Moses: Auszug aus Ägypten

Die Juden verehren Mose wie keinen Zweiten. Er hat die Israeliten aus der Knechtschaft Ägyptens geführt und ihnen das mosaische Gesetz gegeben. Doch er konnte nicht verhindern, dass sein Volk den Bund mit Gott brach. Kommen Sie mit auf eine faszinierende Spurensuche in Wüstensand und Meerwasser, die mehr als nur eine Überraschung bereithält.

Auszug aus ÄgyptenEine der filmreifsten (und längst verfilmten) biblischen Episoden befindet sich im 2. Buch Mose, das man nicht von ungefähr Exodus nennt. Es beschreibt unter anderem den Auszug aus Ägypten und wie die Hebräer in einer abenteuerlichen Flucht den Lanzen der sie verfolgenden ägyptischen Armee entkamen: Sie durchquerten nämlich trockenen Fußes das durch Gottes Hand geteilte Rote Meer und brachten sich auf der Halbinsel Sinai in Sicherheit. Die nachsetzende Reiterei des Pharaos aber wurde mit Mann und Pferd von den über sie hereinbrechenden Meeresfluten verschlungen. Dieses Ereignis soll sich je nach Deutung 1446 v. Chr. oder aber ca. 1250 v. Chr. zugetragen haben. Anschließend wanderten die von Mose angeführten Israeliten 40 Jahre lang ziellos durch den Sinai, wo ihnen schließlich auf dem gleichnamigen Berg die Zehn Gebote gegeben wurden.

So weit die offizielle biblische Lesart. Nur schon ein einziger Blick auf die Landkarte zeigt jedoch, dass diese allgemein anerkannte Version unmöglich stimmen kann. Wer das glaubt, hat noch nie nachgeschaut, wie breit und tief der Golf von Suez ist, der Ägypten vom Sinai trennt. Das Rote Meer an dieser Stelle durchqueren zu wollen, kommt selbst mit göttlicher Unterstützung einer Wahnsinnstat gleich. Vor allem, weil sie vollkommen überflüssig gewesen wäre.

Durch das Rote Meer – aber wo?

Als die Hebräer vom östlichen Nildelta (wo sie lebten) auf die benachbarte Halbinsel Sinai flohen, brauchten sie überhaupt kein Wasser zu durchqueren! Der Suezkanal wurde nämlich erst 3’000 Jahre nach dem Exodus der Israeliten gebaut – gerade weil es keine Wasserstraße gab, die den Sinai von Ägypten abtrennte (und daher auch keine Schifffahrt zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer möglich war).

Warum also hätte das Volk Israel einen großen Umweg nach Süden einschlagen und der feindlichen ägyptischen Küste entlang fliehen sollen, um dann vor einem 25 bis 50 Kilometer breiten Hindernis aus Meerwasser zu stehen?

Nein, die Hebräer nahmen die Beine unter die Arme und flüchteten auf dem kürzesten Weg auf die Halbinsel Sinai, die sie so schnell wie möglich zu durchqueren gedachten. Warum? Weil der Sinai damals wie heute zu Ägypten gehörte. Solange sie nicht Arabien erreicht hatten, konnten die Israeliten jederzeit vom ägyptischen Heer auf dessen eigenem Boden angegriffen werden. Wahrscheinlich wollten die Israeliten über Land um den Golf von Akaba herum marschieren, der den Sinai von der arabischen Halbinsel trennt. Das ist die einzig mögliche Route, der einzig offene Fluchtweg.

Jenseits von Akaba, in Arabien, lag das Land Midian, welches nicht mehr zum ägyptischen Einflussreich gehörte. Mose kannte Midian gut, hatte er doch viele Jahre lang als Flüchtling in diesem Gebiet gelebt. Denn dort war er vor dem Arm des ägyptischen Gesetzes sicher gewesen (siehe Kasten). Was lag also näher, als die Israeliten nun ebenfalls nach Midian zu bringen?

Gott aber befahl Mose, sein Volk „herumzulenken“ und in südöstlicher Richtung an die nahe gelegene Küste zu führen (2Mose 14:2). Eine Entscheidung, die auf den ersten Blick als Himmelfahrtskommando erscheint, weil das Meer offensichtlich den Fluchtweg nach Arabien abschneidet. Andererseits war das ägyptische Heer den Israeliten wohl zu dicht auf den Fersen und hätte die Fliehenden nicht unbehelligt nach Akaba und zur Grenze des ägyptischen Reiches ziehen lassen. Unmöglich, dass das hebräische Volk mit seinen Kindern, Frauen und Alten gegen die feindliche Streitmacht bestehen würde. Also führte Mose die Israeliten durch die Berge des Sinai zu einer direkt am Meer gelegenen Ebene, die noch heute groß genug ist, um ein Volk von ein bis zwei Millionen Menschen aufzunehmen (die Bibel spricht von 600’000 israelitischen Männern; Frauen, Kinder und Vieh nicht mitgezählt).

Sowohl die geographische Beschreibung in der Bibel, als auch jene des jüdischen Historikers Josephus (der um die Zeitenwende lebte) passen auf den Strand von Nuweiba. Dort, im Osten des Sinai und noch immer auf ägyptischem Territorium, wurden die Hebräer von den Soldaten des Pharao gestellt. Sie flüchteten ins Schilfmeer – dessen Wogen sich wie durch Zauberhand vor ihnen teilten.

Wir aufgeklärten Menschen von heute mögen diese Geschichte als bloßes Fabulieren abtun, das ebenso viel Wahrheitsgehalt aufweist wie der auf einer Kanonenkugel fliegende Baron von Münchhausen. Es gibt allerdings neue wissenschaftliche Funde, die aufhorchen lassen. Infrarot-Satellitenaufnahmen enthüllen nämlich, dass im Golf von Akaba ausgerechnet an dieser Stelle eine Unterwasser-Landbrücke besteht, welche die Halbinsel Sinai mit Arabien verbindet! Laut Seekarten der britischen Admiralität ist das Meer dort nur knapp 300 Fuß (gut 90 Meter) tief, während der Meeresgrund auf beiden Seiten jäh bis auf 800 Fuß (250 Meter) und mehr abfällt (siehe Grafik).

Was noch erstaunlicher ist: Weit draußen im Meer fanden Taucher auf diesem versunkenen Hügelkamm die Überreste von Wagenrädern, die von antiken ägyptischen Streitwagen stammen (siehe Bilder). Wie um alles in der Welt sind sie dorthin gekommen? Ist die Teilung des Roten Meeres also doch mehr als eine bloße Legende?

Der Berg Gottes liegt nicht im Sinai

Nach ihrer wundersamen Errettung wanderten die Israeliten vierzig Jahre lang durch die Wüste, erzählt uns die Bibel weiter. Nun wissen wir, dass damit die kargen Landstriche Midians gemeint sind und nicht etwa die Wüste Sinai. Im biblischen Exodus steht, die Israeliten hätten während dieser entbehrungsreichen Zeit nach der Vernichtung des ägyptischen Heeres immer wieder rebelliert und Mose vorgeworfen: „Waren nicht genug Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten führtest?“ (2Mose 14:11) Hier gibt die Bibel einen klaren Hinweis, dass die Israeliten sich bereits in Arabien aufgehalten haben mussten, da die Halbinsel Sinai, wie bereits erwähnt, noch innerhalb von Ägypten lag.

Deshalb ist es auch so schwer, im Sinai archäologische Hinweise auf die Wanderung der Israeliten zu finden. Das gilt besonders für den im Süden der Halbinsel gelegenen Berg Sinai (arabisch: Gebel Musa). Im Gebiet um das berühmte Katharinenkloster sollen die Israeliten einst über lange Zeit gelagert und sogar eine siegreiche Schlacht gegen die Amalekiter gefochten haben. Und natürlich hatte Mose auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote aus der Hand Gottes empfangen. Angeblich. Warum also findet sich dann in dieser Gegend nichts von archäologischem Wert, was diese Behauptungen unterstützen würde?

Stattdessen gruben Archäologen eine Vielzahl ägyptischer Artefakte aus dem Sand, der einst das biblische Land Midian bedeckt hatte. Wie solch eindeutig ägyptische Einflüsse nach Arabien kamen, lässt sich leicht mit der Flucht des Volkes Israel erklären. Vor allem gegen Ende ihres 400-jährigen Aufenthalts in Ägypten hatte man die Israeliten zum Bau ganzer Städte herangezogen; sie waren also in der ägyptischen Baukunst geübt und errichteten nach ihrer Flucht aus Ägypten die eigenen Kultstätten weiterhin in diesem Stil. Doch davon später mehr.Nur ungefähr 50 Kilometer von jener Stelle entfernt, wo die Israeliten den Golf von Akaba überquert und arabischen Boden betreten hatten, ragt der Jebel el Lawz in den Himmel. Horeb, so sein biblischer Name, war tief in die Erinnerung von Mose eingebrannt. Nicht bloß, weil er an dessen Hängen jahrelang Schafe gehütet hatte. Nein, genau dort hatte das Feuer Gottes zu dem damals Flüchtigen gesprochen und ihm seine spätere Mission enthüllt (siehe Kasten). Doch schon lange zuvor war Horeb bereits als „Berg Gottes“ bekannt gewesen. Welcher Ort wäre also passender, um die Zehn Gebote zu empfangen?