Sei du der Grund, dass andere wieder an das Gute im Menschen glauben! Eigentlich ist der Mensch friedlich und gut – weit besser als sein Ruf! Gäbe es da nicht das eigenartige Phänomen, dass jenen Menschen, die hoch auf der Leiter von Macht und Karriere stehen, dieses Gute meist abhandenkommt, weshalb sie den Völkern das Leben schwer machen. Hören wir daher auf Mahatma Gandhi, der sagte: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“
Wie ist Ihr Blick auf die Realität? Oder anders gefragt: Ist ein Glas mit halb hohem Wasserstand für Sie halb voll oder halb leer? Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, wie Ihre Zukunft sich gestaltet. Wie Ihre Realität verläuft. Wie gesund Sie im Alter sein werden. Und wie Sie Ihre Mitmenschen wahrnehmen.
Vielleicht wissen Sie nicht, wie Sie antworten sollen. Vielleicht schummeln Sie auch, weil Sie wissen, welches die bessere Antwort ist. Das hilft Ihnen aber nicht weiter. Denn nur wenn Sie aufrichtig erkennen, ob Sie zu den Optimisten oder Pessimisten gehören, können Sie mit Ihrer Haltung weiterfahren oder, wichtiger noch, sie verändern. Sie können am Ende dieses Artikels den Test machen, was Sie wirklich sind. Denn die Welt braucht Optimisten. Sie sind die wahren Realisten. Sie glauben an das Gute in ihrem Nächsten, an das Gute, das die Zukunft für uns bereithält. Das Gute in sich selbst. Und diese Weltsicht ist die einzige, die all die Hindernisse überwinden wird, welche pessimistische, misstrauische, ängstliche Menschen gegenwärtig in die Welt setzen, weil sie glauben, dass diese sonst keine Zukunft mehr hat. Was wir brauchen, ist keine Reduzierung der Weltbevölkerung (diese wird sich bald von selbst einstellen, warten Sie’s ab!), sondern eine Weltbevölkerung, die daran glaubt, dass eine hoffnungsvolle Zeit des Lichts angebrochen ist, in der die Menschen endlich alle wieder Brüder werden und liebevoller Hüter ihres Nächsten – und die diese Weltsicht auch in konstruktive, mutige, entschlossene Tat umsetzen.
Also: Wie sehen sie Ihren Mann, Ihre Frau, Ihre Liebsten? Enttäuscht, resigniert, verächtlich, desillusioniert? Oder voller Dankbarkeit, Liebe, Wertschätzung und Vergebung im Wissen, dass jeder mal unangenehm ist und durch schwierige innere Prozesse geht? Glauben Sie, dass der Mensch im Grunde gut ist oder eher schlecht? Glauben Sie, dass auch Angehörige anderer Religionen und Rassen eher gut sind oder schlecht? Nein, wir sollen nicht naiv sein und auch nicht den Kopf in den Sand stecken. Doch davon, wie wir unsere Nächsten und die Welt wahrnehmen, hängt, wie schon eingangs gesagt, ab, wie groß und schmerzhaft die Geburtswehen der wahrhaft schönen, neuen Welt sein werden, in die wir uns am Beginn dieses neuen Manvantaras („Zeitalter der Zeitalter“) hineinbegeben. Oder besser gesagt, in die wir uns gegenwärtig noch durch den Geburtskanal hindurchquälen. Was schmerzt und endlos erscheint und wo man lange kein Licht am Ende des Tunnels sieht. Und sich noch nicht vorstellen kann, wie die Welt jenseits dieses Geburtskanals aussehen wird – und dies so richtig auch erst in künftigen Leben erfahren wird. Denn niemals sollten wir vergessen, dass die Welt, die wir „unseren Enkeln“ hinterlassen, auch die unsere sein wird. Weil wir unsere eigenen „Enkel“ und „Urenkel“ sind. Irgendwann in fünfzig oder hundert oder dreihundert Jahren, wenn wir als kleines, noch unschuldiges Baby wieder das „Licht der Welt erblicken“. Und dann wird all das Gute, was wir heute gedacht, gefühlt, gesagt und getan haben, nicht nur unser eigenes Leben heller gemacht, sondern auch das der ganzen Schöpfung erhoben haben. Etwa so, wie es John Donne, der englische Dichter (1572–1631) so schön sagte: „Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. Wenn eine Scholle ins Meer gespült wird, wird Europa weniger, genauso als wenn’s eine Landzunge wäre, oder ein Landgut deines Freundes oder dein eigenes. Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin Teil der Menschheit; und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst.“
Rutger Bregman, der junge holländische Historiker und Autor (1988 geboren), dessen Ideen zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ wir schon im letzten Heft würdigten, wartet in seinem neuesten Buch „Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit“ mit einem Füllhorn voller überzeugender Beispiele dafür auf, dass die Menschen besser sind, als wir es von ihnen denken, und das, obwohl Bregman uns lediglich als eine Spezies des Tierreichs sieht, die sich von allen anderen Viechern nur dadurch unterscheidet, dass sie zur Scham fähig ist und erröten kann. Da haben wir von der ZeitenSchrift natürlich eine andere Weltsicht. Dennoch empfehlen wir sein Buch zur Lektüre, da es uns ganz bestimmt helfen wird, das Glas halb voll zu sehen, und uns damit eine bessere Zukunft zu bereiten – persönlich wie global.
Eines müssen wir von Anfang an beachten: Zu viel Konsum von Massen- und „sozialen“ Medien wirkt toxisch und wird Sie, ehe Sie sich’s versehen, vom leuchtenden Optimisten zum düsteren Pessimisten machen. Auf die vielen Falschdarstellungen von Ereignissen kommen wir noch. Doch seit gut 15 Jahren verschmutzen die un-sozialen Medien das Bewusstsein von Milliarden Menschen mit übelstem Schmutz. Wie Bregman es sagt: „Eine kleine Gruppe von Quälgeistern äußert dort die hässlichsten Dinge. Die Hassbotschaften werden von den Algorithmen bei Twitter und Facebook nach oben gepusht, denn soziale Medien leben von unserem ‚negativity bias‘ [unserer Tendenz zur Negativität]. Die digitalen Plattformen verdienen am meisten, wenn Menschen sich so gemein wie möglich verhalten. Das generiert Aufmerksamkeit, darauf klicken wir am häufigsten, und dann sehen wir auch am meisten Werbung. Auf diese Weise sind soziale Medien zu Maschinen entartet, die unsere schlechten Seiten soweit es nur geht vergrößern.“
Wie sehr wir dem glauben können, was die Massenmedien uns als Realität verkaufen, illustriert das Beispiel von New Orleans, das am 29. August 2005 vom Hurrikan Katrina verwüstet wurde. 80 Prozent der Häuser wurden überflutet; mindestens 1'836 Menschen kamen ums Leben. Es war die größte Naturkatastrophe in der Geschichte der Vereinigten Staaten. „In jener Woche“, schreibt Bregman, „waren die Zeitungen voll mit Berichten über Vergewaltigungen und Schießereien in New Orleans. Fürchterliche Geschichten über Gangster, die plündernd durch die Gegend zogen, und einen Scharfschützen, der einen Rettungshubschrauber unter Beschuss nahm, machten die Runde: Im Superdome-Stadion, dem größten Schutzraum, säßen nicht weniger als 25'000 Menschen wie Ratten in der Falle. Ohne Elektrizität. Ohne Wasser. Journalisten berichteten, dass die Kehlen von zwei Babys durchgeschnitten und ein siebenjähriges Mädchen vergewaltigt und ermordet worden war. Der Polizeichef prognostizierte, dass die Stadt in die Anarchie abgleiten würde, und dem Gouverneur von Louisiana schwante dasselbe. ‚Was mich besonders wütend macht‘, sagten sie, ‚ist, dass solche Katastrophen oft das Schlechteste im Menschen zutage fördern.‘“
Erst nachdem Monate später die Journalisten und das Wasser verschwunden waren, ermittelten Wissenschaftler, was wirklich in New Orleans geschehen war. „Die Schüsse des Scharfschützen waren in Wahrheit das Ventilgeklapper eines Gastanks. Sechs Menschen waren im Superdome-Stadion gestorben: vier auf natürliche Weise, einer an einer Überdosis und einer durch Selbstmord. Der Polizeichef musste zugeben, dass es keinen einzigen offiziellen Bericht über Morde oder Vergewaltigungen gab. Und tatsächlich: Es war viel geplündert worden, aber vor allem von Gruppen, die gemeinsame Sache machten, um ihr Überleben zu sichern, manchmal sogar zusammen mit der Polizei.
Die Wissenschaftler am Disaster Research Center der University of Delaware schlossen daraus, dass ‚die überwältigende Mehrheit des spontanen Verhaltens sozial geprägt war.‘ Eine Armada an Schiffen war von Texas nach New Orleans gekommen, um so viele Menschen wie möglich zu retten. Hunderte von Rettungstrupps waren gebildet worden. Eine Gruppe hatte sich Robin-Hood-Plünderer genannt: elf Freunde, die Lebensmittel, Kleidung und Medikamente ‚stahlen‘ und verteilten. Kurz gesagt“, resümiert Rutger Bregman, „die Stadt wurde nicht von Egoismus und Anarchie überflutet. Die Stadt wurde überspült von Mut und Nächstenliebe.“ Damit, so der Historiker, entspreche New Orleans dem typischen Bild des Verhaltens nach einer Katastrophe, wie das Disaster Research Center seit 1963 auf der Grundlage von fast 700 Feldstudien ermittelt hat. In Wirklichkeit handeln Menschen nicht wie in Spielfilmen, wo sie in Panik verfallen und nur ihre eigenen Interessen verfolgen. „Die Zahl der Verbrechen – Mord, Diebstahl, Vergewaltigung – nimmt in der Regel ab. Die Menschen bleiben ruhig, geraten nicht in Panik und handeln schnell. ‚Und egal, wie viel geplündert wird‘, so einer der Wissenschaftler, ‚es verblasst immer im Vergleich zu dem weitverbreiteten Altruismus, der zu einem großzügigen und umfangreichen Geben und Teilen von Gütern und Diensten führt.‘
In Notsituationen kommt das Beste im Menschen zum Vorschein“, fasst Bregman zusammen. „Ich kenne keine andere soziologische Erkenntnis, die gleichermaßen sicher belegt ist und dennoch gänzlich ignoriert wird. Das Bild, das in den Medien gezeichnet wird, ist dem, was nach einer Katastrophe tatsächlich geschieht, diametral entgegengesetzt.“
Die Folgen dieser lügenhaften und tatsachenverdrehenden Berichterstattung waren für die Bevölkerung New Orleans’ fatal. Viele Hilfeleistungen wurden verzögert, weil die Rettungskräfte aufgrund der Schauermärchen sich nicht getrauten, die Stadt ohne Schutz zu betreten. 72'000 Soldaten wurden aufgeboten, um das „Gesindel“ im Zaum zu halten. Der Gouverneur verlautete dazu: „Diese Truppen wissen, wie man schießt und tötet, und ich erwarte, dass sie es tun werden.“ So geschah es denn auch. Auf einer Brücke im Osten der Stadt feuerten Polizisten auf sechs unschuldige und unbewaffnete Afroamerikaner, woraufhin ein Junge von 17 Jahren und ein geistig behinderter 40-Jähriger starben. Fünf Polizisten erhielten daraufhin lange Haftstrafen. All dies hätte ohne die tatsachenverdrehende Berichterstattung vermieden werden können.
Rebecca Solnit schrieb in ihrem Buch A Paradise built in Hell aus dem Jahr 2009 (Ein Paradies in der Hölle) über Katrina: „Mein Eindruck ist, dass elite panic (eine Panik unter den Eliten) entsteht, weil die Machthaber die Menschheit für ihr eigenes Ebenbild halten.“ Und Bregman fügt an: „Könige und Diktatoren, Gouverneure und Generäle glauben, dass die einfachen Menschen egoistisch sind, weil sie selbst es so oft sind. Sie greifen zu Gewalt, weil sie etwas verhindern wollen, das sich allein in ihrer Phantasie abspielt.“
Bregmans Buch strotzt vor Beispielen, dass der Durchschnittsmensch weit besser ist als sein Image. Und besser auch, als wir selbst von ihm – uns – denken. Ein beeindruckendes Beispiel dafür bieten die schrecklichen Bombardements, mit denen Hitler in der „Luftschlacht um England“ Großbritannien und besonders London traktierte und welche die Alliierten dann am Ende des Kriegs über Deutschland niedergingen ließen. Selbst englische Generäle gingen von Schreckensszenarien in der Bevölkerung aus: „Der Verkehr wird eingestellt, die Obdachlosen werden um Hilfe schreien, und die Stadt wird in ein totales Chaos abrutschen“, so die Mutmaßung eines britischen Generals. Millionen Bürger würden in Panik geraten, sodass die Armee nicht einmal kämpfen könnte, weil sie sich darauf konzentrieren müsste, die Massen in Schach zu halten.
Was tatsächlich geschah, war, dass sich eine seltsame Ruhe über London ausbreitete, als die deutschen Bomben manches Viertel verwüsteten. Die Briten tranken seelenruhig weiter ihren Tee, während die Fenster ihrer Wohnungen zitterten. Von einer Journalistin befragt, ob sie denn keine Angst hätten, sagte ein Ehepaar: „Aber nein! Was würde das schon helfen?“
„Unternehmer stellten Schilder vor die Ruinen, die einst ihre Geschäfte gewesen waren“, schreibt Bregman. Darauf stand zum Beispiel „More open than usual“ („Weiter geöffnet also sonst“). Ein Pub-Eigentümer schrieb „Our Windows are gone, but our spirits are excellent. Come in and try them.“ („Unsere Fenster sind hinüber, aber unser ‚Spirit‘ [Doppelbedeutung: Stimmung/Spirituosen] ist ausgezeichnet. Kommt rein und prüft es.“) Auch in den verwüsteten Vierteln spielten kleine Jungs nach dem Fliegeralarm weiterhin auf dem Bürgersteig, ließen sich Kunden beim Feilschen nicht unterbrechen und regelte ein Polizist den Verkehr mit königlicher Gelangweiltheit, und die Radfahrer trotzten dem Tod und den Verkehrsregeln, wie ein Psychiater berichtete. Niemand, soweit er habe erkennen können, habe auch nur zum Himmel hinaufgeschaut.
Der „Blitz“, der die Briten auf allen Ebenen – physisch, mental und emotional – hätte verheeren sollen, war ein voller Rohrkrepierer. Denn die psychiatrischen Notaufnahmen blieben nicht nur leer, es ging sogar mit der mentalen Gesundheit vieler Engländer bergauf: Der Alkoholkonsum nahm ab und es gab weniger Selbstmorde als in Friedenszeiten. Nach dem Krieg sehnten sich sogar viele Briten nach der Zeit des Luftkriegs zurück, als jeder jedem half und es keine Rolle spielte, ob man links oder rechts, reich oder arm war. Der „Blitzkrieg“ hatte die Gesellschaft gestärkt, wie auch eine US-Journalistin schrieb: „Der Mut, der Humor und die Freundlichkeit der einfachen Menschen sind angesichts dieses Albtraums erstaunlich.“ Hitler war enttäuscht.
Eigenartig mutet an, dass die britische Regierung, obwohl ihr Volk diese Erfahrung am eigenen Leib gemacht hatte, gegen Kriegsende immer noch der Meinung war, man könnte die Deutschen mit Flächenbombardements zermürben. Dem lag wie so oft eine Lüge eines Mitglieds des Establishments zugrunde. Denn obwohl sogar eine große Befragung in gnadenlos zerbombten Städten wie Hull und Birmingham ergeben hatte, dass die Moral der Menschen, die ihr Zuhause verloren hatten, in keiner Weise geschwächt worden war, plädierte Lord Chewell bei Premierminister Winston Churchill dafür, dass kein Zweifel daran bestehe, dass die Flächenbombardements den Willen des deutschen Volkes brechen würden.
Und so brach die Hölle über Deutschland herein, bei der zehnmal so viele Menschen getötet wurden wie beim „Blitz“ in Großbritannien. Über die Hälfte der deutschen Städte wurde zerstört; in einer Nacht starben in Dresden mehr Menschen als in London während des gesamten Krieges. Das ganze Land wurde ein schwelender Trümmerhaufen.
Von Mai bis Juli 1945 befragte der Psychiater Dr. Friedrich Panse fast hundert Deutsche, die ihr Zuhause verloren hatten. Resultat: Von einer Massenpanik konnte keine Rede sein. „Die nachbarliche Hilfsbereitschaft war groß“, bemerkte Panse. „In Anbetracht der Schwere und Dauer der psychischen Belastung war die Haltung der Bevölkerung bemerkenswert gefasst und diszipliniert.“ Zum gleichen Fazit kam der deutsche Sicherheitsdienst: Alle schienen einander zu helfen, und Kinder der Hitlerjugend rannten herum, um den Verwundeten und Obdachlosen beizustehen.
Wissenschaftler kamen nach Kriegsende zum Fazit, dass die Bombardements ein Fiasko gewesen seien. Die deutsche Kriegswirtschaft sei daraus wahrscheinlich gestärkt hervorgegangen, weshalb der Krieg länger gedauert haben dürfte. Ein britisches Ökonomen-Team kam zur selben Erkenntnis: In den 21 zerstörten Städten, die sie untersuchten, war die Produktion schneller gewachsen als bei einer Kontrollgruppe von 14 Städten, die nicht bombardiert worden waren.
Leider lernten die Mächtigen nichts aus diesen Erkenntnissen. 25 Jahre später warfen die Amerikaner dreimal so viele Bomben auf Vietnam wie auf Deutschland während des gesamten 2. Weltkriegs. Woraus ein noch größerer Fehlschlag resultierte. Bregmans Fazit: „Selbst wenn der Beweis direkt vor unseren Füßen liegt, schaffen wir es immer wieder, uns selbst zum Narren zu halten. Bis auf den heutigen Tag glauben viele Briten, dass ihre Widerstandsfähigkeit während des Luftkrieges typisch britisch gewesen sei.
Aber sie war nicht typisch britisch. Sie war typisch menschlich.“
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