Das Phänomen Greta Thunberg

Sie hat zwischen Mai 2018 und Dezember 2019 fast zwanzig Ehrungen und Auszeichnungen erhalten, darunter auch den alternativen Friedensnobelpreis. Sie sprach mit dem Papst, beim WEF und vor der UNO. Tausende Menschen gehen ihretwegen auf die Straße, um das Klima zu retten.

Das ging dann einigen doch zu weit, als kurz vor Ostern der Berliner Bischof Heiner Koch den Klimaschutz-Aktivismus von Greta Thunberg mit der Mission von Jesus verglich. Die Freitagsdemonstrationen (Fridays for Future) erinnerten ihn an den Einzug Jesu in Jerusalem, ließ er verlauten. Bereits im Dezember 2018 hatte die Kirchengemeinde im schwedischen Limhamn getwittert: „Ankündigung: Jesus von Nazareth hat jetzt eine seiner Nachfolgerinnen ernannt: Greta Thunberg!“ Und im Schweizer Tages-Anzeiger erklärte letzten September der Gastautor Josef Hochstrasser (erst katholischer, dann reformierter Pfarrer, jetzt Agnostiker), Greta sei eine Prophetin im Sinne der jüdisch-christlichen Bibel, denn sie trete „im Stile einer Einzelkämpferin“ auf, „kompromisslos, anklagend, visionär und unabhängig“.

„Schulstreik fürs Klima“: Greta Thunberg mobilisiert weltweit die Jugend.

„Schulstreik fürs Klima“: Greta Thunberg mobilisiert weltweit die Jugend.

Greta eine Einzelkämpferin?
Am 20. August 2018 setzte sich die damals 15-jährige Schwedin vor das Regierungsgebäude in Stockholm. Bei sich hatte sie ein Plakat mit der Aufschrift: „Schulstreik fürs Klima“. Noch am selben Tag kam der Finanzspezialist und Unternehmer Ingmar Rentzhog, der gerade im Begriff war, die Klimaplattform We Don’t Have Time zu gründen, am Regierungsgebäude vorbei. Seine Twitter-Nachricht mit dem Foto der einsamen Greta machte deren Schulstreik quasi über Nacht weltbekannt.

Doch wer ist Ingmar Rentzhog und was ist We Don’t Have Time? Rentzhog ist Gründer der Kommunikationsberatungsfirma Laika, die ihre Dienste in erster Linie der Finanzindustrie zur Verfügung stellt und kürzlich von der Crowdfunding-Plattform FundedByMe übernommen wurde, bei der Rentzhog im Vorstand sitzt. Er ist ebenfalls Vorstandsmitglied von Global Utmaning (ein von der früheren schwedischen Ministerin Kristina Persson gegründeter Thinktank, dessen Aufgabe es ist, die globale Agenda zugunsten nachhaltiger Entwicklung zu beeinflussen) und wurde mehrfach im Rahmen des Climate Reality Project vom ehemaligen Vizepräsidenten der USA, Al Gore, trainiert. Rentzhogs Firma We Don’t Have Time soll das größte soziale Netzwerk für sämtliche klimabezogenen Angelegenheiten nach dem Vorbild von TripAdvisor sein. Man will nicht nur Personen, sondern auch Produkte, Unternehmen, Marken usw. bewerten und einer der größten Akteure im Internet werden, wie Rentzhog bereits im Dezember 2017 erklärt hatte. Dabei konzentriert die Firma ihre Arbeit auf die Bereiche Soziale Medien, Digitale Werbung und Klimakompensation – ein lukratives Geschäft: Der Markt für Klimakompensation beträgt allein in den USA mehr als 92 Milliarden US-Dollar! Außerdem besitzt Rentzhog sehr gute Kontakte zum Club of Rome, dessen weltweite Live-Präsentation des Climate Emergency Plans er im November 2018 moderierte.

Ausgerechnet Ingmar Rentzhog also, der in Sachen Klima keineswegs eine Nullnummer ist, „entdeckt“ als Erster die mutige Aktion von Greta Thunberg. Allerdings kam er nicht zufällig vorbei. Wie er selbst sagt, hatte er „einen Tipp bekommen“. Und er wusste ganz genau, wer das Mädchen war, auch wenn er in seinem Tweet ihren Namen nicht nannte. Mindestens seit Mai 2018 war Rentzhog nämlich mit der Familie Thunberg bekannt. Sowohl Greta Thunbergs Mutter, Malena Ernman, wie auch Ingmar Rentzhog waren geladene Gäste bei der Eröffnungsgala der Klimakonferenz (Climate Change Day) in Stockholm. Auch Gretas zwei Jahre jüngere Schwester Beata, die von der Mutter offenbar das Gesangstalent geerbt hat und an ADHS leidet, war im Programm aufgeführt.

Die Thunbergs sind in Schweden keine Unbekannten. Gretas Vater, Svante Thunberg, ist Schauspieler und Produzent und der Sohn des Regisseurs und Schauspielers Olof Thunberg, ihre Mutter ist eine bekannte (Opern-) Sängerin. Sie vertrat Schweden 2009 beim Eurovision Song Contest und wurde 2010 vom schwedischen König Carl Gustaf offiziell zur „Hofsängerin“ ernannt. Die Thunbergs sind überzeugt, dass die Klima-Krise für die Krankheiten ihrer Töchter verantwortlich ist.1 Daher engagiert sich auch Malena Ernman, seit bei Greta das Asperger-Syndrom diagnostiziert worden war, für das Klima. 2016 wurde Ernman für ihre „nachhaltige Arbeit als furchtlose Debattiererin in den Sozialen Medien“ mit dem Martin-Luther-King-Preis ausgezeichnet, der von der Christlichen Friedensbewegung, der Equmenia-Kirche und dem Schwedischen Christenrat verliehen wird. Sowohl Greenpeace und dem WWF diente sie mit ihrer Prominenz als Aushängeschild; vom WWF wurde sie aufgrund ihres Engagements in der Klimaproblematik 2017 als Umweltheldin des Jahres geehrt.

Sehr gut fürs Geschäft

Das ist insofern erstaunlich, als Greta selbst sagte, ihre Eltern hätten mit Klima-Aktivismus rein gar nichts am Hut gehabt, bis sie, Greta, die beiden auf das Problem aufmerksam gemacht habe. Welche Absichten auch immer die Eltern Thunberg verfolgen mögen – würden Sie als Eltern Ihr minderjähriges Kind während Wochen die Schule schwänzen und es ganz alleine protestierend auf der Straße sitzen lassen, wobei sie ihm auch noch das Mittagessen vorbeibringen müssten? Und ist es reiner Zufall, dass das Buch „Szenen des Herzens“ von Gretas Mutter genau vier Tage nach Beginn von Gretas Schulstreik erschien? Vielleicht kam der Tipp an Rentzhog von ihnen, vielleicht aber auch von jemand anderem.

Rentzhog jedenfalls brüstet sich ganz offen damit, dass Greta seine Entdeckung sei: „Ich habe Greta dann auch mit vielem geholfen und dazu auch mein Kontaktnetzwerk verwendet.“ Dank dieses Kontaktnetzwerks erhielt Greta Zugang zum Klimagipfel im polnischen Kattowitz (Katowice), wo sie vor einem fast leeren Saal sprach. In den Medien wurde dies allerdings so dargestellt, als hätte sie vor einer Menge gesprochen, die ihr enthusiastisch applaudierte. … Und so nahm die Sache ihren Lauf. Greta war eine Zeit lang offizielle Beraterin von We Don’t Have Time, bis publik wurde, dass Rentzhog dank ihr sein Unternehmen überhaupt erst aufbauen konnte. So war es ihm in nur wenigen Monaten möglich, von mehr als fünfhundert Investoren in sechzehn Ländern rund 2,15 Millionen Euro „Startgeld“ einzunehmen. Gretas Eltern wollen von diesen kommerziellen Verwicklungen nichts gewusst haben. Greta distanzierte sich im Februar 2019 von We Don’t Have Time und trat aus dessen Vorstand aus, Rentzhog entschuldigte sich bei Gretas Eltern, das Mädchen zu Werbezwecken missbraucht zu haben. Profitiert hatten zu diesem Zeitpunkt aber schon beide Seiten von dieser „zufälligen“ Zusammenarbeit.

Quellenangaben

  • 1 In ihrem Buch bezeichnet Gretas Mutter deren Asperger-Syndrom allerdings als „Superpower“ und schreibt zudem, dass Greta einer der wenigen Menschen auf dem Planeten sei, die CO2 (ein farb- und geruchloses Gas) sehen könnten.