Von der Kunst des Sterbens

Was geschieht, wenn wir sterben? Was bestimmt den Zeitpunkt des Todes? Ein Blick über die ‘magische Schwelle’ zwischen Dies- und Jenseits.

Unsere Kultur hat den Tod ausgebürgert. Eine 1994 an deutschen Gymnasien durchgeführte Studie zeigte denn auch, daß sich drei Viertel der befragten Schüler einen offeneren Umgang mit dem Thema Tod wünschen. Drei von fünf Jugendlichen beschäftigen sich oft oder gelegentlich mit dem eigenen Tod, und achtzig Prozent fragen nach dem Sinn des Lebens. Gerade Kinder seien genauso neugierig zu wissen, wohin sie einmal gehen werden, wie woher sie kommen, betont die amerikanische Organisation ‚Death Education‘, die seit Jahrzehnten Kurse für Jugendliche zu diesem Thema anbietet. Doch nicht nur Kinder wollen wissen, wie es ist, tot zu sein. Die Antworten, die uns Wissenschaft und Theologie auf unsere Fragen geben, stellen nicht zufrieden. Weil wir meinen, den Tod nicht zu kennen, fürchten wir das Unbekannte an ihm. Diese Angst vor dem Tod wiederum führt gerne zu einer allgemeinen Lebensangst. Michel de Montaigne hatte dies erkannt: „Wer die Menschen das Sterben lehrt, lehrt sie zu leben."

‚Gevatter Tod‘ ist uns vertrauter, als wir glauben. Wir sind schon so oft gestorben und werden zweifellos noch viele Male sterben. Wir fürchten den Tod, weil er uns des physischen Körpers beraubt. Doch das Bewußtsein ist unsterblich und gleitet während des Sterbens nur in eine andere Daseinsform hinein. Der Tod selbst ist ein Teil der großen Illusion und besteht nur infolge der Schleier, die wir um uns herum gezogen haben. Doch schon vor dem Ende des 21. Jahrhunderts werden so viele hochentwickelte Menschen auf Erden leben, daß niemand mehr den Tod fürchten wird. In den Worten des Tibetischen Meisters Djwhal Khul: „Die Herrschaft der Todesfurcht ist beinahe zu Ende, und wir werden bald in eine Zeit des Wissens und der Gewißheit eintreten, welche unserer Furcht den Boden entziehen wird."

In seiner Junibotschaft von 1940 schrieb der ‚Tibeter‘ gar: „Die Todeskräfte sind heute weit und breit aktiv, aber es handelt sich um den Tod der Freiheit, den Tod der freien Rede, den Tod des freien menschlichen Handelns, den Tod der Wahrheit und der höheren geistigen Werte. Diese sind die wesentlichsten Faktoren im Menschheitsleben. Der Tod der physischen Hülle ist unwichtig im Vergleich zu diesen, und er wird durch Wiedergeburt und neue Gelegenheit leicht wieder berichtigt."

Der jüngere Bruder des Todes

Wir Menschen sind uns nicht bewußt, daß wir jeden Abend einen kleinen ‚Tod‘ sterben und uns am nächsten Morgen erneut ‚inkarnieren‘. Nicht umsonst wird der Schlaf der ‚jüngere Bruder des Todes‘ genannt. Tod und Schlaf sind bis auf einen ‚kleinen technischen Unterschied‘ absolut identisch. Wo wir während des Schlafes durch die ätherische ‚Silberschnur‘ mit unserem physischen Körper verbunden sind, und dadurch jederzeit in ihn zurückkehren können, wird diese Verbindung im Tode getrennt. Wir alle sind demnach schon äußerst gewandt im Verlassen unseres Körpers. Es ist so vollkommen normal, daß wir kaumeinen Gedanken daran verschwenden. Und nur, weil wir uns morgens meist nicht an unsere Aktivitäten der vergangenen Nacht erinnern können, bringen wir Schlaf und Tod nicht zueinander in Beziehung. Bei beiden sind wir vorübergehend von der physischen Ebene ‚verreist‘ – im Tode dauert es nur ein wenig länger.

Während des Schlafes begeben wir uns in die höheren Reiche, wo wir dann beispielsweisemit unseren verstorbenen Angehörigen zusammentreffen oder anderweitige Aufgaben erfüllen. Wer sich nicht vorsieht (weil er beispielsweis ein schlechter Stimmung eingeschlafen ist oder einen Horrorfilm geschaut hat), kann sich auch in den niederen Astralgefilden verstricken, wo unangenehme Astral-Wesenheiten einen bedrängen. Auch selbst erschaffene und unverarbeitete Probleme des vergangenen Tages manifestieren sich in der Astralwelt augenblicklich. Die Folge haben wir alle schon erlebt: Alpträume.

Während des Einschlafens entströmt der Ätherleib der linken Körperseite in der Form eines Bandes, das sich wie eine Spirale aufrollt und um den Kopf des Schläfers zieht. Dort bleibt ein kleiner Lebensfaden verankert, der es dem Schläfer ermöglicht, bei Gefahr blitzschnell in den Körper einzufahren, wo auch immer er sich gerade aufgehalten haben mag. Dies ist der Grund für das beinahe schmerzhafte Aufschrecken aus dem Schlaf, wenn die Seele von niederen Astralwesenheiten zu arg bedrängt wurde oder jemand einen unsanft weckt.

Da wir alle bereits solche Experten im ‚Sterben‘ sind, sollten wir uns bewußt mit dem Tod auseinandersetzen, denn Schlaf oder Tod ist letztlich einerlei. Wie drückte es doch Leo Tolstoi so treffend aus: „Wie wir Träume in diesem Leben Tausende durchleben, so ist auch dieses unser Leben eins von den Tausenden der Leben, in die wir aus dem wirklicheren, realeren, wahreren Leben eintreten, aus dem wir beim Eintritt in dieses Leben kommen, und in das wir sterbend zurückkehren. Unser Leben ist einer von den Träumen eines wirklicheren Lebens und so weiter in die Unendlichkeit bis zu einem letzten, wahren Leben – dem Leben Gottes."

Djwhal Khul, der ‚Tibeter‘, sprach von der ‚Kunst des Sterbens‘, welche man die Menschen wieder lehren müsse. Im Buch ‚Esoterisches Heilen‘ von Alice A. Bailey ging er deshalb auf den Sterbeprozeß ein:

Die Seele bestimmt den Zeitpunkt des Todes

Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, daß der Zeitpunkt eines natürlichen Todes nie zufällig ist, sondern von der Seele bestimmt wird. Der Tod im üblichen Sinne des Wortes tritt ein, wenn der Wille-zum-Leben im physischen Körper schwindet und der Wille-zum-Zurückziehen an seine Stelle tritt. Djwhal Khul: „Die Schwierigkeit liegt gegenwärtig darin, daß verhältnismäßig wenige Menschen seelenbewußt sind, und daß infolgedessen die meisten Menschen die ‚okkulten Befehle‘ ihrer eigenen Seelen gar nicht bewußt wahrnehmen. In dem Maße, wie die Menschheit seelenbewußt wird, wird sie im Sterben einen ‚befohlenen Vorgang‘ sehen, der vollbewußt und im verständnisvollen Erkennen der zyklischen planvollen Absicht ausgeführt wird."