Wird es in Zukunft noch genügend Arbeit für alle Menschen geben? Wovon sollen diejenigen leben, die im Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sind? – Das bedingungslose Grundeinkommen bietet Antworten, die gleichermaßen erstaunen wie Hoffnung wecken, denn dabei geht es um viel mehr als nur ums Geld.
Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Vieles, das jahrzehnte-, vielleicht sogar jahrhundertelang relativ gut funktioniert hat, erreicht allmählich sein Verfallsdatum. Eine Entwicklung, die vieles ins Wanken bringt, ist die sogenannte Industrie 4.0 respektive die Vierte Industrielle Revolution. Gemeint ist damit die stetig zunehmende Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen, vor allem in der Produktion. Cyberphysikalische Systeme sollen autonom Entscheidungen treffen und Aufgaben ausführen, Roboter ersetzen (Fabrik-)Arbeiter, Maschinen kommunizieren und vernetzen sich über das Internet der Dinge (Internet of Things). Dabei geht es längst nicht mehr darum, ob die Industrie 4.0 Realität wird, sondern wann. Und alle Zeichen deuten daraufhin, dass dies sehr bald sein wird, tatsächlich stecken wir schon mitten drin.
Das alles hat durchaus auch gute Seiten. Warum soll sinntötende Fließbandarbeit nicht von Robotern ausgeführt werden? Und es gibt gefährliche Jobs, beispielsweise im Bergbau, die wir ebenfalls getrost den Maschinen überlassen können. Allerdings wird die Automation nicht nur solche Arbeitsstellen eliminieren, sondern greift viel stärker in den Arbeitsmarkt ein. Ein Bericht der Obama-Administration vom Dezember 2016 prognostiziert, dass in den USA rund 83 Prozent aller Arbeitsstellen mit einem Stundensatz unter zwanzig Dollar der Automatisierung zum Opfer fallen werden. Es wird geschätzt, dass in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren zwei bis drei Millionen Amerikaner, die derzeit ihren Lebensunterhalt verdienen, indem sie ein Fahrzeug steuern – also etwa Taxi-, Bus- oder Lastwagenfahrer sind – ihre Arbeit verlieren werden, weil stattdessen selbstfahrende Fahrzeuge zum Einsatz kommen werden. Doch auch hochbezahlte und spezialisierte Arbeiten sind gefährdet. Der Supercomputer „Watson“ von IBM gibt einen Vorgeschmack darauf, wozu Computer in Zukunft fähig sein werden. Watson kann natürlich überall eingesetzt werden, wo hohe Datenmengen verarbeitet werden, so in der Telekommunikation, im Finanzsektor, in Forschung und Bildung, im Rechts- oder auch im Gesundheitswesen. Für das Bon Appétit-Magazin entwickelt Watson Rezepte, und der Musikanbieter Decibel verwendet Watson in seiner App MusicGeek, wo der Supercomputer den Benutzern Vorschläge zur Musikauswahl macht. OmniEarth, unterdessen geschluckt vom Datenanalytiker EagleView, benutzt Watson, um Satelliten- und Luftaufnahmen auszuwerten. Das Medienunternehmen Condé Nast lässt sich von Watson dabei unterstützen, Markenkampagnen durch Influenzer in den Sozialen Medien zu entwickeln. Rare Carat, eine Online-Börse für den Handel mit Diamanten, berät seine Kunden mittels eines Chatbots namens „Rocky“, der von Watson gesteuert wird. Watson wird auch bereits als Hotel-Concierge eingesetzt und macht in Spitälern Krebsdiagnosen inklusive Behandlungsvorschlägen, wobei er auf das Wissen von rund 1'000 Krebsspezialisten zurückgreifen kann und dieses ständig erweitert. Offenbar ist Watson als Onkologe so fähig, dass die Spitäler in Zukunft wohl ohne die hochbezahlten menschlichen Spezialisten auskommen könnten. Am 7. Mai dieses Jahres erhielt Watson übrigens den Gottlieb Duttweiler Preis, der für hervorragende Leistungen zum Wohl der Allgemeinheit verliehen wird (frühere Preisträger waren zum Beispiel der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan und Václav Havel, der erste Staatspräsident der Tschechischen Republik).
Unternehmen werden dafür bezahlt, bestimmte Aufgaben auszuführen oder Produkte herzustellen, nicht dafür, eine Menge Menschen zu beschäftigen. Der Markt wird nicht zögern, Menschen durch Maschinen zu ersetzen, wenn sich dieser Schritt auszahlt. Ein McKinsey-Report von 2017 rechnet daher bis 2030 mit dem Verlust von 400 bis 800 Millionen Arbeitsstellen weltweit, allein in den USA sollen 73 Millionen Menschen im nächsten Jahrzehnt (!) ihre Arbeit – und damit ihr Einkommen – einbüßen. In den meisten Ländern wird davon ausgegangen, dass rund vierzig Prozent aller Arbeitsstellen durch die Automation verschwinden werden. Meist wird behauptet, diese Jobverluste könnten durch Umschulung und Umverteilung der Beschäftigten wettgemacht werden. Doch bisherige Erfahrungen mit Arbeitslosen zeigen, dass diese Strategie äußerst kostspielig und zudem ineffizient ist. Die Maßnahmen führen nur in geringem Ausmaß dazu, dass Menschen wieder in den Arbeitsprozess integriert werden können. Außerdem ist es höchst blauäugig zu glauben, man könnte aus Millionen Verkäufern, Handwerkern, Fabrikarbeitern, Fahrern und so weiter lauter IT-Spezialisten machen. Natürlich wird es weiterhin Arbeit geben, doch wird sie kaum für alle reichen. Selbst wenn von hundert Arbeitslosen zwanzig wieder eine Arbeit finden, was geschieht mit den anderen achtzig?
Aktuelle Zahlen aus den USA deuten es an. Derzeit sind in den USA rund 95 Millionen Menschen ohne Arbeit – ein trauriger Rekord. Einer von sechs männlichen Amerikanern im besten arbeitsfähigen Alter (25- 54) ist arbeitslos. Die meisten von ihnen schlagen ihre Zeit am Computer tot, vor allem mit Videospielen. Studien zeigen, dass junge Männer ohne Hochschulabschluss rund 75 Prozent der Zeit, die sie vorher für die Arbeit aufwendeten, nun mit Computerspielen verbringen. Tatsächlich sind Computerspiele für viele Forscher die Antwort darauf, was all die Menschen, die in Zukunft „nicht mehr gebraucht werden“, mit ihrem Leben anfangen sollen.
Der amerikanische Literaturwissenschaftler Jonathan Gottschall hat erklärt, warum die virtuelle Welt einen solch starken Sog auf viele Menschen ausübt: Sie gibt uns das zurück, was im modernen Leben heute oft fehlt – Gemeinschaft, ein Gefühl der Kompetenz und das Gefühl, eine wichtige Person zu sein, auf die sich Menschen verlassen. Das sollte uns zu denken geben. Und ist dies wirklich die Zukunftsperspektive für Millionen von Menschen: Geboren, um zu gamen? Stellt sich auch die Frage, wovon die Menschen leben sollen, die den ganzen Tag zu Hause vor dem Bildschirm sitzen. Im Falle der USA wohnen mehr als die Hälfte der geringqualifizierten Männer bei ihren Eltern, bei den arbeitslosen Männern sind es beinahe siebzig Prozent. Für das andere Geschlecht sind sie somit keine attraktiven Ehepartner, und das hat Folgen. Heute leben mehr junge Amerikaner zwischen achtzehn und 34 Jahren mit ihren Eltern zusammen als mit einer Partnerin. Allerdings hindert dies die Menschen keineswegs daran, sich fortzupflanzen. Als Konsequenz werden immer mehr Kinder außerhalb fester Beziehungen geboren, derzeit wachsen 17,2 Millionen Kinder in den USA bei 11,4 Millionen alleinerziehenden Müttern auf.
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