"Die Ganze Welt ist eine Bühne": Vom Schein zum Sein!

Ein Vergleich von Sir Francis Bacons gelehrten Schriften mit den Borschaften der Stücke Shakespeares bringt an den Tag, dass Sie von ein und demselben erhabenen Geist geschaffen wurden.

Mensch, erkenne dich selbst und du erkennst Gott.

Worte über dem Eingang des Pallas Athene-Tempels in Delphi

Shakespeare gilt als einer der genialsten und einflußreichsten Dichter aller Zeiten, er ist aber auch das kühne Aushängeschild einer besonders turbulenten Wendezeit in der bewegten Geschichte Englands. Shakespeare war zudem ein überaus kreativer Sprachschöpfer und Sprachbildner, dem das Englische letztlich seinen Aufstieg zur Weltsprache verdankt.

Niemand weiß, wie William Shakespeare ausgesehen hat. Das Gemälde rechts sieht sehr nach Stallknecht aus, während dasjenige links intellektuell aufgemöbelt wurde.

Niemand weiß, wie William Shakespeare ausgesehen hat. Das Gemälde rechts sieht sehr nach Stallknecht aus, während dasjenige links intellektuell aufgemöbelt wurde.

Dieses Universalgenie, das uns in seinen überwältigenden Bühnenbildern das bunte Leben in all seinen Facetten, die menschliche Entwicklung durch all die Laster und Tugenden hindurch und das höchste Ziel allen menschlichen Strebens so nachdrücklich vor Augen führt, kann unmöglich identisch gewesen sein mit dem Roßknecht und Analphabeten aus Stratford-on-Avon, der bis heute von einer breiten Öffentlichkeit als Autor der Shakespeare-Stücke anerkannt wird. Hier handelt es sich um den größten Etikettenschwindel aller Zeiten.1

In Tat und Wahrheit verbarg sich hinter dem Pseudonym Shakespeare eine Gruppe von führenden Dichtern und Intellektuellen, allen voran ein turmhoch herausragender Geist namens Francis Bacon (1561–1626). Er verfaßte viele der berühmten Dramen selber und war zugleich auch das Herz und Haupt der ganzen Gruppe. Bacon ist auch der berühmte Autor naturwissenschaftlicher, philosophischer und politischer Schriften von grundlegender Bedeutung bis in die Neuzeit hinein und zeichnet verantwortlich für die „King James-Bibel“, die unter seiner Regie entstand. Bacon und Shakespeare, das sind also die beiden Seiten derselben Medaille. Ein vergleichender Blick in ihre Werke bringt dies an den Tag.

Francis Bacon war einer jener brillanten geistigen Lehrer der Menschheit, die sich im Laufe der Zeitalter immer wieder freiwillig verkörperten, um den Menschen in Zeiten des Umbruchs ein richtungweisendes Vorbild und eine Leuchte auf dem Pfad zu sein. Jene großen „Seelen“, die sich als unsere „älteren Brüder“ betrachten, nehmen dieses Opfer aus Liebe zu uns Menschen auf sich. Sie verfolgen unermüdlich das hohe Ziel, die schlafende Menschheit immer wieder erneut aufzurütteln und an das letztendliche Ziel allen irdischen Lebens und Strebens zu erinnern: die Selbst-Erkenntnis, die einhergeht mit der Gott-Erkenntnis und die zu dauerhaftem Frieden, zu Freiheit und Harmonie führt. Sie wollen uns das Tor zum dauerhaften Goldenen Zeitalter öffnen – zu einem Utopia, das zwar noch nirgendwo existiert, aber dennoch einmal Wirklichkeit werden soll. Denn was der Mensch zu träumen imstande ist, das vermag er auch in die Tat umzusetzen.

Wie Bacon von sich selber schreibt, glaubte er sich

„…zum Dienst an der Menschheit geboren“2

Er wußte um seine wahre Mission und bezeichnete seine Werke als „Früchte der Ernte (...), mit der Gott meine Feder und meine Arbeit segnet“.3

In seiner Verkörperung als erstgeborener, nicht öffentlich anerkannter Sohn von Königin Elisabeth I. erfüllte er in doppelter Hinsicht eine federführende Mission: Als Bacon schrieb er (vorwiegend in Latein) vor allem für die Adeligen, die Kleriker und die gebildeten Bürgerlichen seiner Zeit und appellierte vor allem an den Verstand. Die in Englisch verfaßten Shakespeare-Stücke richteten sich an alle Menschen, inklusive an die leseunkundigen Schichten der Gesellschaft, und sprachen jedermann direkt auf der Gefühlsebene an. Shakespeare ließ alle möglichen Gestalten und komischen Typen aus dem Volk auftreten, mit denen sich die nicht gebildeten Zuschauer leicht identifizieren konnten. Die brillante Sprache, gewürzt mit Witz und Ironie, trug wesentlich zum großen Erfolg quer durch die ganze englische Gesellschaft bei.

Die Geschichte kennt Bacon als facettenreichen (Natur-) Wissenschaftler,4 dessen Wissenschaftsverständnis und Vorliebe fürs Experimentieren beinahe modern anmuten, als Philosophen und einflußreichen Politiker des Elisabethanischen Zeitalters, der durch seinen Weitblick und Durchblick, seine feinfühligen Beobachtungen und scharfsinnigen Analysen des menschlichen Verhaltens und der gesellschaftlichen Zustände auffiel, insbesondere in seinen bekannten Essays, die zu einem bleibenden Bestandteil der Weltliteratur geworden sind. Eine weit größere, nachhaltige Wirkung hatte Bacon jedoch als Verfasser bzw. geistiger Mentor der Shakespeare-Stücke, die unter dem hohen Motto standen: It is the „Will of the I AM to shake the spear“ against the human ignorance („Es ist der Wille des Ich-Bin, den Speer gegen die menschliche Unwissenscheit zu schütteln“ – in Anlehnung an Pallas-Athene, die griechische Göttin der Wahrheit und Weisheit.)

Dies erklärt, weshalb sich Bacon und seine Mitarbeiter die Rechte erwarben, den echten Namen eines gewissen Stallknechts im Dienste des königlichen Reitstalls zu erwerben und als tarnenden Schutzschild zu verwenden.

Mit Unwissenheit meint Bacon nicht etwa bloß Analphabetismus und mangelnde äußere Bildung, vielmehr die fehlende innere Bildung und Erkenntnis. Denn es ist letztlich die Unkenntnis der ewigen Gesetze des Lebens, die fehlende Einsicht in die größeren Zusammenhänge, die zu all den unnötigen individuellen und kollektiven Katastrophen führt, damals wie heute. Darin unterscheidet er sich von manchen Humanisten, Renaissance-Menschen und späteren Aufklärern, die den Menschen als solchen ins Zentrum ihres Weltbildes stellten, und nicht den Menschen in seiner Eigenschaft als göttliches Wesen.

Bacon behielt in allem, was er tat, das übergeordnete Ziel im Auge. Und auf dieses Ziel strebte er unermüdlich zu: „Es ist nicht möglich, ein Rennen fehlerfrei zu vollenden, wenn das Ziel selbst nicht richtig aufgestellt ist“, schrieb er einmal. Er war seinem Wesen nach ein Mann des Überblicks, auf dem naturwissenschaftlichen wie auf dem geisteswissenschaftlichen Gebiet, die für ihn ohnehin die beiden Facetten derselben Ursache waren. In seiner Funktion als Dramatiker zeigte er sich als genialer Regisseur des menschlichen Lebens und Zusammenlebens.

Shakespeares Dramen als Volkstheater:

Ein tragender Pfeiler im Elisabethanischen Zeitalter

Unter der Herrschaft von Königin Elisabeth I. erlangte das Theater, das bisher als fragwürdige, von der Obrigkeit mit Argwohn verfolgte Institution gegolten hatte, eine unglaubliche Popularität, die alle gesellschaftlichen Schichten erfaßte – von der Königin bis hin zum gewöhnlichen Volk. Diesen Theaterboom verdankte London der geballten kreativen Kraft und der ungeheuren Produktivität der Shakespearegruppe, die unter der persönlichen Obhut Ihrer theaterfreudigen Majestät stand.

Am Südufer der Themse stand das für seine volkstümlichen Shakespeare-Inszenierungen bekanntgewordene Globe-Theater, ein runder Bau ohne Dach. Wehte die Fahne von dessen Zinne, so wußten die Einwohner Londons, daß sie zu einer Vorstellung geladen waren, und pilgerten in Massen hin. Das Globe-Theater trug seinen Namen zu Recht. Auf diesen Brettern wurde in der Tat Welt-Theater aufgeführt. Und mehr noch: Theater von Weltrang.

Shakespeares Stücke waren beim breiten Volk offensichtlich ebenso beliebt wie am Hof und in gelehrten Kreisen. Wie war das möglich? Als Philanthrop hatte Bacon-Shakespeare ein hohes Bild vom Menschen und seiner Bestimmung. Follow your heart, it’s never wrong5 („Folge Deinem Herzen, es liegt niemals falsch”), lautete das Motto, das ihm den Zugang zu den Herzen öffnete. Entsprechend rekrutierte er seine Bühnenfiguren aus allen Ständen und den verschiedensten Berufen, auch aus den unteren Volksschichten. Dadurch wurden nicht nur die betreffenden Figuren, sondern auch ihre natürliche Umgangssprache, ihr Slang, mit der Zeit bühnenfähig. Auf diese Weise erweiterte sich das bis anhin eher bescheidene englischsprachige Vokabular maßgeblich.

Zudem prägten Bacon und die intellektuellen Mitglieder seiner Gruppe zahlreiche neue Ausdrücke und Wendungen, die später Eingang in die englische Sprache und damit indirekt auch in die anderen Kultursprachen fanden. Heute ist Englisch mit weitem Abstand die Sprache mit dem größten Vokabular. Dank der starken Verbreitung der Stücke und den vielen späteren Übersetzungen wurde manch ein ursprüngliches Shakespeare-Zitat zu einem geflügelten Wort.

Wer denkt heute schon an Shakespeare, wenn er liest: Etwas ist faul im Staate Dänemark (also im Reich von König Hamlet) – wobei sich Dänemark selbstverständlich durch jeden beliebigen Ländernamen ersetzen läßt. Oder wenn er sich mit dem Spruch: Der Rest ist Schweigen aus der Patsche hilft… Oder wenn er hört: ein Königreich für ein Pferd – was heißt, daß eine wichtige Sache auf dem Spiel steht, nur weil im entscheidenden Moment eine unentbehrliche Nebensache fehlt oder das richtige Werkzeug – das einem zur Hand sein sollte. Kennen wir das nicht alle? Bei König Richard II. ging’s ums Lebendige: Er verlor sein physisches Leben und damit sein äußeres Königreich, weil ihm in der Hitze des Gefechts ein Fluchtpferd fehlte. Die Worte Sein oder Nicht-Sein sind bereits in aller Munde, wenn sie nicht gar zu einem Werbe-Gag geworden sind. Nur lautet hier die Frage, ob sie auch verstanden werden…

Nebst seiner herausragenden sprachschöpferischen Ausdruckskraft verfügte dieser begnadete Dichter auch über die Gabe, durch tiefsinnige Symbole und Bilder die feinen, inneren Saiten des Menschen zu zupfen und zum Schwingen zu bringen. Er kleidete die zeitlosen Urweisheiten in ergreifende Geschichten mit psychologisch und geistig wahrem Gehalt. Den Stoff dazu fand er in geschichtlichen Vorbildern, in Mythen, Sagen und Überlieferungen, aber auch in den Tragikomödien des Alltags.

Das Theater war also in der Shakespeare-Zeit das Volksvergnügen Nummer eins – ähnlich wie die mittelalterlichen Ritter- und Mysterienspiele und die von Gauklern auf dem Jahrmarkt vorgetragenen Moritaten. Natürlich waren die Stücke sprachlich und geistig von unterschiedlichem Niveau – nicht alle stammten schließlich von „Herrn Shakespeare“ persönlich – und hatten für jeden Geschmack etwas zu bieten. Auch Dramen mit viel Tiefgang und verschlüsseltem esoterischem Wissen wurde vermutlich von den meisten Zuschauern im Globe-Theater bloß als Klamauk konsumiert.

Doch gewiß hat auch das einfache Volk die in bunte Szenerien verpackten Grundwahrheiten bis zu einem gewissen Grad mitbekommen, sei es auch nur unbewußt. Und das war gewiß von Bacon-Shakespeare so beabsichtigt. Die Stücke berichteten zwar vordergründig
von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich, zufälligen Gerichten, blindem Mord; von Toden, durch Gewalt und List bewirkt;
doch hintergründig steckt weit mehr dahinter. Bacon spricht die „Moral von der Geschichte“ immer wieder klar und deutlich aus: Seine Dramen sind letztlich Lehrstücke und zeugen von
Planen [Plänen], die verfehlt zurückgefallen auf der Erfinder Haupt.

Hier ist also keineswegs blinder Zufall am Werk; vielmehr zeigt Bacon-Shakespeare einen Mechanismus auf, eine Gesetzmäßigkeit, der jeder Menschen gleichermaßen unterstellt ist: Ein jeder ist schlußendlich selbst der (eigenverantwortliche) Regisseur seines Lebensspiels – wenn auch über viele Verkörperungen hinweg. Erkennt er dies jedoch nicht, wird er zur Marionette anderer Kräfte, die so lange mit ihm ihr böses Spiel treiben können, bis er erwacht und das Szepter selber in die Hand nimmt. Ein weiteres Beispiel:
Die ganze Welt ist Bühne
und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
sie treten auf und gehen wieder ab,
sein Leben lang spielt einer manche Rollen,
durch sieben Akte hin.
6

Die sieben Akte kann der Zuhörer oder Leser vordergründig als Phasen des Lebensalters verstehen (Kindheit, Adoleszenz, junges Erwachsenenalter etc.); der in das esoterische Wissen Eingeweihte konnte mehr daraus herauslesen: Der Mensch entwickelt sich über sieben Zeitalter hinweg, bis er schließlich sein Gottes-Potential voll entfaltet hat und den Ehrentitel „Krone der Schöpfung“ verdient:
Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden als eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.

Diese Worte legt Bacon seinem Hamlet in den Mund, und diese Gestalt trägt in mancherlei Hinsicht autobiographische Züge des Autors. Das heißt, seinen Worten ist besonderes Gewicht beizumessen. Bacon-Hamlet verweist hier auf einen Grenzbereich, den der unerwachte Mensch mit seinem ach so klugen Verstand und seinen beschränkten Sinnen nicht oder nur annähernd zu erfassen vermag, auf jene vielfältigen Phänomene, die wir uns (noch) nicht in ihrer ganzen Tiefgründigkeit erklären können, die aber dennoch zu den existentiellen Erfahrungen eines jeden Menschen gehören: auf Mystisch-Religiöses im echten, positiven Sinne, aber auch auf Pseudo-Mystisches und die unzähligen Formen des Aberglaubens.

Im England der Elisabethanischen Epoche erlebte der Okkultismus in all seinen Schattierungen eine Hochblüte, der Aberglaube war allgegenwärtig. Sämtliche Schichten des Volkes standen im Bann okkulter Phänomene, allen voran die Königin, gefolgt vom den Adeligen und den gebildeten Kreisen. In seinem Essay Über Weissagungen erwähnt Bacon namentlich auch Elisabeth I. und Heinrich VI.

Das Königshaus ging also in Sachen Aberglauben ausnahmsweise einmal mit „gutem“ Beispiel voran. Elisabeth I. war in einem so hohen Maß abergläubisch, daß sie wichtige Entscheidungen von den Einflüsterungen ihrer Astrologen abhängig machte. Unter Elisabeths Nachfolger, Jakob I. (König ab 1603), wurde es keinesfalls besser. Nur stand der Aberglauben nunmehr unter katholischem Vorzeichen. Der König war von den zwielichtigen Erscheinungen der Geisterwelt so sehr fasziniert, daß er sogar eine Dämonologie verfaßte und in „echt“ katholischer Tradition Hexen verfolgte.

Shakespeare-Autoren

Das Bild zeigt einige mutmaßliche Autoren der Shakespeare-Stücke. Hinten, unter dem farbigen Strahl „göttlicher Inspiration“ Francis Bacon. Stehend von links: William Camden, Sackville (der Earl of Dorset), John Fletcher. Sitzend von links: Josuah Sylvester, John Selden, Francis Beaumont, Francis Bacon, Ben Johnson, John Donne, Willy Shakspere (gesichtslos – er schrieb ja nicht, sondern lieh nur den Namen). Stehend auf der rechten Seite: Walter Raleigh, Henry Wriothesley, der Earl of Southampton. Sitzend rechts: Robert Cotton, Thomas Dekker.

Bacon wußte wie kaum ein anderer um die gravierenden Folgen solcher Praktiken und erhob auch hier seinen Speer gegen den ganzen Unfug. Er kämpfte mit seiner geistigen Waffe, der Feder, gegen die grassierende Unwissenheit – und zwar in seiner Doppelfunktion als Bacon wie auch als Shakespeare.

Hier einige Textstellen aus seinem Essay Über den Aberglauben, die für sich sprechen: „Es wäre besser, überhaupt keine Vorstellung von Gott zu haben, als eine, die seiner unwürdig ist … Der Aberglauben [hat] den Sturz manchen Staates herbeigeführt, weil er ein ‚primum mobile’, eine neue Urkraft darstellt, die verheerend den ganzen Staatskörper überfällt. Beim Aberglauben gibt das [unwissende] Volk den Ton an, und in diesem Punkte folgen Weise den Toren nach, und in verkehrter Reihenfolge passen sich die Vernunftgründe hinterher der Praxis an … Die Ursachen des Aberglaubens sind: gefällige und den Sinnen schmeichelnde Kirchengebräuche und Gepränge, Übermaß an äußerlicher und scheinheiliger Frömmigkeit, übertriebene Ehrfurcht vor Überlieferungen, die die Kirche nur belasten, die dem eigenen Ehrgeiz und Gewinnstreben dienenden Kunstgriffe der vornehmen Geistlichkeit, die übergroße Begünstigung frommer Einfalt, dem Tor zu sonderbaren Neuerungen, das Bestreben, göttliche Dinge aus menschlichen Gesichtspunkten zu erklären, was nur Verirrung von Begriffen hervorruft, und schließlich barbarische, namentlich mit Elend und Ungemach verbundene Zeitalter.“

Diesen analytischen Überlegungen zum Themenkomplex Religion/Aberglauben stellt Bacon-Shakespeare als Dramatiker und Regisseur ein warnendes Exempel gegenüber, das dem Zuschauer bzw. dem Leser unter die Haut geht: in Form seiner bekannten (1606 entstandenen) Tragödie Macbeth, die sich in Schottland abspielt. Der Stoff ist nicht etwa aus der Luft gegriffen – das ist bei Shakespeare ohnehin nie der Fall –, sondern knüpft an wahre historische Begebenheiten aus dem 11. Jahrhundert an. Damit Sie sich als Leser ein Bild machen können, worum es hier geht, kurz ein paar wesentliche Angaben zum Inhalt der Tragödie:

Getrieben von Neid und krankhaftem Ehrgeiz glaubt Macbeth zu Unrecht, Anspruch auf den schottischen Thron zu haben. Er läßt sich auf die dunklen Kräfte ein und sucht Rat bei den Hexen – die Bacon tatsächlich auf der Bühne auftreten läßt. Macbeth schenkt ihren schmeichelhaften Prophezeiungen, die ihm die Krone in Aussicht stellen, Glauben und gerät dadurch immer mehr in ihren Sog. Zunächst erfüllen sich die Prophezeiungen der Hexen tatsächlich – Macbeth fallen zwei Titel zu –, denn – und das ist das Hinterhältige:
Oft, uns in eignes Elend zu verlocken,
erzählen Wahrheit uns die dunklen Schergen,
verlocken uns durch schuldlos Spielwerk, uns,
dem tiefsten Abgrund zu verraten.
(I/3)

Auch wenn Macbeth vorgibt, die Hexen nicht ernst zu nehmen, erfüllt er dennoch Schritt für Schritt ihre dritte Voraussage, indem er sie für bare Münze nimmt. Schließlich schreckt er vor nichts mehr zurück und verschafft sich den Zugang zum ersehnten Thron mit roher Gewalt: Er bringt den rechtmäßigen König meuchlings um – und außer ihm auch noch Verwandte und „Freunde“ – wird zum Thronräuber und stürzt sich und das ganze Volk ins Verderben.

Der Meuchelmörder Macbeth weiß bereits im 1. Akt der Tragödie um die unvermeidlichen Folgen seines Tuns, wenn er sich auf die finsteren Kräfte einläßt. Aber er tut es trotzdem:
So setz ich [hin]weg mich
übers künft’ge Leben. –
Doch immer wird bei solcher Tat uns schon

Vergeltung hier: daß wie wir ihn gegeben,
den blut’gen Unterricht, er, kaum gelernt,
zurückschlägt, zu bestrafen den Erfinder.
Dies Recht, mit unabweislich fester Hand,
setzt unsern selbstgemischten, gift’gen Kelch
an unsre eigenen
Lippen.
(
I/7)7

Und damit es ja jeder versteht, hält Bacon die Moral von der Geschichte am Ende des Dramas in allgemeiner Form fest:
Keiner trau dem Gaukelspiel der Hölle,
die uns mit doppelsinn’ger Rede äfft,
die Wort nur hält dem Ohr mit Glücksverheißung
und es in Wahrheit bricht.
(V/7)

Mysterienspiele – ein kurzer historischer Rückblick

Die Welt wurde von jeher als Bühne verstanden, und die Bühne als Abbild der Welt. Die gezeigten Spiele waren in der Regel belehrend und unterhaltsam zugleich. Sie vermittelten dem Publikum die geistig-religiösen Werte und Botschaften der betreffenden Kulturepoche, eingekleidet in die Szenerie und das Kolorit der Zeit.

„Ein Mittsommernachtstraum“ offenbart mit seinem Zauber aus dem Reich der Elfen viel vom esoterischen Wissen Francis Bacons.

„Ein Mittsommernachtstraum“ offenbart mit seinem Zauber aus dem Reich der Elfen viel vom esoterischen Wissen Francis Bacons.

Das war zu Bacon-Shakespeares Zeit nicht anders. Die geistigen Gesetze, die er vermittelte, sind wie kostbare Perlen in sein Werk eingebettet, teils offen an den Tag gelegt und teils verborgen im schützenden Gewand eines Bildes oder einer erzählten Geschichte. Die entscheidende Botschaft ist letztlich immer wieder dieselbe:
Mensch, erkenne dich selbst, und du erkennst Gott.

Ein kurzer Rückblick in die Entwicklungsgeschichte des Dramas soll deutlich machen, daß das Shakespeare-Theater einen geistigen Durchbruch bedeutete. Das Theater8 ging aus dem Kult hervor und blieb lange Zeit eng mit kultischen Zeremonien verbunden, bevor es sich allmählich aus dem religiösen Kontext loslöste.

In der Antike wie auch im Mittelalter hatten die öffentlichen Theateraufführungen oft sakralen Charakter. Die Tragödien (= Trauerspiele) der alten Griechen waren ursprünglich ein Bestandteil der öffentlichen Gottesdienste im Heiligtum des Dionysos. Sie zeigten den unausweichlichen, schicksalhaften Untergang einer Heldengestalt im Konflikt zwischen der geltenden sittlichen Ordnung und dem von außen auferlegten, unausweichlichen Schicksal, dem Fatum. Diese Konstellation führte zwangsläufig zum Scheitern des Helden.

Die Aufführungen verfolgen den Zweck, beim Publikum Gefühle der Bewunderung und des Mitleids, der Trauer und der Furcht auszulösen. Durch innere Anteilnahme am Geschehen sollte der Zuschauer eine Katharsis (= Läuterung) erfahren, d. h. selber von den betreffenden Affekten gereinigt werden.

Francis Bacons Leben fiel kulturgeschichtlich in die Renaissance-Zeit, also in die einschneidende Wendezeit zwischen Mittelalter und Neuzeit. Die Dichter und Denker der Renaissance ließen die griechisch-römische Antike neu aufleben und schufen auf diesem klassisch-ästhetischen Fundament ihre eigenen Werke. Dadurch trugen sie wesentlich zur Überwindung des stark katholisch geprägten, mittelalterlichen Welt- und Menschenbildes bei.

Als Kind seiner Zeit war auch Bacon der Antike sehr verbunden, doch distanzierte er sich entschieden von jeglichem Fatalismus. Seine Hinwendung zur Antike zeigt sich darin, daß er wie viele seiner Zeitgenossen zahlreiche Stoffe und Fabeln aus der griechisch-lateinischen Mythologie übernommen und in seinen Werken thematisiert hat (Troilus und Cressida, Pyramus und Thisbe, Corilianus etc.) Mit den Fabeln übernahm er oft auch die Namen mythologischer Gestalten (im Sommernachtstraum wimmelt es davon: Helena, Elfenkönig Oberon, Elfenkönigin Titania, etc.) und die Götternamen (Helios/ Apollo, Pallas-Athene/ Minerva, Zeus, Ceres etc.) Seine gebildeten Leser waren mit diesen Themen und Namen weitgehend vertraut und verstanden daher Bacons zahlreiche Anspielungen auf antike Inhalte. Dem heutigen Leser dürfte dies schwerer fallen.

Seine tragischen Helden erweisen sich niemals als Opfer des Schicksals, sondern agieren nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Die großen Shakespeare-Gestalten sind nicht Spielball zürnender Gottheiten und müssen auch nicht im letzten Moment von einem sog. Deus ex machina9 vor dem endgültigen Untergang gerettet werden. Wenn die Shakespeare-Figuren gerettet werden, dann durch ihr eigenes Verdienst: indem sie sich den höheren Gesetzen unterordnen.

Ähnlich wie bei den alten Griechen entwickelten sich die geistlichen Dramen und Mysterienspiele10 des christlichen Mittelalters aus den liturgischen Zeremonien und wurden ursprünglich in Kirchenräumen aufgeführt. Besonders beliebt waren die Passions-, Weihnachts- und Osterspiele; an manchen katholischen Orten schaffte diese alte Überlieferung sogar den Sprung in die Moderne.11 Mit der Zeit wurden die sakralen Inhalte mehr und mehr mit weltlichem Stoff gewürzt und als Spektakel auf Plätze außerhalb der Kirche verlegt.

In dieser Tradition steht auch Das große Welttheater (1633), das bekannteste Theaterstück des katholischen Priesters Calderon de la Barca, das heute noch ab und zu auf dem großzügig angelegten Platz vor der barocken Wallfahrtskirche in Einsiedeln aufgeführt wird und Hofmannsthal zu einem ähnlichen religiösen Schauspiel inspiriert hat: Das Salzburger große Welttheater (1922). Die dahinterstehende simple Grundidee ist die folgende: Gott verteilt die Rollen willkürlich – König, Bettler, Schönheit, Reicher, Armer, Bauer u. a. – der Mensch wird also blindlings ins Dasein geworfen. Was die Interpretation seiner gottgegebenen Rolle betrifft, wird ihm allerdings eine gewisse Freiheit eingeräumt. Scheitert er aber an seiner Rolle, so ist das Spiel für ihn endgültig aus – nach dem Motto: vom Himmel durch die Welt zur Hölle. Eine weitere Chance erhält der gestrauchelte Mensch nicht, es sei denn, er werde doch noch im letzten Moment durch einen Akt der göttlichen Gnade gerettet.

Macht das Sinn? Wo bleibt da die so viel gepriesene Nächstenliebe? Ist Bacon-Shakespeares Weltbild gegenüber derart beschränkten Vorstellungen nicht horizonterweiternd und befreiend?

Neu-Atlantis: Ideal der Zukunft

Den scharfsinnigen Analysen der menschlichen Laster und Schwächen,12 die er in seinen Schauspielen inszeniert, stellt Bacon in seinem literarischen Fragment Neu-Atlantis13 seine Vision einer idealen Gesellschaft gegenüber, in der alle Menschen nach den göttlichen Gesetzen in Frieden, Harmonie und Gerechtigkeit zusammenleben und sich optimal weiterentwickeln. Neu-Atlantis14 ist weit mehr als ein schönes Gedankengebäude; es ist keine nostalgische Utopie, die nirgendwo Fuß fassen kann, kein kühner Traum in den Wolken. Neu-Atlantis ist ein Entwurf für das permanente Goldene Zeitalter, das da kommen soll, ein richtungweisender Plan für die künftige Entwicklung der Menschheit, wie sie von der Gottheit für uns vorgesehen ist. Bacon leitet uns in seinem Gesellschaftsmodell Neu-Atlantis und in seinem gesamten Werk dazu an, wie wir die chaotischen Zustände hienieden in paradiesische Ordnung und Schönheit umwandeln können.

Die Ausgangssituation der Erzählung erinnert an Kolumbus und seine Zeit: Ein Expeditionsschiff mit erfahrenen Seefahrern an Bord, das von Peru aus Richtung China aufgebrochen und monatelang unterwegs gewesen war, geriet in einen fürchterlichen Sturm, verlor die Richtung und segelte „über die alte und die neue Welt hinaus".

Die Seefahrer verloren jegliche Orientierung, die Vorräte gingen zur Neige, kein Land war in Sicht, bloß der Tod. Da beteten die Verirrten „inbrünstig und laut zu Gott", daß er ihnen Land zeigen möge, damit sie nicht verderben müßten – Kennen wir sie nicht alle, diese Klippen des Lebens, an denen wir beinahe zerschellen, bevor uns doch noch ein neues Licht aufgeht?

Die Seefahrer wurden erhört. Eine Insel zeichnet sich am Horizont ab: Neu-Atlantis, so nennt der Autor das Eiland – in Anlehnung an das untergegangene Alt-Atlantis15 und spielt damit auf gewisse Zusammenhänge an. Die Inselbewohner selber nennen ihr Land Bensalem, was in Hebräisch Söhne des Friedens bedeutet.

Die Schiffbrüchigen werden freundlich-distanziert aufgenommen und nach und nach in die hochentwickelte Gesellschaft eingeführt. Einem von ihnen fällt eine besondere Ehre zu: Er wird vom Vater-König höchstpersönlich empfangen und in das Haus Salomon,16 eingeweiht. Bei dieser Gelegenheit erfährt er – und mit ihm auch der Leser – von den hohen Weisheiten, die wieder zum Paradies auf Erden zurückführen, wenn sie von den Herrschenden verstanden, gelebt und an alle Menschen im Lande weitergegeben werden. Darin also liegt der Schlüssel zum Garten Eden.

Die tragende Säule des vor bildlichen Inselstaates, das Haus Salomo, wird auch Akademie, Brüderschaft, Collegium, Orden oder Gesellschaft des Hauses Salomon genannt. Und weil sich in dieser Mustergesellschaft alles um die Verbreitung des Lichtes bzw. des Wissens dreht, wird das Haus Salomon auch als das Auge oder die Laterne des Landes bezeichnet. All diese Namen weisen darauf hin, daß es sich hier um eine Einweihungsschule handelt. Die Mitglieder dieses erlauchten Gremiums rund um den König sind also Eingeweihte, die das Reich in Weisheit und unter göttlicher Führung leiten.

Zur Illustration hier noch einige Auszüge und Zitate aus dem kostbaren Werk: Gegründet wurde das Haus Salomons, „um die Werte von Gottes Schöpfung und ihre Geheimnisse zu erkennen, die inneren Kräfte der Natur zu erforschen und zwischen den göttlichen Wundern, den Schöpfungen der Natur, den Werken der Kunst und den Täuschungen und Illusionen aller Art zu unterscheiden".

Bensalem versteht sich als christliche Gesellschaft – im Sinne des reinen Urchristentums. Seine Einwohner trachten „in erster Linie nach dem Reich Gottes". Zeremonien wie Gottesdienste, Hymnen, Liturgien und Gebete um Schutz, Segen und Erleuchtung sind fest ins gesellschaftliche Leben integriert. Es herrscht religiöse Toleranz und Gleichberechtigung gegenüber Andersgläubigen (z.B. Juden), sofern diese „dem Volk Bensalems in Liebe zugetan sind". Der erste Grundsatz dieser „keuschen, sittlichen" Gesellschaft lautet: „Wertschätzung des Lebens und der Familie. Jeder Betrug und jede Lüge ist den Insulanern verhaßt. Maßregelungen sind kaum nötig, man fügt sich dort willig in die natürliche Ordnung." Standesunterschiede gibt es zwar, aber sie beruhen „nicht auf Reichtum, sondern auf Weisheit, Würde und Alter".

Auf Bensalem spielen die Wissenschaften zwar eine zentrale Rolle, aber sie sind einem höheren Prinzip untergeordnet, denn hier weiß jeder: „Die Gesetze der Natur sind auch die Gesetze Gottes." (Natur-) Beobachtungen und Experimente spielen eine wichtige Rolle.

Die Wissenschaftler auf Neu-Atlantis haben sich im Laufe der Zeit durch ein kluges System der Wissensaneignung und Verarbeitung – heute würden wir dies als Teamworking bezeichnen – immense Kenntnisse in sämtlichen Zweigen der Wissenschaft angeeignet. Sie erkunden die Entwicklungen und Errungenschaften auf dem ganzen Erdkreis, ohne dabei jemandem zu schaden und ohne daß sie sich zu erkennen geben. Sie tun dies nicht aus materiellen Interessen, sondern einzig und allein, um das Licht auszubreiten.

Die Krone als Symbol der Einweihung

Bensalem oder das Reich des Friedens auf Bacons Insel Neu-Atlantis wird von den Brüdern des Hauses Salomon geleitet, dem ein weiser Vater-König vorsteht. Sein Ziel ist das Wohlergehen und die bestmögliche Entfaltung aller Menschen in seinem Reich. Bacons Vision vom Reich der Zukunft basiert auf den Säulen Wahrheit, Weisheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Das also ist das wahre irdische Königtum, das Bacon vorschwebt. Der Kontrast zu seinen Königsdramen könnte nicht größer sein!

Dieses Bildnis Bacons weist mit dem Zepter (rechts) auf seine königliche Herkunft hin und mit den Büchern auf sein geistiges Werk, das die Zeit überdauerte.

Dieses Bildnis Bacons weist mit dem Zepter (rechts) auf seine königliche Herkunft hin und mit den Büchern auf sein geistiges Werk, das die Zeit überdauerte.

Etwa tausend Jahre vor Bacon hatte ein anderer einen ähnlichen Traum: Der Träumer hieß König Arthus und der Traum Camelot. Seine Brüder waren die berühmten Ritter der Tafelrunde, der Schauplatz der Süden Englands. Und der Träumer machte seinen Traum wahr! Camelot – ein Stück Himmel auf Erden – existierte, wenn auch nur kurze Zeit. Es konnte der rundherum tobenden Hölle der menschlichen Niedertracht nicht auf die Dauer standhalten.

Die Neu-Atlanter sind diesbezüglich in einer besseren Position, erscheint doch ihr Eiland nirgendwo auf der irdischen Landkarte. Die Insulaner sind zwar gastfreundlich, gewähren aber Fremden nicht ungeprüft Zutritt zu ihrem Land. Sie wissen um die Gefahr, daß eine hohe Kultur durch hinterrücks eingenistete, zerstörerische Fremdeinflüsse zu Fall gebracht werden kann. Daher schützen sie ihr Juwel, ihren Hort der Weisheit und tarnen sich auf ihren Expeditionen.

Bei Bacon-Shakespeare geht es immer wieder um das äußere und innere Königtum, um politische Macht und um höhere Weisheiten. Bekanntlich wurde das sorgfältig gehütete, verborgene Wissen in den Dynastien von Generation zu Generation weitervererbt, nebst den Titeln, Schlössern und Ländereien.

So sinniert Malcolm, der rechtmäßige Thronerbe in Macbeth, recht selbstkritisch:
Die hab ich nicht – die Königstugenden, Wahrheit, Gerechtigkeit, Starkmut, Geduld, Ausdauer, Milde, Andacht, Gnade, Kraft, Mäßigung, Demut, Tapferkeit.

Wissen ist Macht – vor allem geistiges Wissen, nicht die „Schulweisheit". Unwissenheit ist demnach Ohn-Macht. Und gegen diese menschunwürdige Ohnmacht kämpfte Bacon-Shakespeare mit allen Mitteln seiner Macht an – eine wahrlich königliche Aufgabe.

Es versteht sich von selbst, das sich höheres Wissen stets zum Guten wie zum Bösen, zum Wohle wie zum Verderben einsetzen läßt. Ein weiterer Grund, warum höheres geistiges Wissen geheimgehalten wurde, war daher auch die Möglichkeit seines Mißbrauchs. Und dieser Mißbrauch war nicht nur möglich, sondern eher üblich – in der Shakespeare-Zeit genauso wie heute –, schließt man von der kranken Welt, den zerrütteten Beziehungen, den Intrigen, Machtkämpfen und Kriegen auf die dahinterstehenden Ursachen. Ebenso verheerende Folgen wie der Wissensmißbrauch hatte der (bereits an anderer Stelle) erwähnte, grassierende Aberglauben im Umfeld des geheimnisumwitterten Wissens. Dafür ist Bacons Mutter, Königin Elisabeth I. ein unrühmliches Beispiel.

Die Rolle des Königs, bzw. der Königin, das Königreich, die Krone (jede Zacke steht für eine Tugend) und das Szepter haben eine starke Symbolkraft. Dies wird vor allem auch an zahlreichen biblischen Stellen offensichtlich. Der wahre König repräsentiert nebst der höchsten weltlichen auch die geistige Macht im Staat. Wie sagt doch Bacon in seinem Essay Über das Beraten: „Alle guten Lehren, die man Königen geben kann, lassen sich in Wahrheit in folgende zwei Mahnungen zusammenfassen:
Bedenke, daß du ein Mensch bist,
und bedenke, daß du ein Gott oder Gottes Stellvertreter bist.

Bezeichnungen wie Kaiser bzw. Cäsar, Gottkönig (Pharao) oder König von Gottes Gnaden erinnern daran. Der König steht auch als Symbol für den Eingeweihten, den vollkommenen, freien Menschen, der sein eigener Herr und Meister geworden ist. So ein König ist imstande, seine höchsten Ideale auch zu realisieren, real (= königlich) werden zu lassen. In seinem Reich herrscht echte geistige Freiheit für alle.

So ein König oder eine Königin hat die Gotteseigenschaften in sich – oder die Königstugenden – voll entfaltet und trägt die Krone der Schöpfung zu Recht, ist er doch Gott ebenbürtig geworden. So ein König braucht auch kein äußeres Königreich mehr, wie das Beispiel von Jesus dem Christus zeigt. Die Krönung zum König (oder eine ähnliche Inauguration) ist also aus spiritueller Sicht eine geistige Einweihung, die mit einer entsprechend hohen Verantwortung, mit Dienst, Verpflichtung und Verzicht einhergeht. Es ist die Thronbesteigung des inneren Christus.

Letztlich sitzt also nur der Eingeweihte zu Recht auf dem Thron, denn er ist durch alle Prüfungen hindurchgegangen ist und hat den Endsieg errungen. Ihm gebührt die Krone der Meisterschaft.

Was uns Bacon-Shakespeare in seinen Königstragödien vor Augen führt, ist (bis auf einige Ausnahmen) eine Perversion dieses hohen Ideals des Königtums. Am krassesten illustriert er dies anhand der verschiedenen Thronräuber bzw. Usurpatoren. Dieser Thron räuber ist das niedere menschliche Ego mit all seinen Lastern, Ränken und Kniffen, das sich mit den verschiedensten Masken tarnt. Es verschafft sich den Gegenstand seines Begehrens mit Lug und Trug, und wenn es sein muß, auch mit Gewalt. Es ist nicht bereit, den beschwerlichen Weg durch all die Anstrengungen, Prüfungen und Entsagungen zu gehen, den jeder Mensch auf sich nehmen muß, um die Krone schließlich rechtmäßig zu ver-dienen und wahrlich zur Krone der Schöpfung zu werden. Statt dessen sucht sich das raffinierte Ego immer wieder eine Abkürzung, einen bequemeren Weg, der im Endeffekt ins Verderben führt.

Bacons Beseitigung – ein königlicher Verzicht

Das Thema Nummer eins, dem Bacon in seinen Essays auf den Grund geht, ist die Wahrheit. Er gehört nicht zu jenen Menschen, die „an Unklarheiten ihr Gefallen haben", denen es zu „mühselig und beschwerlich ist, die Wahrheit zu erkennen". Dieses Streben nach Wahrheit ist in seinem schriftstellerischen und poetischen Werk allgegenwärtig.

Wie läßt sich erklären, daß ausgerechnet diesem über alle Zweifel erhabenen Mann in seiner Funktion als Lordkanzler angeblich kriminelle Machenschaften nachgewiesen werden konnten – zumindest, wenn man den Annalen der Geschichte Gehör leihen will? Offensichtlich blieb ihm nichts erspart; auch er mußte den bitteren Kelch bis zur Neige trinken und durch seine individuelle Kreuzigung gehen.

Eines wissen wir schon: Bacon mußte seine wahre Identität – Francis Tudor, erstgeborener Sohn Ihrer Königlichen Majestät Elisabeth I. – auf Geheiß seiner königlichen Mutter ein Leben lang verbergen. Dieser unfreiwillige Verzicht dürfte ihm nicht leicht gefallen sein, zumal sich dahinter der viel größere Verzicht auf die englische Krone verbarg.

Mehr zum plötzlichen mysteriösen Sturz von Francis Bacon, dem Lordkanzler (1621): Seine offiziell überlieferte Biographie weist eine wunde Stelle auf, einen Bruch, der die Integrität seiner Person ernsthaft in Frage stellte. Er wurde der Veruntreuung und der Annahme von Bestechungsgeldern17 für schuldig befunden. Und was noch weit schlimmer war: Nach mehrmaligen Unschuldsbeteuerungen legte Bacon schlußendlich doch noch ein verbrieftes Schuldbekenntnis ab. Das bedeutet, er ging als unredlicher, um nicht zu sagen krimineller Politiker in die Geschichte ein. Wie erklärt sich dieser Widerspruch zur Haltung, die er in seinen Werken vertritt?

Unter den Verehrern Bacons und Kennern seines Werks gab es immer wieder welche, die aus Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit den Ungereimtheiten in seiner Biographie unermüdlich auf den Grund gingen und dabei der Wahrheit allmählich auf die Spur kamen. Der Grund für Bacons widersprüchliches Verhalten war der folgende: Sein Schuldbekenntnis liegt tatsächlich vor, obwohl er sich de facto nie etwas hatte zuschulden kommen lassen. Was hatte ihn nur aber zu diesem folgenschweren Schritt bewogen? Der Dienst an einer höheren Sache: Er nahm willentlich die Schuld eines anderen auf sich: König Jakobs I. Der sei der eigentliche Schuldige gewesen, indem er sich unrechtmäßig aus der Staatskasse bedient habe.18

Bacon war zum Opfer eines von Neidern und Gegnern herbeigeführten, raffiniert inszenierten, gegen ihn gerichteten Komplotts geworden. Nun stellt sich die Frage, warum er seinen König deckte.

Da er am königlichen Hof den Durchblick hatte, war es für ihn denn ein leichtes, die möglichen Szenerien einzuschätzen, die sich hätten einstellen können, wenn bekannt geworden wäre, wer der wahre Schuldige in dieser Streitfrage war. Also rang er sich dazu durch, seinen tadellosen Ruf zu opfern – und das war für einen Ehrenmann seines Formats wohl das Höchste – damit der König sein Gesicht wahren, sprich seine Ehre retten konnte, und um schlimmere Folgen und Wirren für das ohnehin arg gebeutelte Königreich zu vermeiden. Er rang sich also letztlich aus Liebe zu seinem Vaterland, seinem verborgenen Königreich, zum Verzicht auf seinen guten Namen und sein hohes Amt durch. Dies kam einem Rufmord gleich, setzte er doch dadurch seine beispielhafte ethische Größe und Glaubwürdigkeit in allen Belangen – und damit seine ganze Mission aufs Spiel. Das war wohl von seinen Gegnern beabsichtigt worden. Doch dieser große Geist wußte sehr wohl, daß die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde. Schon in einer früheren Verkörperung, als Bacon nicht Francis, sondern Roger hieß, wurde er durch Gerüchte19 um seinen guten Ruf gebracht. So hatte man knapp 400 Jahre zuvor den Mönch Roger Bacon20 (1214-1294) als Scharlatan und Schwarzmagier verschrien, obwohl dieser in Wirklichkeit bloß sein Wissen weitergeben wollte.

Seine letzten Jahre verbrachte Francis Bacon in ländlicher Abgeschiedenheit. Er widmete sich seiner schriftstellerischen Tätigkeit, bis er 1626 verstarb – dies nach offizieller Version, nach inoffiziellen Quellen soll er jedoch umgebracht worden sein.

Unter Königin Elisabeths Vater, Heinrich VIII., hatte ein früherer Lordkanzler seine Prinzipientreue ebenfalls mit seinem Sturz und dem Leben bezahlen müssen: Sir Thomas Morus, der Autor von Utopia. Die Geschichte wiederholt sich, im Leben wie auf der Bühne.

Die Shakespeare-Stücke:

Eine Einweihungsschule

Er reißt dem Trug die Maske ab und bringt ans Licht die Wahrheit.21 Seit jeher wurde das wahre Geheimwissen, das dem Menschen den Weg zeigt, wie er sich aus eigener Kraft endgültig aus der Welt der Täuschungen und Verwirrungen befreien kann, im Schutz von Mysterienschulen, Geheimbünden, Bruderschaften und sonstigen verborgenen Gesellschaften an die echten Wahrheitssucher weitergegeben. Denn solches Wissen offen auszusprechen oder schriftlich weiterzugeben, war bedrohlich, nicht selten sogar lebensgefährlich. Der Zugang dazu wurde von Kirchen, Fürstenhäusern und anderen Institutionen systematisch eingeschränkt, erschwert oder gar völlig untergraben.

In der Shakespeare-Zeit konnte sich ein Autor zwar schon mehr zu sagen erlauben als noch im Mittelalter. Überdies hatte die Inquisition keinen Zugriff auf England. Dennoch konnte und wollte Bacon-Shakespeare es nicht riskieren, seine Botschaften direkt weiterzugeben – wenn schon, so war dies am ehesten in Form einer literarischen Utopie wie Neu-Atlantis möglich. Am englischen Hof rollten die Köpfe schnell, auch die königlichen. Bacon-Shakespeares Mission war eine verborgene: Er war nicht nur der rechtmäßige insgeheime König der Briten, sondern auch der große verborgene Eingeweihte im Schatten einer launischen Königin.

Im Endeffekt sind Bacon-Shakespeares gesamte dramatisch-poetische Werke, seine Komödien genauso wie seine Tragödien und Königsdramen nichts anderes als Mysterienspiele, gespielt in Elisabethanischen Kostümen vor den Kulissen des damaligen Englands. In diesem Sinn ist Bacon-Shakespeares Werk als eine gigantische Einweihungsschule zu verstehen.

Allerdings ist der geistige Gehalt nicht in allen Stücken gleich tiefgründig, doch verdienen einige seiner Dramen ganz offensichtlich die Bezeichnung Mysterienspiel, beispielsweise Der Kaufmann von Venedig. Der Autor bezeichnet es als Komödie. Das heißt, der geistige Weg ist nicht nur mit Dornen und Disteln besät, sondern kann – und soll – durchaus auch Spaß machen. Das Stück ist ein typisches Einweihungsspiel mit den üblichen Verwicklungen, Prüfungen, Verschlüsselungen und Rätseln, vor allem aber mit einem stark symbolischen Gehalt.

Zur Fabel: Die edle, geistreiche, wunderschöne und reiche Prinzessin Porzia auf Schloß Belmont verspricht ihre Hand jenem Prinzen, der von drei Kästchen aus Gold, Silber und Blei das richtige auswählt: nämlich das Kästchen, das ihr Bildnis enthält. Zur Erleichterung der Wahl ist auf jedem Kästchen ein Spruch eingraviert: Auf dem goldenen Kästchen steht: „Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mann begehrt." Auf dem silbernen ist zu lesen: „Wer mich erwählt, bekommt so viel, wie er verdient." Und das Bleikästchen trägt die Inschrift: „Wer mich erwählt, der gibt und wagt sein Alles dran."

Was würden Sie wählen? Und warum? Rätseln Sie selber mit.

Porzia spielt in dem Stück eine Doppelrolle und tritt auch als weiser Richter auf. Sie repräsentiert in einer Person die höchste göttliche Liebe und Barmherzigkeit, die Weisheit, Gerechtigkeit und Gnade. Sie verkörpert das Prinzip der Gnade, die der Gerechtigkeit übergeordnet ist. Ihr Gegenspieler, der Jude Shylock dagegen hängt stur an den Buchstaben des Gesetzes – was ihm zum Verhängnis wird – und steht für das Prinzip der Rache. Porzias Plädoyer für die Gnade gehören wohl zu den eindrücklichsten Versen in Bacon-Shakespeares Werk:
Die Art der Gnade weiß von keinem Zwang.
Sie träufelt, wie des Himmels milder Regen zur Erde unter ihr, zweifach gesegnet:
Sie segnet den, der gibt,
und den, der nimmt; (…)
Das Zepter zeigt die weltliche Gewalt, (…)
doch Gnad' ist über dieser Zeptermacht, (…)
Sie ist ein Attribut der Gottheit selbst,
und ird'sche Macht kommt göttlicher am nächsten,
wenn Gnade bei dem Recht steht (IV/1)

Selbst ein Eingeweihter

Bacon-Shakespeare war zweifelsohne eines der größten Universalgenies aller Zeiten. Als Bacon repräsentiert er den Universalgelehrten, Wissenschaftler, Juristen, Politiker, Schriftsteller und Philosophen, als Shakespeare verkörperte er den größten Dramatiker aller Zeiten, der in seinen Werken den Sinn und Zweck allen Lebens aufzeigt, nämlich im Endeffekt die Rolle auf der Bühne des Lebens so gut zu spielen, daß wir hier gar nicht wieder auftreten müssen, es sei denn, wir tun es freiwillig. Wir sollen von der Marionette der finsteren Mächte zum Regisseur unseres eigenen Lebens werden.

Der Weg führt also vom abstrusen Theater zur göttlichen Ordnung, vom Schein zum Sein, von der verwirrenden Zersplitterung zur Synthese aller Wissenschaften, von der menschlichen Zwiespalt zur Einheit in Gott, von Krieg und Zerstrittenheit zu Frieden und Harmonie. Ein wunderbarer Traum, den ein großer Meister jahrhundertelang hegte und an dem er unermüdlich arbeitete, soll dereinst in Erfüllung gehen. Das permanente Goldene Zeitalter soll in Zukunft Wirklichkeit werden. Denn hinter Francis Bacons und dem wahren William Shakespeare verbirgt sich niemand anders als der große Meister St. Germain,22 ein Abgesandter der Großen Weißen Bruderschaft. Dieser begeisterte Lehrer der Weisheit amtete in längst vergangenen Zeiten – als es noch keine Geschichtsschreibung gab, wie wir sie heute kennen23 –, als Gottkönig eines riesigen Reiches, in dem er bereits verwirklichte, was er als Bacon in Neu-Atlantis wieder hervorruft: ein Goldenes Zeitalter, doch dieses Mal von Dauer.

Darauf heute hinzuarbeiten, ist unsere nobelste Pflicht.

Quellenangaben

  • 1 Mehr über diesen einmaligen mysteriösen Fall, diesen wahrlich königlichen Krimi und all die damit einhergehenden Ungereimtheiten, können Sie in der letzten Ausgabe der ZeitenSchrift (Nr. 59) nachlesen: Die letzten Tudors
  • 2 Bacon. Aus der Vorrede zur „Erklärung der Natur“.
  • 3 In einem Schreiben an den Herzog von Buckingham, dem Bacon seine Essays widmete.
  • 4 In seiner Instauratio magna (Große Wiederherstellung) – das Werk blieb ein Torso – strebte er nichts Geringeres als eine Erneuerung der gesamten Wissenschaft in all ihren Teilgebieten an und setzte diese theoretische Vorstellung in seinem literarischen Werk Das neue Atlantis in Form einer konkreten Zukunftsvision um.
  • 5 Bekannte Aussage Shakespeares.
  • 6 Wie es euch gefällt, II/7, 140-144
  • 7 Auch in Hamlet sterben der Thronräuber und Hamlets Gegenspieler an „Gift, gemischt von eigner Hand“. Ähnlich wie in Hamlet fällt auch in Macbeth dem rechtmäßigen Kronprinzen die Aufgabe zu, die ausgleichende Gerechtigkeit wieder herzustellen, indem er den Usurpator (Thronräuber) in der Hitze des Gefechts ins Jenseits befördert. Nun kann im Land wieder Frieden und Ruhe einkehren.
  • 8 Wörtliche Bedeutung: Zuschauerplatz
  • 9 also durch den Machtspruch eines maschinell von oben herabgelassenen Gottes, das heißt, durch einen äußeren Einfluß.
  • 10 Dabei ging es um Geheimlehren des Christentums.
  • 11 z.Bsp. das Osterspiel von Muri/CH, das Oberammergauer Passionsspiel.
  • 12 in seinen Essays über Neid, Argwohn, Ehrgeiz, Rache, Heuchelei, Verstellung, Verschlagenheit etc.
  • 13 Wie schon vor ihm Plato mit Der Staat, Thomas Morus mit Utopia (1515) und Campanella mit Cittá del Sole (1602). Leider kam Bacon nicht mehr dazu, die idealen Vorstellungen zur Gesetzgebung und Staatverfassung wie geplant auszuführen. Geschrieben wurde Neu-Atlantis wahrscheinlich 1624.
  • 14 Über die verschiedenen Utopien einer idealen Staatsform lesen Sie in der ZeitenSchrift Nr. 6.
  • 15 Zu Atlantis und Lemuria lesen Sie bitte unsere Artikelserien in der ZeitenSchrift Nr. 31!
  • 16 In Anlehnung an die biblische Gestalt des weisen Königs Salomon.
  • 17 was damals üblich war
  • 18 Mehr dazu in Francis Bacon – the Spear Shaker, von Helene H. Armstrong, San Francisco 1985.
  • 19 Gerüchte sind übrigens auch Gegenstand eines Essays von Francis Bacon.
  • 20 Vgl. die Biographie von Roger Bacon in ZeitenSchrift Nr. 3, sowie ZeitenSchrift Nr. 25 ab Seite 21.
  • 21 Lukretia, 939–940
  • 22 Man sagt ihm nach, er habe in seiner letzten Verkörperung als Comte de St. Germain ein unbegrenztes, über seine Verkörperungen hinweg bestehendes Gedächtnis gehabt, was manches erklären würde.
  • 23 „Das Sahara-Reich“ aus Enthüllte Geheimnisse von Godfré Ray King, zu bestellen bei der ZeitenSchrift.