Rupert Murdoch: Herr über das Denken der Massen

Die erstaunliche Geschichte von einem, der fast aus dem Nichts ein Weltimperium der Medien aufbaute. Und der Versuch der Beantwortung jener Frage, die eigenartigerweise niemand je stellt: Wer machte es ihm möglich?

„Eine Handvoll Menschen kontrolliert die Medien der Welt. Derzeit sind es etwa noch sechs solcher Menschen, bald werden es nur noch vier sein – und sie werden dann alles umfassen: alle Zeitungen, alle Magazine, alle Filme, alles Fernsehen. Es gab einmal eine Zeit, da gab es verschiedene Meinungen, Haltungen in den Medien. Heute gibt es nur noch eine Meinung, die zu formen vier, fünf Tage dauert – dann ist es jedermanns Meinung.“

Mike Nichols, Hollywood-Regisseur
Rupert Murdoch erreichtmit seinen Medien zwei Drittel der Menschheit.

Rupert Murdoch erreichtmit seinen Medien zwei Drittel der Menschheit.

In seinem Reich geht die Sonne niemals unter. Er stellt sich als Beglücker und Befreier der menschlichen Seele dar, und er lässt sich das etwas kosten. Manche nennen ihn den Sonnenkönig des 20. Jahrhunderts. Ein kleiner Kolumnist getraute sich allerdings, zu schreiben, dass kein toter Fisch mit einigem Selbstrespekt sich in eine seiner Zeitungen einwickeln lassen würde. Und der Direktor der Schule, die der ‚Sonnenkönig‘ einst besuchte, bemühte sich, den Schriftsteller Martin Boyd zu zitieren, als er nach der Meinung über den so mächtig gewordenen Ex-Zögling befragt wurde:

„Sir, Ihre Zeitungen haben an der Entartung der anständigen Gefühle unseres Volkes gearbeitet. Was immer abscheulich ist, bieten Sie den gierigen Augen an und applaudieren allem, was hässlich ist. Sie haben diesem Land mehr geschadet als jeder äußere Feind. Ich bitte Sie, gehen Sie, bevor mein Butler Sie hinauswirft.“

Rupert Murdoch hat über 150 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 60 Millionen Exemplaren gekauft, seine Satelliten können zwei Drittel der Menschheit auf allen Kontinenten erreichen, aber eines hat es ihm bis heute nicht eingebracht: Den Respekt der Menschheit. Viele mögen ihn fürchten, doch keiner liebt ihn. Und gar niemand stellt die alles entscheidende Frage, wie es einer schaffen kann, innerhalb von vierzig Jahren vom kleinen Verleger zweier Provinzblätter in Australien zum etwa drittgrößten Mediengiganten der Welt aufzusteigen. Keiner stellt die Frage: Wer hat Ihnen das ganze Geld gegeben, Mr. Murdoch-und unter welchen Bedingungen?

Australier schottisch-jüdischer Herkunft

Was auch Nicht-Murdoch-Medien verschweigen, ist nachzulesen im 1986 erschienenen Buch von Peter Blackwood, „Die Netzwerke der Insider" (vergriffen). „Biographische Einzelheiten aus Murdochs Vergangenheit sind bruchstückhaft und oft widerspruchsvoll", schreibt Blackwood. „Man liest, daß sein Großvater ein verarmter presbyterianischer Pfarrer gewesen sei, der von England nach Australien emigrierte, daß sein Vater ein schlecht bezahlter Reporter einer britischen Zeitung in Australien war, und doch verbrachte der junge Rupert seine Zeit entweder in dem komfortablen Heim der Familie in einem Vorort von Melbourne, oder auf der Schaffarm der Familie auf dem Land. Er ging zunächst auf die vornehme Geelonger Privatschule und besuchte später die elitäre und aristokratische Universität Oxford in England."

„Ruperts Vater Sir Keith Murdoch", fährt Blackwood fort, „erreichte seine einflußreiche Position in der Gesellschaft Australiens durch seine Heirat mit der (frommen) Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie: Elisabeth Joy Greene. Durch die Beziehungen seiner Frau avancierte Keith Murdoch vom Reporter zum Vorsitzenden der sich im britischen Besitz befindlichen Zeitung, für die er arbeitete. Er hatte genug Geld, sich einen Titel in der Ritterschaft des britischen Reiches zu kaufen, sowie zwei Zeitungen in Adelaide, Südaustralien, und einen Radiosender in einer entfernten Bergarbeiterstadt."

Später stellte es Murdoch gerne so dar, daß er in seiner Oxforder Zeit aus Abscheu vor der Cliquenwirtschaft der britischen Oberklasse zum Marxisten wurde und demonstrativ Lenins Büste in seinem Zimmer aufgestellt hatte. In Wahrheit war er aber geradezu ein Protégé jener Oberklasse. Murdochs Vater, Sir Keith, bat den britischen Pressebaron Lord Beaverbrook, welcher eine Kette von Zeitungen für den Massenmarkt in England und Kanada besaß, nämlich erfolgreich darum, daß er sich seines Sohnes ein wenig annehmen solle. Beaverbrook verschaffte ihm nicht nur eine Ausbildung im Pressewesen, sondern brachte den jungen Australier auch mit einflußreichen und mächtigen Persönlichkeiten zusammen– beispielsweisemit Edgar Bronfman, dem kanadischen Spirituosenmagnaten (Seagram), der großzügig den Zionismus in Nordamerika finanziert und heute Vorsitzender des World Jewish Congress ist. Ein anderer mächtiger Bekannter, dem Murdoch vorgestellt wurde, war Harry Oppenheimer, Vorsitzender des anglo-amerikanischen sowie des südafrikanischen DeBeers-Diamanten- und Goldkartells, der zu dem auch Besitzer praktisch aller englischsprachigen Zeitungen in Südafrika war.

Beaverbrook mochte der junge Australier so sympathisch gewesen sein, weil sie viele Vorlieben und Abneigungen teilten. Beide hatten Antipathien gegen die Iren (welche einen wichtigen Teil der australischen Arbeiterklasse ausmachen, und die Murdoch wegen seiner Herkunft in seinen Jugendtagen in Melbourne oft gehänselt hatten). Genauso wenig mochten Beaverbrook und Murdoch die Deutschen und die Araber. Als Beaverbrook den jungen Murdoch Edgar Bronfman vorstellte, soller ihn mit den Worten empfohlen haben: „Rupert hat schottische Stärke (von seinem Vater) und jüdische Intelligenz (von seiner Mutter)."

Daß Rupert Murdoch für Bronfman wie auch Oppenheimer von Interesse war, erklärt Blackwood damit, daß erstens alle drei vom marxistischen Kapitalismus überzeugt waren – und daß der Diamantenschürfer wie der Schnapsfabrikant ein vitales Interesse an Australien hatten. Australien ist ein überdurchschnittlich guter Markt für Spirituosen (es war nicht ungewöhnlich, daß irische Arbeiter ihren gesamten Lohn für Alkohol ausgaben). Oppenheimer wiederum hatte mit einer gewissen Besorgnis von den Meldungen gehört, daß Australien über große Diamantenfelder verfüge. Falls diese erschlossen würden, hätte dies eine Gefahr für sein südafrikanisch-sowjetisches Diamantenkartell bedeuten können. Denn obwohl die südafrikanische Republik keine Beziehungen zur Sowjetunion unterhielt, kontrollierte Oppenheimer das Marketing aller sowjetischen Diamanten.

Schund gleich Auflage gleich Geld

Als Murdochs Vater starb, arbeitete sein erst 22jähriger Sohn Rupert für 40 US-Dollar die Woche beim Londoner Daily Express. Rupert Murdoch kehrte sogleich nach Australien zurück, wo er, wie er der Zeitschrift Time gegenüber einmal äußerte, „zwei müde Zeitungen" erbte. „Sein Rezept hat sich nicht geändert", schreibt der Spiegel (Nr. 32/1994) über Murdoch, „seit er 1956 die Sunday Times aus dem australischen Provinznest Perth der im Alter von 22 Jahren ererbten Adelaide News hinzufügte. In klapprigen DC-3-Maschinen flog Murdoch damals jeden Freitag zur neuerworbenen Redaktion, um eigenhändig die Titelseiten neu zu umbrechen und Leute zu feuern, die er als ‚totes Holz‘ betrachtete. „In Perth", fährt der Spiegel fort, „entstanden erstmals jene Schlagzeilen, für die Murdoch-Blätter später in aller Welt berüchtigt wurden. ‚Aussätziger vergewaltigt Jungfrau‘, ließ der Verleger seine Leser erschauern, ‚Monster- Baby geboren‘."