Rauchen: Tod auf Raten

Eins – zwei – drei – vier – fünf – tot. Eins – zwei – drei – vier – fünf – tot. Eins – zwei – drei – vier – fünf – tot … alle sechs Sekunden stirbt auf dieser Welt ein Mensch an den Folgen von Tabakkonsum. Und wir tolerieren es und tun so, als ließe sich nichts dagegen machen. Es ist Zeit, die Augen zu öffnen gegenüber einer der größten Geißeln der Menschheit und dafür zu sorgen, dass dieser Irrsinn endlich aufhört.

„Wir stehen an einem Scheideweg der Tabakepidemie mit der Zukunft in unseren Händen. Wir können wählen, beiseite zu treten und schwache und wirkungslose Maßnahmen zu ergreifen oder aber solide und dauerhafte Maßnahmen in Kraft zu setzen, um die Gesundheit und den Wohlstand der Nationen zu beschützen.“ Dies schreibt die World Lung Foundation in ihrem umfassenden, im Frühjahr 2015 publizierten Tabak-Atlas. Sie spricht von einer Epidemie, also einer Seuche beziehungsweise Massenerkrankung. Das Rauchen soll eine Krankheit sein? Und wir dachten alle, es sei bloß eine dumme und widerliche Gewohnheit. Nun, die WHO anerkennt die Nikotinsucht offiziell als Krankheit. Dass dieses Bewusstsein bei der breiten Masse noch nicht angekommen ist, ist der ‚Verdienst‘ der Tabakindustrie. Ihr ist es mit jahrzehntelanger Propaganda gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass das Rauchen nichts weiter sei als ein Laster. Wir glauben es und tolerieren es – so, als hätte jemand die unangenehme Angewohnheit, regelmäßig in der Nase zu bohren. Dies ist zwar eklig für sein Umfeld, aber hey, es ist seine persönliche Freiheit! – Dass dies nicht die Wahrheit ist, wissen wir alle. Und dass der Raucher oder die Raucherin keineswegs frei ist, wird dieser Artikel aufzeigen.

Rauchen: Weit mehr als nur ein Laster!

Alle sechs Sekunden stirbt auf dieser Welt ein Mensch an den Folgen von Tabakkonsum.

Am Nasebohren ist noch keiner gestorben. Ganz anders beim Rauchen: Durch Tabakprodukte sterben jedes Jahr weltweit sechs Millionen Menschen; gut fünf Millionen, weil sie geraucht haben, und der Rest an den Folgen von Passivrauchen. Im 20. Jahrhundert mussten auf diese Weise hundert Millionen Menschen vorzeitig ihr Leben lassen. Und wenn wir nicht schleunigst etwas dagegen tun, wird das Rauchen im 21. Jahrhundert sogar eine Milliarde Menschen umbringen. Jeder Zweite der heute rund 1,1 Milliarden Raucher wird letztlich an den Folgen seiner Tabaksucht sterben, die meisten davon in den besten Jahren, das heißt zwischen 35 und 69.

So ziemlich jeder Raucher weiß, was er sich antut, immerhin sind die Schockbilder auf jedem Zigarettenpäckchen aufgedruckt. Verfärbte Finger und Zähne, körperliche Schlaffheit, fahle Haut, ein verminderter Geschmacks- und Geruchssinn sowie stinkender Atem sind dabei wohl noch die kleinsten Probleme. Dazu kommen jedoch erhöhte Blutfett- und Cholesterinwerte, die Anzeichen dafür sind, dass Blutgefäße und Gewebe im ganzen Körper entzündet sind. Die überstimulierte Bauchspeicheldrüse erhöht das Diabetes-Risiko. Die Blutgefäße ziehen sich zusammen, der Herzschlag ist erhöht, mit der Zeit ist das gesamte Herz-Kreislauf-System geschädigt. Tatsache ist aber vor allem: Rauchen ist die Hauptursache für Krebs. Und sechs der acht häufigsten Todesursachen der Welt werden durch Rauchen begünstigt, nämlich Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenentzündung, chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Tuberkulose sowie Lungen-, Bronchien- und Luftröhrenkrebs.

Ein tödlicher Chemiecocktail

Zigaretten sind ein sorgfältig und bewusst konstruiertes Drogenverabreichungsgerät, weit entfernt von einigen in Papier eingewickelten Tabakblättern. Hauptbestandteil einer Zigarette ist zwar Tabak. Dieser stammt heutzutage meist von gentechnisch manipulierten Tabakpflanzen, die unter Einsatz einer Menge Pestizide herangezüchtet werden. Beim Abbrennen der Zigarette werden bis zu 4‘800 chemische Verbindungen freigesetzt; mehr als zweihundert davon sind giftig, mindestens fünfzig sind krebserregend. (Einige Quellen sprechen sogar von bis zu 9‘600 chemischen Verbindungen, wovon 69 Krebs verursachen können.) Vor allem der durch das Abbrennen entstehende Teer in der Zigarette führt zu Krebs. Der Teer verklebt die Flimmerhärchen der Lunge, setzt sich in den Atemwegen fest und geht auch in den Blutkreislauf über. Durch den Teer entsteht typischerweise der bekannte ‚Raucherhusten‘, der nichts anderes ist als eine chronische Bronchitis. Der Körper wird die klebrigen Rußteilchen des Teers nicht mehr los und über die Jahre sammelt sich eine Menge davon im Körper an: Wer jeden Tag zehn Zigaretten raucht, atmet im Lauf eines Jahrzehnts rund ein halbes Kilo Teer ein!

Doch auch viele andere Stoffe im Tabakrauch wirken karzinogen: Schwermetalle wie Quecksilber; der Kunststoff Vinylchlorid, aus dem Plastikfolien gemacht werden; Formaldehyd, mit dem Leichen konserviert werden; der im Tränengas enthaltene Stoff Akrolein; Phenole, die sich in Schädlingsbekämpfungsmitteln finden, oder das Rattengift Arsen, um nur einige wenige zu nennen.

Das hochgiftige Kohlenmonoxid im Zigarettenrauch lässt den Körper bei jeder Zigarette förmlich nach Luft schnappen, denn das Kohlenmonoxid bindet sich an die roten Blutkörperchen, die eigentlich den Sauerstoff transportieren sollten, und verhindert so die Sauerstoffaufnahme ins Blut, wodurch letztlich der ganze Körper unterversorgt ist. In seiner Not bildet dieser an den Innenwänden der Arterien mehr Zellen, um die Sauerstoffaufnahme zu erhöhen. So entsteht eine Verdickung im Innern der Blutgefäße, was zur sogenannten Arterienverkalkung führt, die wiederum Ursache ist für Schlaganfall und Herzinfarkt.

Weil sich ein großer Teil dieser hochgiftigen Stoffe im Tabakrauch befindet, ist auch das Passivrauchen äußerst schädlich. Weltweit sterben jedes Jahr 600‘000 bis eine Million Menschen daran, dass sie jemand anderes Qualm ausgesetzt waren.

Suchtstoff Nikotin

Tabak gehört zu den Nachtschattengewächsen, und wie alle Pflanzen dieser Gattung produziert auch die Tabakpflanze Nikotin, um Fressfeinde abzuwehren. Nikotin ist ein sehr starkes Nervengift, und nur weil es im Körper rasch abgebaut wird, kommt es beim Raucher nicht zu einer sofort tödlichen Nikotinvergiftung. Nichtsdestoweniger wirkt Nikotin in komplexer und verheerender Weise auf den menschlichen Körper, insbesondere auf das Gehirn. Es ist eine physiologisch bewiesene Tatsache, das Nikotin schneller süchtig macht als Kokain oder Heroin. Das Nikotin-Gift greift das gesamte Gefäß- und Nervensystem an und wirkt äußerst schnell. Schon wenige Sekunden nach der Inhalation erreicht das Nikotin das Belohnungszentrum des Gehirns. Dort besetzt und aktiviert es sogleich jene Rezeptoren, die für die Ausschüttung von sogenannten Glückshormonen wie Dopamin, Serotonin oder Adrenalin zuständig sind. Dadurch wird eine ganze Reihe von Stoffwechselfunktionen ausgelöst: Aufmerksamkeit, Motivation, Konzentration und Durchblutung werden verstärkt bei gleichzeitiger Dämpfung von Angst, Stress und Hungergefühlen. Der Raucher erlebt deshalb einen Wohlfühlschub; er empfindet Entspannung und ein Gefühl der Befriedigung. Doch wird das Nikotin vom Körper wie erwähnt sehr schnell wieder abgebaut; bereits nach einer Stunde ist der Nikotinspiegel im Körper praktisch auf null gesunken. Da mit dem Entgiften des Nikotins auch die Ausschüttung der Botenstoffe, der Glückshormone, zurückgefahren wird, spürt der Raucher nun ein Gefühl der Leere, einen unbestimmten Hunger und das Verlangen nach einer neuen Zigarette. Er hat Entzugserscheinungen, da der Körper ein erneutes Freisetzen der Botenstoffe fordert. Die einzige Möglichkeit, diese Leere und Unruhe zu beseitigen, besteht für den Raucher darin, sich die nächste Zigarette anzuzünden. Das Spiel beginnt von vorne. Dabei werden die Entzugssymptome im Lauf der Zeit stärker; zur Unruhe gesellen sich Schwitzen, Zittern, Kopf- und Magenschmerzen, Unwohlsein, Nervosität und Aggression. Weil der regelmäßige Tabakkonsum zu einer Vermehrung der Nikotin-Rezeptoren im Gehirn, jedoch gleichzeitig auch zur Abstumpfung ebendieser Rezeptoren führt, muss der Raucher seinem Körper immer mehr Zigaretten zuführen, um sein Verlangen zu befriedigen. Der Raucher wird so über die Jahre zum Schwerstabhängigen, der oftmals zwei oder sogar drei Schachteln Zigaretten am Tag raucht.

Die Tabakindustrie weiß seit den 60er-Jahren über die süchtig machende Wirkung des Nikotins, leugnete dies aber bis weit in die 90er-Jahre. Heutzutage geben die Zigarettenhersteller offen zu, dass ihre Produkte die Menschen süchtig und krank machen; es gibt zu viele Beweise, als dass sie die Unschädlichkeitslüge noch länger hätten aufrechterhalten können. Dies hält die Industrie aber keineswegs davon ab, mit verschiedenen Methoden dafür zu sorgen, dass ihre ‚Kunden‘ dem Produkt verhaftet bleiben. Beispielsweise werden den Zigaretten Ammoniumverbindungen zugesetzt, die den pH-Wert des Zigarettenrauchs verändern, so die Nikotinaufnahme ins Blut erleichtern und das Suchtpotential der Zigaretten erhöhen. Der Philip Morris-Konzern hat als einer der Ersten herausgefunden, dass Ammonium den schnellen ‚Kick‘ fördert, was zum Erfolg seiner Marlboro-Zigaretten entscheidend beigetragen hat. Auch andere Zusatzstoffe erhöhen das Abhängigkeitspotenzial sowie die Schädlichkeit der Zigaretten. Die Zusatzstoffe beeinflussen Wirkung, Haltbarkeit, Abbrennverhalten und Geschmack der Zigaretten und bestimmen maßgeblich deren Eigenschaften.

Ohne Zusatzstoffe würden Zigaretten nicht schmecken, denn der giftige Tabak hat einen beißenden Geruch und würde in der Lunge schmerzen, die Zigaretten würden krümeln und schlecht abbrennen. Erst durch die Zusatzstoffe werden die Tabakprodukte überhaupt genießbar. Nebst Klebstoffen, Konservierungs- und Feuchthaltemitteln, Ölen, Wachsen und Paraffinen enthalten Zigaretten Aromastoffe wie Vanille, Rum, Honig, Kakao oder Lakritz und Zuckerarten wie beispielsweise Sorbit. Das klingt zwar harmlos, doch Kakao und Lakritz erweitern die Bronchien, wodurch mehr Nikotin tiefer inhaliert werden kann, und aus den Zuckern entsteht durch das Verbrennen Acetaldehyd, welches die Suchtwirkung der Zigarette verdoppelt. Auch was die Zusatzstoffe betrifft, haben die Zigarettenhersteller jahrelang behauptet, diese seien nicht schädlich. Doch bewies eine im Jahr 2011 erschienene Studie, dass Philip Morris Daten zur Toxizität der Zusatzstoffe gefälscht hatte, um deren Schädlichkeit zu vertuschen. Die gesetzlichen Auflagen bezüglich der erlaubten Zusatzstoffe werden daher immer strenger – so verbietet die EU ab 2020 Menthol sowie Frucht- und Vanillearomen in Zigaretten. Die Tabakfirmen reagieren auf diese Einschränkungen, indem sie ihrer Produktpalette Zigaretten ‚ohne Zusätze‘ hinzufügen, die den gegenwärtigen Trend zu Bio-Produkten aufgreifen, da sie vorgeben, ‚natürlich‘ zu sein. Experten sind sich jedoch einig, dass es sich bei diesen neuen Produkten um eine reine Werbelüge handelt, da keine moderne Zigarette ohne Zusatzstoffe auskommt.