Wer finanzierte Hitler?

Ohne Geld keine Revolution, ohne Geld kein Hitler. Wer gab der NSDAP soviel Geld, daß sie innerhalb von zehn Jahren aus dem Nichts an die Macht kommen konnte? Unsere Spurensuche zeigt: Niemand spendete Hitler aus Idealismus Geld. Jeder sah in ihm einfach ein Mittel zum eigenen Zweck.

Ein jeder Mensch hat seinen Preis.

Robert Walpole

Bevor wir Hitlers weiteren Aufstieg zur Macht in der nächsten Ausgabe der ZeitenSchrift-Druckausgabe Nr. 48 weiterverfolgen, gehen wir hier der Frage nach, wer seine Geldgeber waren. Denn Geld ist das Benzin nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Weltpolitik. Zu Recht kommentiert das Ministerium des Äußeren im Jahre 1923 über die Nazis: „Wie zum Krieg, so gehört zur Revolution erstens Geld, zweitens Geld, drittens Geld. Ohne Geld keine Revolution. Wer finanzierte Hitler?Sie alle ermöglichten Hitlers Aufstieg zur Macht mit der Leistung oder Vermittlung teils erheblicher Geldspenden: Gegen den Uhrzeigersinn von links nach rechts: John Pierpont Morgan, amerikanischer Bankier, adlige Exil-russen, welche das Zarenreich (Flagge) wiederherstellen wollten; Dr. Max Erwin von Scheubner-Richter; Kurt Lüdecke; Benito Mussolini; Emil Kirdorf; John D. Rockefeller; Frankreich; Stahlbaron Fritz Thyssen; Henry Ford, US-Autokönig; Dietrick Eckardt sowie die IG Farben. Als Adolf Hitler im Herbst 1919 erstmals zur NSDAP stößt, befinden sich in der Parteikasse gerade mal 7 Mark und 50 Pfennig. „Das war ja eine Vereinsmeierei allerärgster Art“, erinnert sich Hitler. „Außer einigen Leitsätzen war nichts vorhanden, kein Programm, kein Flugblatt, überhaupt nichts Gedrucktes, keine Mitgliedskarten, ja nicht einmal ein armseliger Stempel.“ Hitler bemüht sich um zusätzliches Geld, doch das ist eine frustrierende Arbeit, welche die Parteikasse nach großen Anstrengungen auch nur mit lächerlich geringen 700 Reichsmark füllt.

Die politische Existenz der NSDAP steht denn auch mehr als einmal in Frage: Nach dem mißglückten Hitler-Putsch im Herbst 1923 wandert der NS-Chef ins Gefängnis, die Partei wird bis 1925 verboten und die Regierung beschlagnahmt das Vermögen. „Bis zu den ersten Reichstagswahlen mit NSDAP-Beteiligung bleibt die Basis wackelig“, schreibt Wolf gang Zdral in seinem Buch Der finanzierte Aufstieg des Wolf gang H. . Im Januar 1928 berichtet die Münchner Polizei: „Die von Hitler immer wieder behaupteten Fortschritte der nationalsozialistischen Bewegung treffen besonders für Bayern nicht zu. In Wirklichkeit ist das Interesse an der Bewegung sowohl auf dem Lande als auch in München im Abflauen begriffen. Sektionsversammlungen, an denen im Jahre 1926 3'000 bis 4'000 Personen teilnahmen, sind nur mehr von höchstens 60 bis 80 Mitgliedern besucht.“

Geld ist das Brecheisen der Macht.

Friedrich Nietzsche

Auch das Votum der deutschen Wähler am 20. Mai 1928 fällt für die Nationalsozialisten enttäuschen aus: Nur zwölf Abgeordnete dürfen in den Reichstag einziehen – von Erfolg kann da noch keine Rede sein. Dies ändert sich erst mit der Wahl vom 14. September 1930, bei der die NSDAP 107 Mandate erzielt. Zdral: „Eine absolute Mehrheit schafft Hitler bis zu seiner Machtübernahme nie; 37 Prozent der Stimmen bleiben sein bestes Ergebnis.“

Es war also keineswegs ein unaufhaltbarer Aufstieg, der Hitler an die Macht brachte. Um das Jahr 1928 hätte die NSDAP genausogut wieder untergehen können – wenn da nicht auf einmal beträchtliche Parteispenden gewesen wären, die Hitler die Mittel für gewaltige Propagandaschlachten lieferten.

Dieser Artikel soll der Frage nachgehen, wer Hitler und der NSDAP wann wieviel Geld aus welchen Gründen gegeben hat – wenn auch diese Frage nicht endgültig zu beantworten ist, da viele Dokumente „verschollen“ und manche Quellen nicht über alle Zweifel erhaben sind.

Die ersten Geldgeber Hitlers

Wenn ein kleiner österreichischer Gefreiter innerhalb von vierzehn Jahren aus dem Nichts eine Massenbewegung aufbaut, wenn er eine Hunderttausende zählende Privatarmee wie die SA auszurüsten, auszubilden und zu ernähren vermag und eine gewaltige Propagandamaschinerie inklusive Großveranstaltungen mit hunderttausend Teilnehmern finanziert, wenn er zweimal die Woche und später täglich den Völkischen Beobachter herauszugeben kann, wenn er überall klotzt und nicht kleckert – feudale Parteizentralen kauft, Tausende von Flaggen und gleich zwei Flugzeuge aufs Mal – dann muß das Geld in Strömen fließen oder gigantische Schuldenberge müssen in die Höhe wachsen.

Bei Hitler ist beides der Fall. Das Geld fließt überreichlich und reicht doch oft nicht aus. „Selbst die engsten Getreuen Hitlers leiden unter den maßlosen Ansprüchen des Chefs“, schreibt Wolf gang Zdral in Der finanziert Aufstieg des Adolf H. „Joseph Goebbels nach der Eröffnung der Berliner NS-Dependance: ‚Die Finanzlage war katastrophal. Der Gau Berlin besaß damals nichts als Schulden. (...) Keiner will uns Kredit geben. Wenn man die Macht hat, kann man Geld genug bekommen, aber dann braucht man es nicht mehr. Hat man die Macht nicht, dann bedarf man des Geldes, aber dann bekommt man es nicht.’“

Zwar stellen die Behörden nach Hitlers Putschversuch im Jahre 1923 fest, daß die NSDAP über ein Vermögen von 170'000 Goldmark verfügt (damals enorm viel Geld), doch die Partei hatte bei der Machtübernahme mehrere Millionen Mark Schulden und die SA-Leute mußten auf die Straße, mit ihren Büchsen klappern und Geld zusammenbetteln.

Ohne massive Geldspenden hätte also die NSDAP niemals den Lauf der Weltgeschichte dermaßen beeinflussen können, wie sie es später tat. Hitler wäre ein belächelter Eiferer unter vielen geblieben, eine verkrachte Existenz mit Größenwahn.

Deshalb ist es gerechtfertigt, daß man den Spuren des Geldes folgt und fragt: Welche Kreise haben Hitler langsam, aber sicher zur Macht verholfen? Gab es einen Augenblick, wo man ihn durch Entzug von Spenden hätte stoppen können? Oder war er nur eine willkommene Figur im Schachspiel der wirklich Einflußreichen? In einem Spiel, bei dem die Regeln von unsichtbaren Spielern gemacht werden?

Dichter, Gönner, Magier

Der Schriftsteller Dietrich Eckart, jener Mann, der nach Hitlers eigenem Bekunden die größte Bedeutung für seinen Lebensweg hatte, weiht den jungen Revolutionär nicht nur in schwarzmagische Riten ein, sondern öffnet ihm auch finanziell immer wieder Türen. Zu seinen frühesten Gönnern gehört das Ehepaar Edwin und Helene Bechstein, Miteigentümer der berühmten Pianofabrik C. Bechstein. Helene Bechstein nimmt den jungen Hitler unter ihre Fittiche, bringt ihm Benehmen bei und die richtige Art, sich zu kleiden. Immer wieder gibt sie ihm Geld; einmal die stolze Summe von 45'000 Mark als Darlehen, die er in gegenseitigem Einverständnis aber nie zurückzahlt. Sie überläßt ihm auch wertvolle Kunstgegenstände, die Hitler als Sicherheit einsetzt, wenn er Kredite braucht. Eckart leiht Hitler ebenfalls Geld, beispielsweise, als dieser im Herbst 1922 zwei Lastkraftwagen kauft.

Hitler erkennt bald, daß er eine Propagandawaffe benötigt. So nutzt er Ende 1920/Anfang 1921 die Gelegenheit, und kauft die in finanzielle Schräglage geratene Zeitung Der Völkische Beobachter. Eckart ist es, der die zwei dafür notwendigen Kredite von knapp 120'000 Mark auftreibt. Mit der Zeitung beginnen die Finanzkrisen aber erst richtig, und Eckart muß immer wieder einspringen, um auf seine unnachahmliche Art neuerliche Gelder aufzutreiben – manchmal buchstäblich in letzter Minute vor dem Ruin. Auch an die Leser wird appelliert, mit Spenden ihr Blatt am Leben zu erhalten.

Im Mai 1922 erhält der junge, noch weitgehend unbekannte Hitler die erste Gelegenheit, außerhalb Bayerns vor den Reichen und Mächtigen zu reden. Dem National-Club von Berlin gehören Bankiers, Großgrundbesitzer, Offiziere und Professoren an. Hitler ist erfolgreich: Ernst von Borsig, Besitzer einer Lokomotivfarbrik, wird ihn künftig unterstützen und bei anderen Industriellen für ihn Werbung machen. Der Geschäftsführer einer Münchner Malzkaffeefirma, Hermann Aust, arrangiert daraufhin mehrere Treffen Hitlers mit bayerischen Industriellen. Diese sind beeindruckt, zücken die Geldbörse. Ein Vorarlberger Freund von Dietrich Eckart namens Gansser reist 1923 in die Schweiz und geht die dortigen gut situierten Bürger um Spenden für Hitler an. Hitler wird zu Vorträgen eingeladen und reist mit einem Gesamthonorar von 33‘000 Schweizer Franken (zu Inflationszeiten waren ausländische Devisen ein Mehrfaches wert) nach Hause.

Dietrich Eckart legt auch den Grundstein für einen weiteren Auslandskontakt, der die begehrten Fremdwährungen einbringt. 1919 lernt er Warren C. Anderson kennen, der als Europa-Präsident des amerikanischen Autoproduzenten Ford arbeitet. Konzernchef Henry Ford’s Abneigung gegen die Juden ist weitherum bekannt; sie geht soweit, daß er sogar ein Buch mit dem Titel The International Jew schreibt, in welchem er den Juden die Schuld an der Misere in Wirtschaft und Politik gibt. Eckart nutzt seinen Kontaktmann zu Ford, und tatsächlich überweist der Autoindustrielle bald darauf Gelder an Hitler und seine Partei.

Ein Pseudoadliger mit Revolutionärsblut

Ein weiterer früher Gönner und Geldeintreiber Hitlers ist der Baltendeutsche Max Erwin Richter, der sich seit der Heirat mit der 29 Jahre älteren Adligen Mathilde fortan „von Scheubner-Richter“ nennt. Er hat Hitler im Oktober 1920 kennengelernt und ist geradezu ein Genie im Beschaffen von Geldmitteln. Von Scheubner-Richter wird beim Putsch 1923 in München erschossen. Wie wichtig er für Hitler war, mag dessen Aussage erhellen: „Alle sind ersetzbar, nur einer nicht: Scheubner-Richter!“

Diese Anerkennung hatte sich der Balte durch sein Anzapfen von Finanzquellen bei russischen Zarenfreunden und bei rechtsradikalen Kreisen um General Erich Ludendorff erworben. Scheubner-Richter ist es auch, der das erste Treffen zwischen Hitler und seinem späteren Gönner, dem Konzernerben Fritz Thyssen arrangiert.

Scheubner-Richter macht sich bei den in Deutschland lebenden adligen und reichen Exilrussen beliebt, indem er sie organisiert und zu Treffen einlädt. Zur Geldbeschaffung hat er zwei gemeinnützige Organisationen gegründet, weil man solchen leichter spendet als Privatleuten. Zudem setzt er damalige Prominente als Galionsfiguren ein – beispielsweise den bayerischen Aristokraten Freiherr Theodor von Cramer-Klett, Vertreter des Vatikans in Bayern und glühender Faschist. Ferner Großfürstin Viktoria Fedorowna, deren Gatte Kirill Ansprüche auf den Zarenthron erhebt. Und den einflußreichen General Vasilij Biskupskij, der vor der Oktoberrevolution einer der jüngsten Generäle der russischen Armee gewesen war. Diesem ist klar, daß Lenin & Co. sich nur mit Waffengewalt aus seinem Heimatland vertreiben lassen, und daher zeigt er sich willig, jenen deutschen Politiker zu unterstützen, der sich als Bolschewisten-Hasser hervortut und in einer kommunistisch-jüdischen Weltverschwörung den Quell allen Übels sieht.

Die Höhe des geflossenen Geldes beschreibt Biskupsij 1935 rückblickend in einem Bericht an Heinrich Himmler als eine „geradezu horrende Summe“; zusätzlich hat die Großfürstin Viktoria „aus dem Verkauf ihrer Juwelen“ bedeutende Beträge zur Verfügung gestellt. In einem Brief vom Jahr 1939 beziffert der General die damals gewährte Finanzhilfe auf eine halbe Million Goldmark – für damalige Verhältnisse wahrlich ein fürstliches Vermögen, kostete doch ein Haus nur ein paar tausend Mark!

Biskupskij läßt auch seine Beziehungen nach Paris spielen und zapft den dort ansässigen Rußländischen Kommerz-, Industrie- und Handelsverband an. Die Spenden fließen, denn Mitglieder der Organisation sind die Unternehmer und Erdölmagnaten Denisov, Nobel und Gukasof, die „aus dem russischen Zusammenbruch große Summen gerettet haben.“ Der General ist bei den reichen Ölmagnaten beliebt, da er nach seiner Flucht aus Rußland mit Armeefreunden abenteuerliche Pläne geschmiedet hat, die verloren gegangenen Erdölfelder im Kaukasus zurückzuerobern. „Solche Sirenengesänge hören die Unternehmer gern – die ferne Hoffnung auf diese Besitztümer öffnet ihre Brieftaschen“, schreibt Wolf gang Zdral.

Ein Playboy betritt die Bühne

Zu den frühesten Finanziers Hitlers gehört auch ein dubioser Playboy und Abenteurer namens Kurt Lüdecke. Der gewissen- und orientierungslose Lüdecke erlebt Hitler zum ersten Mal im August 1922, da dieser vom Rednerpult aus über den „jüdischen Bolschewismus“ herzieht. Lüdecke erinnert sich schwärmerisch an den um nur ein Jahr älteren Hitler: „Ich vergaß alles um mich herum, außer diesen Mann. Er schien ein anderer Luther zu sein. Ich wußte, meine Suche hatte ein Ende. Ich hatte mich selbst gefunden, meinen Führer und mein Ziel.“ In den kommenden Jahren wird Lüdecke für Hitler Kontakte zu einflußreichen Persönlichkeiten vermitteln und pflegen und – vor allem – Geld herbeischaffen.

Lüdecke selbst ist auf äußerst zweifelhafte Art zu Vermögen gekommen: Erst ließ er sich von reichen Damen aushalten, später dann entdeckte er homosexuellen Sex mit anschließender Erpressung als lukrative Geldquelle. Damals stand Homosexualität noch unter Strafe, und seine „Partner“ aus der besseren Gesellschaft bezahlten lieber, als daß sie sich öffentlicher Schande und Ächtung ausgesetzt hätten. Später reist Lüdecke durch die Welt, um da und dort ein möglichst lukratives Geschäft abzuschließen und erwirbt sich so in kurzer Zeit ein riesiges Vermögen von einer halben bis einer Million Mark, das er inflationssicher im Ausland anlegt.

Einer der Kontakte, die Lüdecke für Hitler knüpft, ist jener zu Benito Mussolini in Italien, der im Oktober 1922 durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen ist und Hitler dannzumal noch nicht einmal dem Namen nach kennt. Als Hitler am 8./9. November 1923 den Duce kopieren will und den Marsch auf Berlin beginnt, wird er schon bei der Feldherrenhalle in München von Gewehrfeuer gestoppt und ins Gefängnis Landsberg verfrachtet. Trotzdem will er den Kontakt zu Mussolini intensivieren. Dieser hat an sich nichts dagegen, fürchtet jedoch, daß jemand deutscher Zunge darauf bestehen könnte, das deutschsprachige, erst nach dem Ersten Weltkrieg Italien zugesprochene Südtirol solle zu Österreich zurückkehren. Hitler will von Mussolini vor allem Geld – „Fetzen Sie aus Mussolini heraus, was Sie können!“ – deshalb ist er bereit, das Südtirol aufzugeben.

Da die NSDAP die einzige Partei ist, die offen auf das Südtirol verzichtet, ist es für Mussolini nur konsequent und vernünftig, jene Rechtspartei in Deutschland zu fördern, die seinen Interessen am besten dient.

Wolf gang Zdral schreibt dazu: „Lüdeckes erste Kontakte zu den Faschisten im Süden tragen für Hitler in den Folgejahren reichlich Früchte – auch finanziell: ‚An italienischen Geldzuwendungen hat es seit Mussolinis Marsch auf Rom nicht gefehlt.‘ Die genauen Summen lassen sich heute nicht mehr ermitteln. Die Münchner Post, und der Bayerische Kurier berichten von den Geldzahlungen; die Rede ist von 50‘000 Goldmark.“

Auch André-François Poncet, in den dreißiger Jahren Botschafter Frankreichs in Deutschland und Kenner der internationalen Diplomatie, schreibt in seinen Memoiren, daß die Nazis Geld von den italienischen Schwarzhemden einstrichen. Und SS-General Wolf f, Chef des persönlichen Stabs von Heinrich Himmler und höchster Polizeiführer in Italien, bestätigt ebenfalls, daß die Nationalsozialisten vor ihrer Machtübernahme Finanzmittel von Mussolini kassierten.

Der preußische Ministerpräsident Otto Braun erklärt im Rückblick über die italienische finanzielle Wahlhilfe für die Nazis, die er auf 18 Millionen Mark beziffert: „Hitler erhält enorme Beträge aus Italien. Sie gelangen über eine Schweizer Bank nach München.“

Lüdecke pumpt aber auch aus seinem eigenen Vermögen erhebliche Summen in die Partei, gibt dem „Führer“ auch privat Geld, lädt ihn zu feudalen Abendessen ein. Insgesamt sind es 130'000 Mark, die er für die Parteikasse spendet, stellt die Polizei fest.

Lüdecke leistet sich neben Maßanzügen, teuren Zigaretten und gutem Wein noch ein weit kostspieligeres Hobby: Er unterhält eine eigene SA-Abteilung ähnlich der Truppe von Schwarzhemden, die er bei Mussolini gesehen hat. „Dafür wendet er nochmals 100'000 Mark auf. Das beeindruckt Hitler“, schreibt Zdral. „Denn der NS-Führer sieht in eigenen paramilitärischen Truppen einen wichtigen Machtfaktor für den Aufbau der Partei. Entsprechend emsig arbeitet er am Aufbau dieser Privatarmee. Doch das verschlingt Unsummen. Deshalb ist jeder Sponsor, der die Parteikasse entlastet, hochwillkommen.“

Lüdecke macht sich mit Begeisterung ans Werk und rüstet innerhalb von kurzer Zeit eine Truppe von rund hundert Mann – meist arbeitslose Freiwillige – mit Uniformen und Waffen aus, die er sich über zwei jüdische Händler auf dem Schwarzmarkt besorgt. Lüdecke ist es auch, der die Truppe schult und sie am Wochenende zu Übungen im Geländekampf in die Wälder außerhalb Münchens schickt. Als er wieder öfters ins Ausland reist, verliert Lüdecke „sein Interesse an dem Spielzeug SA“ (Zdral) – er überträgt schließlich das Kommando auf Hermann Göring.

Nach dem mißlungenen Münchner Putsch sieht es Ende 1923 schlecht aus für die NSDAP: Ihr Führer im Gefängnis, sie selbst verboten, das Vermögen beschlagnahmt.

Vom Landsberger Gefängnis aus beauftragt Hitler Lüdecke nun, „für die Interessen der deutschen Freiheitsbewegung in Nordamerika zu werben und besonders finanzielle Mittel hierfür zu sammeln.“ Hitlers Schreiben ist insofern bemerkenswert, da er in späteren Jahren öffentlich immer leugnet, Gelder aus dem Ausland angefordert zu haben.

Mitte Januar 1924 schifft sich Lüdecke nach Amerika ein. An Bord des Schiffes Amerika befinden sich auch Siegfried und Winifred Wagner, Sohn und Schwiegertochter des berühmten Komponisten Richard Wagner. „Das ist kein Zufall – Lüdecke weiß von der geplanten Konzerttournee der Wagners und deren Reisetermin. Also bucht er einfach dieselbe Passage“, bemerkt Zdral. „Mit der Empfehlung des inhaftierten NS-Diktators als Trumpfkarte gewinnt er schnell das Vertrauen des Paares und etabliert sich als deren Begleiter für die Vereinigten Staaten. Die Wagners, bereits Bewunderer von Hitler, wollen Lüdeckes Geldsammelaktivitäten tatkräftig unterstützen und selbst jenseits des Atlantiks nach Spendern suchen.“

Die Wahl fällt auf Henry Ford, den Automobilproduzenten aus Detroit. Lüdecke, der Jahre zuvor für Ford als Privatdetektiv in New York gearbeitet hat, wird tatsächlich eingeladen; allerdings macht Ford kein Geld locker. Dies ändert sich, als kurz darauf das Ehepaar Wagner bei Ford zu Gast ist. Wie Hitler sieht Ford in Macht und Einfluß des internationalen Judentums eine Gefahr. Winifred Wagner erinnert sich: „Die Philosophie und Ideen Fords und Hitlers waren sehr ähnlich.“ Winifred Wagner läßt durchblicken, das Hitler jetzt Geld besonders dringend brauche. Ford lächelt und sagt, er sei immer noch bereit, jemanden wie Hitler zu unterstützen, der auf die Befreiung Deutschlands von den Juden hinarbeite.

Spätere gerichtliche Untersuchungen ergaben, daß schon im Jahre 1923 dreimal größere Geldbeträge vom Saargebiet bei der Deutschen Bank überwiesen worden waren. Das Gericht kam zu der Überzeugung, daß dieses Geld von dem amerikanischen Automobilfabrikanten Ford stammte, der einer der maßgeblichen Leute im französischen Eisensyndikat war und an einer deutschen Aufrüstung sehr interessiert.

Doch Amerika hatte noch auf ganze andere Weise dafür gesorgt, daß ein Extremist wie Hitler in Deutschland an die Macht kommen konnte. Das heißt: Eigentlich war es nicht ganz Amerika, sondern einige wenige große Firmen und eine ganz bestimmte Straße weit im Süden von Manhattan...