen Boot sitzen? Wo es Probleme zu lösen gilt, die letztlich unser aller Leben und Überleben betreffen? Weshalb haben Wirtschaftsinteressen noch immer die Macht, wirklich effektive ökologische Maßnahmen zu verwässern oder im Keim zu ersticken und Umweltschutzgesetze zu torpedieren, wie es der von Republikanern dominierte Kongreß in den USA 1995 getan hat?

Niemand erwartet Wunder. Doch es hat sicher nicht nur mit dem wirtschaftlichen Druck zu tun, wenn die meisten einflußreichen Politiker den Willen zu einem wirkungsvollen Naturschutz vermissen lassen und der Raubbau an diesem Planeten unvermindert weitergeht – Rio hin oder her. Man muß sich auch fragen, weshalb George Bush, ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, als der ‚Verhinderer von Rio' unrühmlich in die Geschichte einging. Weshalb lag einem Mann von seiner Position offensichtlich so wenig daran, wirksame Schritte für die Rettung unseres Planeten zu unternehmen? Vermutlich, weil er zusammen mit einigen anderen Mächtigen dieser Welt die Erde bereits aufgegeben hat. Und was dem Untergang geweiht ist, lohnt sich nicht, zu schützen. Vielmehr beutet man es aus bis zum letzten. Die in diesem Heft dargelegte ,Alternative 3‘ und der seit kurzem öffentlich beschworene Traum einer Marskolonisierung durch die Menschheit liefern eine weitere, besonders einfache und schockierende Erklärung für die bis an hin fruchtlosen Gesten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, diesen Planeten zu retten.

Mundtot durch wirtschaftlichen Druck

Zum Klimagipfel 1995 bemerkte das ‚Time‘-Magazin völlig zu recht, daß Regierungen ihre tagespolitischen Ziele erst zugunsten der Umweltopfern, wenn sie vom Volk dazu gezwungen werden. Dies bewies einmal mehr der Erdgipfel von Rio: Die meisten Länder können ihre Versprechen nicht einhalten, so ‚Time‘, weil die Menschen nicht genügend Druck auf Regierung und Wirtschaft ausgeübt haben. Das Nachrichtenmagazin fügte jedoch die hoffnungsvollen Worte an, daß sich früher oder später jede Regierung den Forderungen des Volkes beugen muß, wenn der öffentliche Druck groß genug wird.

Damit dies nicht geschieht, läßt man die Industriestaaten immer mehr in die roten Zahlen schlittern. Wer glaubt, Wirtschaftsdepressionen, explodierende Staatsverschuldungen und wachsende Arbeitslosenzahlen seien bloß unkontrollierbare, unausweichliche Erscheinungen unserer Zeit, ist naiv. Wir haben gezeigt, wie leicht es beispielsweise ist, eine ganze Volkswirtschaft über die Regelung der nationalen Geldmenge und die Parität der verschiedenen Währungen zu einander zu manipulieren (vgl. Das Geld regiert die Welt & ZS 13, Seite 3). Durch die internationale Finanzpolitik kann heute jedes Land von den Machthabern des Geldes gezielt in eine Wirtschaftskrise gestürzt werden. Daß dem einst so reichen Westeuropa das Wasser langsam bis zum Hals steigt, dürfte wohl mittlerweile jeder gemerkt haben.

In einer solchen wirtschaftlichen Situation geht der Umweltschutz zuerst unter. „Das Ökothema kommt nicht mehr vor", klagte unlängst Gerd Billen vom deutschen Naturschutzbund über die Politik, „das Bündnis für Arbeit erschlägt alles." Politiker vergessen ökologische Anliegen sehr schnell, wenn dadurch Arbeitsplätze bedroht sein könnten – ein Druckmittel, das vor allem große Konzerne skrupellos ausspielen. Und viele Bürger schauen weg, könnte der nächste verlorene Job doch der eigene sein.