"Das Geld muß Diener sein, nicht Herr!"

Wie denkt einer über Geld, der jahrelang geschäftsmäßig damit handelte? Wir befragten Hanspeter Tobler über seine Erfahrungen mit dem Stoff, der das Blut der Wirtschaft bildet.

"Viel Geld machen kann schnell einer, doch die Kunst liegt darin, gut mit viel Geld umzugehen."

ZeitenSchrift: Sie waren in den 80er Jahren im Börsengeschäft tätig. Wie würden Sie jenes Jahrzehnt charakterisieren?

Tobler:1 Boom, Übertreibung, Eu­phorie. Ein nicht enden wollender Gipfelsturm. Ende jener sagenhaften 80er Jahre zeigte sich dann, was man eigentlich immer schon gewußt hatte: Daß alles eine einzige große Blase gewesen war, ein Wasserkopf, ein Krebsgeschwür. Jeder, der im Geldgeschäft war, mußte mitziehen, sonst wäre er abgesägt worden.

Welche Qualität war damals vorherrschend: Euphorie oder Gier?

Bei uns Jungen war es bestimmt nicht die Gier. Es war einfach ein phantastisches Spiel. Wenn man am Ende eines Geschäftstages 100'000 Franken verdient hat, dann ist das schon ein berauschendes Gefühl. In den besten Jahren machten wir 600 Millionen Franken Umsatz im Jahr mit insgesamt 8 bis 9 Mitarbeitern; Administration inklusive. Selbst wenn die Margen klein sind, kommt da einiges zusammen. In den 80er Jahren fand man neue Märkte, erfand man neue Instrumente. Wir handelten damals vor allem mit Optionen auf japanische Anleihen, und weil jener Markt damals nicht groß war, konnten wir einigen Einfluß darauf ausüben, wie sich auch Kurse entwickelten. Es war wie ein einziges grosses Monopoly.

Mittlerweile ist das ganze sehr irreal geworden. Heute wird mit Optionen auf Optionen auf Optionen gehandelt, und viele Händler verstehen selbst nicht mehr richtig, was sie da eigentlich tun. Oder die Derivate. Alles wird immer abstrakter und undurchschaubarer.

Warum haben Sie aufgehört?

Der japanische Markt kam Anfang der 90er Jahre unter Druck. Doch auch unabhängig davon spürte ich, daß ich nicht in dieser ­Richtung weitermachen wollte. Ich woll­te nun lieber direkt in eine Firma investieren, in die ich hineinsehe und weiß, daß sie etwas Gutes macht. Jene extreme Zeit der 80er war eine interessante Lernerfahrung. Doch dann stellte sich mir schon die Frage, worum es mir eigentlich geht. Und das war nicht einfach nur das Spiel mit Geld.

Wie sehr okkupierte Geld in jenen Jahren Ihre Gedanken?

Wenn es gut lief, überhaupt nicht. Belastend war es höchstens, wenn man einige ‚schiefe Positionen' hatte. Die Belastung des Erfolgs lag darin, daß ich anfing zu überlegen – was mache ich nun mit dem vielen Geld. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß zuviel Geld ebenso belastet wie zuwenig Geld.

Wie unterscheidet sich die Belastung des Zuviel-Geld-Habens von jener des Mangels an Geld?

Zuviel Geld macht nervös. Zudem kommt Angst vor dem Verlust des Geldes auf. Ideal ist, wenn das Geld fließt und wenn man immer ‚ausgeglichen' ist. Wenn man übermäßig Geld verdient, stimmt etwas nicht. Man entzieht dem Kreislauf Geld und hätte dadurch die Aufgabe, ihm das Geld irgendwie wieder zuzuführen. Das spürten wir auch und investierten dann in ganz neue Bereiche. Man kann Geld nicht immer in die gleiche Sache pumpen, sonst baut man eine Art schiefen Turm auf, der irgendwann umfällt. Natürlich richtet man sich toll ein, kauft tolle Autos, geht fein essen. Doch irgendwann entpuppt sich das ganze als schal. Es widert einen fast an. Man merkt: Das ist es überhaupt nicht.

Und wie ist es mit dem Zuwenig-Geld-Haben?

Man kann Geld mit dem Zufluß von Benzin in einem Motor vergleichen. Bei zuwenig Geld stottert der Motor, kann seine Leistung nicht richtig erbringen. So ist es auch im Leben. Ein Mensch mit zuwenig Geld kann nicht gleich gut leben, dieselbe ‚Lebensleistung' erbringen wie einer, der genügend davon hat. Bei zuviel Geld indes ‚ersäuft' der Motor. Der Motor läuft wirklich nur dann rund, wenn genau die benötigte Menge Benzins durch ihn fließt. So ist es auch mit Geld.

In welchem Zustand okkupiert Geld mehr das Denken?

Wenn man zuviel hat. Es macht einen fast zappelig. Wenn Menschen zu schnell zuviel Geld verdienen, stellt das eine große Prüfung dar. Es entsteht dann woanders ein Manko. Viel Geld machen kann schnell einer, doch die Kunst liegt darin, gut mit viel Geld umzugehen, bzw. mit den eigenen Gefühlen in dieser Situation. Viele bekommen Beziehungsprobleme, gehen dann in Nightclubs, um sich mit dem gemachten Geld Zuneigung zu erkaufen und Streicheleinheiten, die sie vielleicht von der Frau nicht mehr bekommen. Die meisten Menschen in diesem Sektor waren schon sehr oberflächlich.
Der Zustand der Entbehrung ist so gesehen eigentlich gesünder.

Gibt es einen speziellen Typus Mensch, der von dieser ‚Geldwelt' angezogen wird?

Es hat da ein paar wenige Abenteurertypen, die in jener Zeit die Gunst der Stunde erkannten und voll zupackten. Die waren heute ganz oben und zwei Jahre später vielleicht ganz unten, oder auch im Knast. Es gibt auch den gerissenen Banker, den Schlangenfänger-Typen. Vor allem in London habe ich viele davon kennengelernt. Sie sind charismatisch, exzentrisch, erfolgreich. Hervorragende Motivatoren, die wirklich etwas auf die Beine stellen können. Am Anfang, wenn man noch jung im Geschäft ist, ­beeindrucken einen diese Leute schon, mit ihren Rennpferden, feudalen Landsitzen, ihren Bentleys, Jaguars und dicken Zigarren, den piekfeinen Maßanzügen.

Doch 80 bis 90 Prozent der Menschen im Finanzwesen sind eher graue Mitläufertypen. Farblos, bebrillt, seltsam unlebendig, mechanisch fast und langweilig.

Hat Geld eine suggestive Kraft?

Absolut. Bei den meisten Menschen ist das Geld ihr ‚Herr'. Was natürlich vollkommen verkehrt ist. Wir müssen die Herren sein, und das Geld ist der Diener.

"Es gibt an der Börse ein paar Abenteurertypen. Die sind heute ganz oben und zwei Jahre später vielleicht im Knast."

Könnte es sein, daß die Suggestivkraft des Geldes analog seiner Menge steigt? Daß es also schwieriger wird, Herr über das Geld zu bleiben, wenn man immer mehr davon hat?

Je mächtiger der Knecht wird, desto größer die Gefahr, daß er sich zum Herrn aufschwingt. Was er eines Tages tun wird, wenn wir ihn lassen. Viele schwerreiche Menschen werden fürchterlich vom Geld geknechtet. Ich hatte Kunden, die waren krank, weil sie an nichts anderes als ihr Geld denken konnten. Sie wären glücklicher gewesen, wenn man ihnen ihr Geld weggenommen hätte. Geld kann dich beherrschen, wenn du nicht stärker bist. Natürlich gibt es Menschen, die wunderbar mit viel Geld umgehen können und es in die richtigen Bahnen fließen lassen. Doch wenn das Geld als solches angehäuft wird oder nur eingesetzt, um damit noch mehr Geld zu machen, dann machst du einfach diese Entität, die dich beherrscht, immer größer. Es ist wirklich so. Geld muß dein Diener sein und dazu muß es immer wieder in neue Projekte fließen.

Die Prüfung besteht vielleicht darin, mit der wachsenden Menge an Geld im gleichen Masse geistig zu wachsen – um damit dem ‚Druck' dieses Geldes standhalten zu können.

Richtig. Und daher ist es oft so verhängnisvoll, wenn das Geld sturzflutartig kommt. Da ist es in der kurzen Zeit gar nicht möglich, im gleichen Masse geistig zu wachsen.

Man müßte es dann als ganz gefährlichen Wunsch bezeichnen, den so viele Menschen hegen: Über Nacht ganz reich zu werden. Man denke an all die ‚verunglückten' Lottokönige.

Viel Geld bedeutet gar nicht wahren Reichtum. Wahrer Reichtum besteht darin, das tun zu können, was einen glücklich macht. Und wenn man dies tut, dann kommt auch das Einkommen hinzu, das man benötigt. Das Geld fließt, ist ausgeglichen, wir haben keine Sorgen damit. Das Geheimnis liegt vielleicht darin, daß man danach trachtet, das zu tun, was einen glücklich macht, statt das zu tun, was einem Geld einbringt. Wenn jemand also sagt, ich mache jetzt eine Banklehre, weil man auf der Bank gut verdient, ist dies ein vollkommen falscher Beweggrund.

Könnte man sagen, daß es für sehr reiche Menschen schwieriger ist, geistige Werte zu entwickeln, als für Menschen, die nicht mit dieser Belastung leben?

Mir kommt da Franziskus in den Sinn, der alles wegwarf, bevor er sich auf seinen Weg begab. Er spürte, daß ihn das Materielle nur belasten würde. Er sah die Ungerechtigkeit, und wollte seinen Besitz auch einfach verteilen.

Wichtig ist, Geld loslassen und fließen lassen zu können. Sobald man über eine gewisse Menge Geld verfügt, neigt man dazu, es zu zählen und festhalten zu wollen. Man beginnt, sich über die Zukunft Sorgen zu machen. Ob man morgen wohl noch gleichviel wie heute haben wird. Hat man nicht zuviel Geld, lebt man viel unbeschwerter im Jetzt.
Man könnte da gerade noch auf den übertriebenen Versicherungsgedanken zu sprechen kommen.

Was ist falsch am Versicherungswesen?

Die Eigenverantwortung wird völlig aufgegeben. Es wird einem suggeriert, daß man für alle Eventualitäten jemanden habe, der einem helfe. Das ganze ist vollkommen falsch. Man lebt dann überhaupt nicht im Jetzt. Dadurch, daß du daran denkst, dich gegen Ungemach zu versichern, legst du geradezu den Samen für dieses Ungemach. Man sollte dem ganzen Versicherungswesen sowenig Energie wie möglich geben.

Das Gewerbe der Versicherungen besteht im Grunde darin, jahrzehntelang von Menschen Geld zu nehmen, ohne ihnen jahrelang eine Gegenleistung zu erbringen. Finden Sie das in Ordnung?

Es ist solange in Ordnung, als wir es mitmachen. Je bewußter die Menschen sich über solche Dinge werden, desto weniger werden sie auf Versicherungen bauen. Wir sind die, die verantwortlich sind für die Versicherungen, die Banken etc. Wir sind jene, die den Banken ihre Macht geben.

Es hat gar keinen Sinn, immer über die ‚bösen' Banken zu schimpfen, wenn man anschließend doch brav wieder sein Geld dort aufs Konto trägt.

Geld wird von vielen Menschen dämonisiert. Sie fürchten es, verachten es oder lassen sich von ihm beherrschen.

Das Problem liegt darin, daß wir alle so emotionsgeladen mit Geld umgehen. Man muß diese Emotionen – jedenfalls die destruktiven – im Umgang mit Geld loslassen. Geld ist Energie. Wenn man seine vier niederen Körper unter Kontrolle hat, hören auch die Probleme mit dem Geld eher auf. Geld ist etwas ganz Neutrales – so wie Energie eben neutral ist. Wir verleihen ihm diese ‚dämonische' Macht.

Sie erwähnten, daß viele Leute im Finanzwesen auch von Angst geprägt sind.

Ich möchte das gar nicht auf den Finanzbereich beschränken. Allgemein suchen Menschen mit einem besonders ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis sogenannt ‚sichere Stellen'. Ein staatlicher Beamter unterscheidet sich nicht groß von ­einem Bankbeamten. Die Bezeichnung sagt es ja schon aus. Sie sind oft nicht kreativ und selten unternehmerisch denkend.

Werden sie ihre Ängste denn auch wirklich los?

Natürlich nicht. Man überwindet die Angst vor Einbrechern auch nicht dadurch, daß man eine hohe Mauer ums ganze Haus herum
baut. Im Gegenteil, die ständige Sicht auf diese Mauer macht die Angst vor dem Einbrecher zum Dauerthema.

Gab es auch Situationen, wo Sie selbst Angst kennenlernten?

Angst nicht, eher die Furcht vor Imageverlust. Die Gefahr liegt darin, daß man eine kleine ‚Sünde' begeht, und dann Gefangener des Systems wird.

Können Sie das etwas genauer erklären?

Angenommen, du bist Bankdirektor, kaufst dir zu überhöhten Preisen eine nette Villa und hast womöglich die Hypothek auf dein Haus bei der Bank aufgenommen, bei der du angestellt bist, dann wirst du doch zum Leibeigenen dieser Bank. Es gibt sehr wenige, die es schaffen, viel Geld zu verdienen und sich dabei ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Ab einem gewissen Status läppern sich auch die Fix­kosten enorm zusammen, und trotz eines beachtlichen Gehalts bist du immer in Geldnot. Man würde staunen, wieviele von denen, die ein paar Hunderttausend pro Jahr verdienen, immer knapp an Geld sind. Und dann fangen sie eben leicht an, krumme Dinger zu drehen.

Wenn man eine kleine Firma hat und mit solchen Leuten zusammenarbeitet, muß man sehr aufpassen, daß man sich nicht zum Handlager solcher Praktiken macht. Da waren wir immer knallhart.

Dann gibt es da auch noch das System der kleinen Geschenke – wo man sich da und dort mal einen ­guten Deal zuschanzt, den man nur dank Insiderwissen so abwickeln kann. Wir ließen uns niemals auf solche Spielchen ein. Man wird ­damit auch erpressbar. Wir sagten ­immer, wir sind gut genug, daß wir mit unseren Ideen Geld verdienen können.
Allerdings besteht wirklich ein gefährlicher Sog, solche Dinger zu drehen, und viele können ihm nicht widerstehen. Es ist mit dem Casino-Phänomen vergleichbar: Auch da können die Menschen nicht im richtigen Augenblick ‚nein' zu Gewinnaussichten sagen.

Eine Anzeige der Zeitschrift ‚Wirtschaftswoche'.

Ist die Börse von heute ethisch noch verantwortbar?

Sicher nicht. Weil auf einmal das Spiel mächtiger als die Spieler geworden ist. Zudem wird ja von manchen behauptet, die Börse sei schon längst vollkommen von den Manipulationen gewisser Insider abhängig. Ich kann mir gut vorstellen, daß es diese Drahtzieher gibt, die sehr genau Hausse und Baisse steuern können. Dann gibt es Leute, die behaupten, diese Insider hätten für das erste Halbjahr 1997 den ganz großen ‚Crash' geplant.

Die ‚Perversion' der heutigen Börse hat wiederum damit zu tun, daß der Knecht zum Herrn geworden ist. Als Beispiel kann man die Schweizerische Kreditanstalt anschauen: Sie wurde im letzten Jahrhundert zum Zweck der Finanzierung der Gotthardbahn gegründet. Sie diente also damals der Industrie. Und heute ist es so, daß die Banken regieren, und die Industrie ihnen gehorchen muß.

Heute geht eine Art Umverteilung des Geldes vor sich: Es wird der Masse immer mehr entzogen und immer stärker den wenigen ohnehin schon Reichen und Mächtigen zugeführt.

Den Kulminationspunkt erreichte die Sache, als man die ganze Altersvorsorge den Banken übergab. Die Menschen sparen sich quasi jeden Monat einen Betrag vom Munde ab, bringen ihn zur Bank und wissen nicht einmal, ob sie das Geld dereinst einmal wiedersehen. Es geht wieder darum, daß wir es sind, die die Verantwortung abgegeben haben.

Da stellt sich dann sowieso die Frage, ob man überhaupt sparen soll. Sparen kann auch die Angst vor dem Morgen verkörpern. Oft ist Sparen wirklich nur eine Form der Angst.

Einesteils ja. Andernteils gibt es doch manchmal einfach einen Kapitalbedarf für gewisse Vorhaben, den man sich über längere Zeit ansammeln muß.

Natürlich kann ich da auch keine Patentlösung anbieten. Der Anfang eines verantwortungsvollen Benehmens wäre, sich zu überlegen – wo bringe ich mein Geld hin? Was soll damit gemacht werden? Gibt es vielleicht Projekte in der Familie, die ich finanzieren könnte? Doch es ist natürlich bequemer, das Geld auf irgendeine Bank zu bringen, als seinem Patenkind damit die Gründung einer Firma zu ermöglichen. Das wäre ja mit Risiko behaftet.

Und Risiko ist im Grunde ein Synonym für Angst. Irgendwo habe ich gelesen, man müsse sich überhaupt keine Sorgen machen, wenn man Geld verleihe und es nicht zurückbekomme. Es entspreche dem kosmischen Gesetz, daß das Geld immer zu einem zurückkomme – bloß vielleicht auf einem anderen Weg.

Richtig. Genauso ist es. Bei mir läuft es wirklich immer so, das kann ich voll bestätigen. Es bereitet solche Freude, Geld wegzugeben und damit gute Sachen zu unterstützen. Hinzu kommt, daß das Geld eine ganz andere Qualität hat, wenn man es auf eine wirklich gute Art verdient, mit einer guten Sache. In dem Bereich, wo ich mich jetzt engagiere, habe ich ohne Zögern mein damals letztes Geld investiert, weil mir meine innere Stimme einfach sagte, tu es, es ist eine wunderbare Sache.

Letztlich kommt man immer auf die geistigen Gesetze zurück. Es gibt ja auch nichts anderes. Alles ist sehr viel einfacher, als es sich die Menschen machen.

Ich frage mich, ob jetzt, mit der zunehmenden Schwingungserhöhung der Erde, wo in gewisser Weise die Zügel des kosmischen Gesetzes angezogen werden, wir auch fester in diese Gesetze eingebunden sind. Ob sie daher schneller und heftiger wirken als früher.

Sie wirken in der Tat schneller. Das Schlechte wie das Gute kommt schneller zu uns zurück. Und einer, der nicht nach dem kosmischen Gesetz lebt, kriegt eins drauf.

Das könnte doch bedeuten, daß jene Bereiche, die nicht unbedingt nach den kosmischen Gesetzen funktionieren, und die ihre Geschäfte auf Angst und Mißtrauen gründen – wie Banken und Ver­sicherungen – irgendwann auf größere Schwierigkeiten stoßen werden?

Sie kollabieren, und zwar demnächst. Davon bin ich absolut überzeugt. Sie sind viel näher am Kollabieren, als man denkt. Im Augenblick ist es noch so, daß die Großen die Kleinen auffressen. Am Schluß werden nur noch ein paar wenige übrigbleiben, und die werden dann aufeinander losgehen. Wie die letzten Dinosaurier.

Manche Menschen fragen sich trotzdem, ob die Macht dieses ­immensen Geldbereiches jemals gebrochen werden wird – und wenn ja, was solch einen Wandel überhaupt herbeizuführen ver­möchte.

Daß ein globaler Kollaps kommt, darum brauchen wir uns gar nicht zu kümmern. Er wird von allein kommen, das erscheint mir wirklich unaufhaltsam. Nach dem Zusammenbruch der Barings-Bank, die nur ein Anfang war, hörte ich ein Interview mit dem Bankverein-Direktor Marcel Ospel, den ich noch von früher kannte. Der war aber nervös! Man konnte in jener Zeit sehr gut beobachten, wie es den Bankern kalt den Rücken hinunterlief, weil sie erkannten, daß es jedem von ihnen morgen schon auch passieren kann.

Darüber brauchen wir uns aber nicht zu sorgen. Wenn du im Kleinen deine Sache ehrlich und gut tust und den Menschen ein gutes Produkt gibst, dann werden dir die Leute auch immer einen fairen Gegenwert dafür geben, und wenn es in Naturalien sein sollte.
Wenn jeder nämlich das tun würde, was ihm wirklich Freude bereitet, und wo er sich kreativ ausleben kann, dann würde das System einfach überholt werden. Und wenn ich etwas schaffe, bei dem ich mir die Dankbarkeit und Wertschätzung meiner Kunden verdiene, brauche ich mich am Feierabend auch nicht mehr in traurige Ersatzbefriedigungen wie Nightclub-Besuche und ähnliches zu stürzen – wie sie gerade bei Börsenleuten verbreitet sind. Leute, die nämlich viel Geld akkumulieren, sammeln im Grunde Liebe auf der materiellen Ebene an. Es gibt ja nur eine Energie, und das ist die Liebe. Wenn du die Garage voller Ferraris hast, hast du versucht, dir Liebe zu kaufen und mußt dann eben vielleicht deine Autos streicheln, weil dich niemand streicheln möchte.

Werden Handeln und Bewußtsein der Menschen darüber entscheiden, ob sie eine Krise gut überstehen oder nicht?

Absolut. Es kommt immer auf deinen Bewußtseinszustand an. Der Weltuntergang findet für mich schon seit einiger Zeit statt: Indem die alte Welt mit ihren alten Regeln am Untergehen ist, und eine neue aufersteht. Wer sich an die alte klammert, geht mit ihr unter; wer dazugelernt hat und sich entsprechend der neuen Regeln verhält, aufersteht gewissermaßen mit der neuen Welt.

Nochmals zum Thema Sparen: In welchem Rahmen ist es sinnvoll, wo nicht?

Sparen auf eine größere Anschaffung hin erscheint mir okay, Sparen aus Angstgründen nicht. Geld muß einfach fließen.

Beim Unternehmer ist es ja gut möglich, daß Geld einmal stärker und einmal schwächer fließt. Nicht aber beim Angestellten, der jeden Monat sein fixes Salär bekommt.

Vielleicht müßte man sich die Frage stellen, ob es wirklich menschengerecht ist, daß so viele heute in einem Anstellungsverhältnis stehen. Wie war es denn früher? Da gab es den Handwerksmeister, und da gab es die Gesellen, die von Meister zu Meister zogen, bis sie genug gelernt hatten, um selber Meister zu sein. Das ist doch das richtige System. Alles andere erscheint mir – pardon – als eine Form der Sklaverei. Doch natürlich kann man dies alles nicht von heute auf morgen ändern.

Wenn wir aber beispielsweise über die Freie Energie verfügen würden, könnten manche im kleinen viel dezentraler als heute ihre Sache machen, und viele großindustrielle Bereiche würden obsolet. Irgendwann, scheint mir, muß der Mensch in seiner Entwicklung auch beruflich Selbständigkeit erlangen.

Das Übel liegt vielleicht auch darin, daß die Gewinne nicht gerecht verteilt werden, die Löhne zu tief sind und die Banken den sogenannten ‚kleinen Leuten' keine Kredite geben wollen. Würde sich dies alles ändern, müßte Angestelltentum auch nicht so unfrei machen wie heute.

Es wäre wie ein Garten, der im Frühling aufblüht, wenn das Eis schmilzt. Gegenwärtig haben wir Eiszeit. Im Mittelalter, beispielsweise, mußten die Menschen so wenig für ihren Lebensunterhalt arbeiten, daß sie nebenbei in Fronarbeit all diese phantastischen Kathedralen bauen konnten. Wir arbeiten heute zu 70 Prozent unserer Zeit für die ‚Vampire'. Das sind all jene, die nicht wirklich etwas tun, sondern bloß nehmen.
Die Veränderung wird aber nicht durch eine Revolution kommen, sondern über das Bewußtsein jedes einzelnen. Es braucht ein paar, die vorausgehen, und in hundert Jahren oder so wird sich die neue Haltung durchgesetzt haben.

Worin sollte allerdings der Sinn liegen, den Normalbürgern immer mehr Geld zu entziehen? Wenn wir alle keine Kaufkraft mehr ­haben, wo wollen dann die Mächtigen noch ihre Gewinne hernehmen?

Es geht ihnen ja gar nicht darum, Gewinne zu machen. Es geht ihnen um die Weltherrschaft. Sie sind ‚Master of Energy' im Negativen. Über Strom, Wasser, Benzin und ganz besonders Geld möchten sie unsere Lebensenergien kontrollieren. Uns ohnmächtig machen. Ohnmächtige Menschen sind leichter manipulierbar. Heute strömt das Geld nur durch die Hauptschlagadern der Wirtschaft. Hände, Füße, all die kleinen Adern werden nicht mehr durchblutet. Sprich, das Kleingewerbe oder der initiative Jungunternehmer hat enorme Schwierigkeiten, irgendwo Geld für sein Vorhaben aufzutreiben. Doch wenn wir alle unser Geld wieder mehr fließen lassen, können wir selbst für eine bessere Durchblutung dieses Wirtschaftsorganismus sorgen.

Das würde für Selbstorganisation sprechen, für die Gründung von ‚Privatgeld' und ähnlichem.

Ich glaube nicht, daß die Lösung in neuen Systemen liegt. Jedes System kann zum Dogma werden, kann pervertiert werden. Man kann den Teufel wirklich nicht mit dem Beelzebub austreiben. Es muß im Kleinen, beim einzelnen Menschen beginnen. Ändert er sein Bewußtsein, ändern sich seine finanziellen Verhältnisse, und je spiritueller jemand wird – natürlich ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren – desto weniger erlebt er Geld als Fessel. Er hat einfach zur rechten Zeit, was er braucht.

Kommen wir zum Thema Zins: Wenn Sie jemandem privat Geld leihen würden, würden Sie da Zins verlangen?

Kürzlich lieh ich einen kleinen Betrag aus, und als er mir zurückgegeben wurde, wollte diese Person von sich aus Zins bezahlen. Da fand ich, daß das eigentlich die richtige Art und Weise wäre. Es wäre ein großer Schritt in die richtige Richtung, wenn jene, die Geld verleihen und erhalten, einander kennen würden. Vielleicht ist das Konzept der anonymen Bank ohnehin falsch.

"Wichtig ist, Geld loslassen und fließen lassen zu können. Dann kommt es auch ­wieder zu dir zurück."

Oder vielleicht liegt die Lösung darin, daß man wohl sein Geld der Bank gibt, aber mitentscheiden kann, wofür es verwendet wird.

Für mich stellen solche Konzepte Übergangslösungen dar. Ich denke wirklich, daß wir für die Zukunft nicht neue Strukturen errichten sollten, da wir sonst wieder einen Teil der Verantwortung an diese abgeben. Indem wir heute zu sehr neue Strukturen errichten, verbauen wir in gewisser Weise die Zukunft. Sie mögen heute richtig sein, sich aber morgen schon als völlig überholt erweisen.

Vielleicht kommt es einmal ­soweit, daß derjenige, der Geld benötigt, dies irgendwo publiziert, und jener, der Geld verleihen möchte, sich bei ihm meldet. Daß sich also beide kennen und gemeinsam ihre Bedingungen vereinbaren.

Das Gute daran wäre, daß man miteinander sprechen und einander vertrauen würde. Die Bank ist eigentlich dazwischengeschaltet worden, um diesen Vertrauensmangel zu beheben. Sie kommt ähnlich einer Versicherung für das Risiko auf. Wenn man aber einander vertraut, braucht man diesen ‚Versicherer' gar nicht.

Schaut doch euch an. Ihr habt mit der ZeitenSchrift auch gewisse Strukturen ignoriert. Jeder normale Mensch würde sagen, daß ein Magazin ohne Anzeigen nicht überleben kann. Und doch geht es. Strukturen sind einfach Limitierungen, die wir uns selber setzen.

Ist demnach einer der Wege in wirkliche Freiheit, diese Strukturen zu ignorieren und ganz frei zu überlegen – wie komme ich zu dem, was ich benötige?

Ja. Es ist natürlich schwierig, das in der Theorie zu veranschaulichen. Wichtig ist, absoluten Glauben und Vertrauen zu haben, daß man die benötigten Mittel bekommen wird. Wie es in der Bibel heißt, wird einem gegeben werden nach den Bedürfnissen. Gott hat in allen Bereichen vorgesorgt, und wir bekommen alles, was wir brauchen. Solange wir nicht gegen die Schöpfung arbeiten, steht einem stetigen Zufluß nichts im Wege. Das kann ich wirklich unterschreiben: Wenn du es verdient hast, wenn du es brauchst, wenn es in deinem göttlichen Plan liegt, dann wirst du es bekommen. Egal wie.

Ist Ihnen das Modell des Negativzinses bekannt, wo der ganze Geldkreislauf zinsfrei geschieht, man aber für Kapital, das längere Zeit brachliegt, eine Art Strafzins bezahlen muß?

Die Idee ist wohl wert, daß man sie einmal betrachtet hat. Für gewisse Menschen mag es auch das richtige Konzept sein. Andererseits wissen wir aus der Kindererziehung, daß Strafen nicht unbedingt aufbauend sind. Doch ist auch dies einfach ein Konzept, das sich am materiellen Mißstand orientiert. Da wir jetzt in ein geistiges Zeitalter kommen, sollten wir uns, wenn schon, am geistigen Ideal orientieren. Dazu gehört eben auch, daß wir das, was materiell ist, vergeistigen. Dann wird auch das Geld geistiger werden, leichter fließen, weniger festgehalten werden, freizügiger weggegeben. Letztlich geht es doch immer um die kosmischen Gesetze und einige selbstlose Grundsätze, die wir leben müssen.

Würden Sie sagen, daß solche Konzepte ähnlich pervertiert werden könnten, wie dies mit dem Kommunismus geschah? Der Gedanke des Miteinander-Teilens, einer größeren Gleichheit, hat ja etwas Schönes, doch es hat überhaupt nicht funktioniert, weil – unter anderem – die Menschen diese Ideale nicht von sich aus leben wollten.

Ja. Solche Konzepte würden in einer späteren Phase ebenso Schiffbruch erleiden. Sie bedeuten eine gewisse Entmündigung des Einzelnen. Doch werden wir zweifellos solange Systeme haben, als die Menschen sie wollen. Allein das Wort ‚System' hat für mich einen Klang, der an Zwang erinnert.

Vielleicht sollten die Menschen ihre Hoffnung nicht auf einen großen Krach des Ganzen setzen, oder auf neue Systeme, sondern endlich merken, daß sie gar keine ‚Sklaven' irgendeines Systems sein müssen.

Richtig. Das ist der Punkt. Solange wir systemgläubig sind, warten wir immer auf einen, der es ‚für uns' tut. Das System soll dann eine Art ‚Erlöser'-Rolle für uns übernehmen. Vielleicht sind diese Gedanken für manche Menschen noch zu kühn. Doch konnten sich all die alternativen Systeme, die in den letzten Jahrzehnten geprobt wurden, nie richtig durchsetzen. Wären sie die wirkliche Lösung, hätten sie doch durchschlagen müssen. Das Problem ist, daß all diese Ansätze dem Verstand entstammen, und daß wir jetzt in einer Zeit angekommen sind, wo wir die Dinge nicht mehr nur aus dem Verstand heraus tun sollen. Wir müssen heute mit dem Herzen entscheiden. Das Herz braucht kein System – es tut das, was richtig ist.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Interview: Ursula Seiler

Quellenangaben

  • 1 Hanspeter Tobler (40) war lange Jahre im internationalen Bankgeschäft tätig. Danach gründete er seine eigene, sehr erfolgreiche Firma, und handelte für Banken, Finanzanwälte und andere professionelle Geldanleger an den Börsen. Vor einigen Jahren zog er sich aus dem Börsengeschäft zurück, um nun in seine Energie und sein Geld in umweltschonende Technologien zu investieren.