Kaugummi: Der unsichtbare Plastik-Cocktail
Jedes Mal, wenn Sie Kaugummi kauen, tun Sie mehr als nur Ihren Atem zu erfrischen. Sie zerkleinern synthetische Materialien, die nicht für den Verzehr gedacht sind. Denn moderne Kaugummis enthalten oft Kunststoffe, die in mikroskopische Partikel zerfallen und in Ihren Verdauungstrakt gelangen können. Erfahren Sie hier, was Ihr Kaugummi mit einem Autoreifen gemein hat und warum das bedenklich ist.

Für viele ist Kaugummi ein tägliches Ritual, um wach zu bleiben, den Appetit zu zügeln, Nerven zu beruhigen oder den Atem zu erfrischen. Doch selbst wenn er kurzzeitig hilft, birgt das Kauen potenzielle Risiken für Kiefer, Verdauung und die Belastung durch Kunststoffe.
Speichelproduktion: Der einzige bewiesene Vorteil
Kaugummi regt die Speichelproduktion an, was Zahnärzte als den meistgenannten Vorteil hervorheben. Speichel hilft, Säuren zu neutralisieren und Speisereste wegzuspülen, was den Atem verbessern und Bakterien reduzieren kann. Xylithaltiger Kaugummi kann zudem das Kariesrisiko senken. Dennoch ersetzt Kaugummi niemals die gründliche Mundhygiene durch Zähneputzen und Zahnseide.
Kaugummi kauen ist eine sogenannte "parafunktionelle" Aktivität, die über die normale Funktion des Kauens hinausgeht. Im Gegensatz zum Kauen von Nahrung, das einen klaren Zweck hat, belastet Kaugummi die Kiefergelenke und die umliegenden Muskeln unnötig und kann zu Beschwerden führen. Menschen mit Kiefergelenkstörungen (CMD) sind besonders gefährdet. Symptome wie Kieferknacken, Schmerzen, Spannungskopfschmerzen oder Ohrenschmerzen können durch Kaugummikauen verschlimmert werden. Exzessives Kauen stört das Muskelgleichgewicht und kann zu Fehlstellungen im Gelenk und Biss führen, was Zahnschäden, häufige Kopfschmerzen und langfristige Ermüdung der Gesichtsmuskulatur nach sich ziehen kann. Wer unter CMD leidet, sollte Kaugummi ganz meiden.
Die unsichtbare Gefahr: Kaugummi setzt Plastik frei
Eine aktuelle Studie aus Amerika beleuchtet ein besorgniserregendes Detail: Kaugummi setzt während des Kauens Mikroplastikpartikel frei. Dies betrifft nicht nur synthetische Kaugummis, sondern überraschenderweise auch Marken, die als "natürlich" beworben werden. Dabei wurden fünf synthetische und fünf "natürliche" Kaugummimarken getestet
Die Ergebnisse der Studie sind deutlich: Jedes einzelne Stück Kaugummi kann Hunderte bis Tausende von Plastikpartikeln in den Speichel abgeben. Im Durchschnitt wurden etwa 100 Plastikpartikel pro Gramm Kaugummi gefunden, wobei einige Stücke sogar bis zu 600 Partikel pro Gramm freisetzten. Da ein Kaugummistück typischerweise zwischen 2 und 6 Gramm wiegt, bedeutet das, dass Sie mit nur einem Stück Kaugummi potenziell bis zu 3'000 Mikroplastikpartikel aufnehmen könnten.
Die Forscher stellten fest, dass die überwiegende Mehrheit der Plastikpartikel – nämlich 94 % – sich bereits in den ersten acht Minuten des Kauens löste. Die Reibung beim Kauen ist dabei der Hauptauslöser für diese Freisetzung, nicht chemische Prozesse im Speichel. Dies bedeutet, dass selbst eine kurze Kaueinheit ausreicht, um die Belastung durch Mikroplastik erheblich zu steigern.
Die identifizierten Plastikarten sind keine Unbekannten. Es handelt sich um Kunststoffe, die üblicherweise in Kleidung, Lebensmittelverpackungen und industriellen Produkten vorkommen. Viele dieser Materialien werden in Tier- und Zellstudien mit negativen Auswirkungen wie Hormonstörungen, oxidativem Stress und Entzündungen in Verbindung gebracht.
Dies sind einige der Kunststoffe und synthetischen Polymere, die häufig in Kaugummibasierungen zu finden sind und die sich als Mikroplastik lösen können:
- Polyvinylacetat (PVAc): Dies ist ein sehr häufig verwendeter Kunststoff in Kaugummis. Er ist auch in Klebstoffen (z.B. Holzleim) enthalten und verleiht dem Kaugummi seine elastischen und klebrigen Eigenschaften.
- Polyethylenterephthalat (PET): Bekannt aus Plastiktüten und -flaschen.
- Polyisobutylen (PIB): Ein synthetischer Gummi, der auch in Reifenschläuchen und Dichtungsmitteln verwendet wird.
- Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR): Ein synthetischer Gummi, der auch in Autoreifen vorkommt.
- Paraffin- und Petroleumwachse: Obwohl es Wachse sind, stammen sie aus Erdöl und sind Teil der synthetischen Basis.
- Terpenharze: Oft als Bindemittel verwendet.
Diese Materialien, wie Polyisobutylen und Styrol-Butadien-Kautschuk, sind nicht nur in Kaugummis zu finden, sondern werden aufgrund ihrer Elastizität und Haltbarkeit zum Beispiel auch in der Herstellung von Autoreifen verwendet. Ein Kaugummi kann also tatsächlich 'Gummi' im Sinne von Reifengummi enthalten.
Das Problem ist, dass Hersteller die genaue Zusammensetzung der "Kaugummibasis" oft als Geschäftsgeheimnis behandeln und daher auf der Zutatenliste nur "Kaumasse" oder "Gum Base" angeben. Das macht es für Verbraucher schwer zu erkennen, welche spezifischen Kunststoffe enthalten sind. Die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, ist, Produkte zu wählen, die explizit "plastikfrei" beworben werden und deren Kaumasse auf natürlichen Polymeren (z.B. Chicle – dem Saft des Sapotillbaums, Bienenwachs oder andere natürliche Harze) basiert.
Langfristige Auswirkungen und unerkannte Nanoplastik
Basierend auf den durchschnittlichen Kaugewohnheiten in den USA (etwa 160 bis 180 Stück pro Jahr) schätzen Experten, dass ein regelmäßiger Kaugumminutzer jährlich bis zu 30'000 Mikroplastikpartikel allein durch Kaugummi aufnehmen könnte. Diese Zahl kommt zu den bereits vorhandenen Mikroplastikpartikeln aus anderen Quellen wie Lebensmittelverpackungen, Wasserflaschen und der Luft hinzu.
Besonders beunruhigend ist die Erkenntnis, dass die Studienergebnisse wahrscheinlich nur einen Teil des Problems widerspiegeln. Die verwendeten Messmethoden konnten nur Partikel bis zu einer Größe von etwa 20 Mikrometern erfassen. Nanoplastikpartikel, die noch viel kleiner sind (kleiner als eine rote Blutzelle), konnten nicht detektiert werden. Diese winzigen Partikel sind jedoch noch bedenklicher, da sie in der Lage sind, Zellmembranen zu durchdringen und so Organe, einschließlich des Gehirns, zu erreichen. Die langfristigen Gesundheitsauswirkungen dieser kontinuierlichen Exposition sind noch nicht vollständig erforscht, aber die potenzielle Belastung für den Körper ist ein klares Warnsignal.
Kaugummi abgewöhnen: Gesunde Alternativen finden
Wenn Sie täglich Kaugummi kauen, nehmen Sie wahrscheinlich Tausende von Plastikpartikeln auf, ohne es zu wissen. Um diese Quelle zu eliminieren und Ihre Gesundheit zu schützen, sollten Sie Kaugummi durch sicherere Gewohnheiten ersetzen:
- Auf plastikfreien Kaugummi umsteigen: Achten Sie beim Kauf gezielt auf Produkte, die explizit als "plastikfrei" deklariert sind und eine Kaumasse aus natürlichen Materialien wie Chicle, Bienenwachs oder anderen Pflanzenharzen verwenden.
- Speichelfluss fördern: Trinken Sie regelmäßig Wasser, probieren Sie Ölziehen mit Kokosöl oder kauen Sie ein kleines Stück Ingwer.
- Frischer Atem ohne Kieferbelastung: Nutzen Sie einen Zungenschaber oder spülen Sie mit einer Natron-Wasser-Lösung, um Geruchsbakterien zu reduzieren. Das schont Ihren Kiefer und Zahnersatz.
- Stress anders bewältigen: Wenn Sie aus Stress oder Langeweile kauen, lenken Sie die nervöse Energie um. Klopfen Sie mit den Fingern, halten Sie einen glatten Stein in der Hand, trinken Sie warmen Tee oder machen Sie langsame Atemübungen.
- Kaugummi als Plastikquelle erkennen: Behandeln Sie Kaugummi wie andere Plastikquellen in Ihrem Alltag. Selbst "natürliche" Sorten geben Plastik ab. Verzichten Sie auf die tägliche Dosis, um Ihren Körper zu entlasten.
Indem man sich für plastikfreie Alternativen entscheidet oder Kaugummi ganz aus seinem Alltag streicht, kann man seinen Körper vor unnötigen Belastungen schützen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Reduzierung von Plastikmüll leisten. Ein kleiner Schritt, der sich langfristig für die eigene Gesundheit und die Umwelt auszahlt.