Die Glühbirne darf nicht verlöschen!

Politik und Umweltverbände stellen die Glühlampe als stromfressende Umweltsünderin hin. Deshalb soll sie über die nächsten Jahre schrittweise verboten werden. Die Sparlampen sind jedoch längst nicht so „grün“ wie sie angepriesen werden. Ihr Licht schädigt nicht nur unsere Augen, sondern kann sogar hormonbedingte Krankheiten auslösen – darunter auch Krebs!

Ausgeglüht: Nach 120 Jahren soll das Symbol für Geistesblitze in Pension gehen.

„Gestern haben Käufer panikartig die verbliebenen Glühbirnen in einem letzten verzweifelten Versuch geschnappt, um ihren Vorrat aufzustocken“, stand am 7. Januar 2009 in der britischen Zeitung Daily Mail. „Hunderte von führenden Supermärkten haben ihre letzten verbliebenen Glühbirnen nach einer Welle von Panikkäufen abgesetzt.“ Millionen von Engländern stürmten in die Läden, nachdem die britische Regierung tags zuvor den Entscheid der Europäischen Union verkündet hatte, die konventionellen 100 W-Glühlampen vom Markt zu nehmen. Eine Reaktion, die man von dem unterkühlten Inselvolk kaum erwarten würde. Doch ist dem Engländer sein Home ganz besonders sein Castle, und da läßt er sich nicht gerne bevormunden. Ganz anders die obrigkeitstreuen Europäer deutscher Zunge. Viele von ihnen haben noch nicht einmal mitbekommen, daß der Glühbirne nach hundertzwanzig Jahren bald das Licht ausgehen soll.

Fast scheint es, als ob der Konsument eine geradezu instinktive Abneigung gegen Sparlampen pflegte. Denn trotz massiver Bewerbung waren bisher nur ein Siebtel aller in der EU eingesetzten Leuchtmittel Energiesparlampen. In der Schweiz liegt die Quote bei knapp einem Fünftel, wenn man sämtliche Neonröhren hinzurechnet. Kein Wunder, ist ihr Licht doch kalt und keineswegs gemütlich warm wie das herkömmlicher Glühbirnen.

Hierfür gibt es einen meßtechnisch leicht nachweisbaren Grund. Die Glühlampe strahlt – wie auch das Kerzenlicht – ein natürliches Lichtspektrum aus. Wir kennen es von der Sonne. Sämtliche Anteile des sichtbaren Lichts sind in ausgewogenem Maße vorhanden, weshalb man von einem Vollspektrumlicht spricht. Ganz anders die Fluoreszenzlampen, zu denen auch sämtliche Sparlampen gehören. Ihr Lichtspektrum besteht vorwiegend aus isolierten Spitzen. Das erklärt das Disharmonische, Stechende in der Wahrnehmung solchen Lichtes. Statt eines harmonischen Ganzen mißt man nur noch einzelne, überhöhte Lichtfrequenzen. Dasselbe gilt für die sogenannten Vollspektrum-, Warmton-, Tageslicht- oder Biolicht-Leuchtstofflampen. Sie mögen zwar auf dieselbe Farbtemperatur wie das Tageslicht abgestimmt sein, doch die Zusammensetzung ihrer Lichtstrahlung hat absolut nichts mit dem Sonnenlicht gemein.

Schwer abschätzbares Risiko

Wie groß der durch Kunstlicht angerichtete Schaden tatsächlich ist, läßt sich nur schwer abschätzen, da sich lebende Organismen laufend von selbst erholen können. Um das Ausmaß einer Schädigung abschätzen zu können, müßte man folglich immer wissen, wie schnell und wie stark sich ein Körper regenerieren kann. Doch das ist in der Praxis kaum möglich. Nicht zuletzt, weil „die Mediziner seit geraumer Zeit nicht mehr in der Kunst des Heilens unterwiesen werden, sondern angehalten sind, streng wissenschaftlich, also eher physikalisch orientiert zu arbeiten und zu denken“, so der Lichtbiologe Alexander Wunsch. Dabei tritt die biologische Gleichung: „Schaden gleich Schädigung minus Reparatur“ immer mehr in den Hintergrund. Der Begründer der psychosomatischen Medizin, Thure von Uexküll, bemerkte einmal treffend: „Die Physiker glauben längst wieder an den lieben Gott – nur die Mediziner glauben noch an die Physiker.“

Somit kann man toxischen Wirkungen von Licht vorzugsweise an Zellversuchen oder aus epidemiologischen Entwicklungen ablesen. „Da sich moderne Zivilisationen in erster Linie unter Kunstlicht aufhalten – bei Städtern über 95 Prozent der Wachzeit – stellt sich als erste Frage, ob man die Sonne bei lichtbedingten Schäden wirklich als den einzigen entscheidenden Faktor gelten lassen kann“, warnt Mediziner Wunsch. „Genau das geschieht im Zusammenhang mit Hautkrebs, bei der Entwicklung von Grauem Star und bei der Entstehung von altersbedingter Makuladegeneration, von der mittlerweile fast ein Drittel der über 65jährigen Bevölkerung in Industrienationen betroffen ist.“

Die Rolle des Kunstlichts hingegen wurde bis in die jüngste Zeit kaum untersucht, obwohl dies der dominierende Lichteinfluß auf uns ist. Daß unsere Psyche darauf reagiert, liegt auf der Hand. Um dies besser zu erforschen, stattete man die Klassenräume einer Hamburger Grundschule mit einer Lichtanlage aus, bei der die Lehrerinnen Beleuchtungsstärke und Farbtemperatur verändern können. Helles, kaltweißes Licht soll die Schüler am Morgen auf Trab bringen, rötlich gedimmtes Licht sie beruhigen. Es funktioniert.

Über ein Jahr lang verglichen Forscher der Hamburger Universitätsklinik die Leistungen der Klasse unter dynamischem Licht mit einer Klasse unter Standardbeleuchtung. Fazit: Die Lesegeschwindigkeit stieg unter dynamischem Licht um fast 35 Prozent. Nicht nur Aufmerksamkeit und Konzentration, sondern auch die störende Hyperaktivität ließen sich durch das richtige Licht positiv beeinflussen.

Krebs, weil die Nacht zum Tag wird

Weniger positiv ist, daß Kunstlicht unsere Hormone durcheinanderbringen kann. So nehmen Erkrankungen, die auf Störungen des Hormonhaushalts zurückgehen – Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes oder auch Krebs – immer mehr zu. Neue Studienergebnisse weisen auf eine Verbindung zwischen Kunstlicht und Brustkrebsentstehung hin. Der Verdacht auf einen Zusammenhang besteht auch hinsichtlich des Dickdarm- und Prostatakrebses.

Seit 1987 warnt der amerikanische Krebsforscher Richard Stevens, daß nächtliches Kunstlicht bei Menschen Krebs auslösen kann. Vor allem, weil durch die Helligkeit die innere Uhr aus dem Takt gerät und der Körper zu wenig Melatonin produziert, welches weitere Hormone direkt beeinflußt. Professor Stevens: „Melatonin und Brustkrebs hängen zusammen: Zum einen verlangsamt Melatonin das Wachstum von Tumoren. Zum anderen hemmt es die Produktion von Östrogenen. Wird weniger Melatonin gebildet, steigt also der Östrogenpegel. Und Östrogene spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Brustkrebs.“

An der Medizinischen Hochschule der Harvard-Universität lagern die Daten von 120’000 Krankenschwestern, die jedes Jahr Fragebögen zu ihrer Gesundheit ausfüllen. Und tatsächlich: Je öfter die Krankenschwestern nachts arbeiten, desto häufiger erkranken sie an Brustkrebs. Blutproben zeigten: Nachtschwestern haben deutlich weniger Melatonin und mehr Brustkrebs fördernde Östrogene im Blut. Entsprechend kam eine andere Untersuchung an blinden Frauen zum Schluß, daß diese weniger häufig an Brustkrebs erkranken als Sehende.

Am Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozialhygiene der Uniklinik Köln hat man rund dreißig weltweite Studien zum Thema Schichtarbeit und Krebs ausgewertet, wobei besonderes Augenmerk auf externe Zeitgeber, insbesondere das Licht, gelegt wurde. Ein zentrales Ergebnis dieser Meta-Analysen ist, daß sich bei den beiden untersuchten Berufsgruppen, nämlich Flugpersonal und Schichtpersonal, eine statistisch signifikante Risikoerhöhung für Krebs zeigt. Besonders betroffen ist das Flugpersonal. Der Anstieg des Krebsrisikos liegt dort bei 70 Prozent für Brustkrebs und bei 40 Prozent für Prostatakrebs.

Professor Stevens arbeitete zudem an einer Studie mit, welche im Februar 2009 veröffentlicht wurde: Mitarbeiter der Universität von Haifa sammelten die Daten von Prostatakrebserkrankungen aus insgesamt 164 Nationen und legten ihr Augenmerk auf einen allfälligen Zusammenhang mit der Nachtbeleuchtung und dem Stromverbrauch dieser Länder.

Der Verdacht bestätigte sich: Die Länder mit überdurchschnittlicher Nachtbeleuchtung zeigten um 30 Prozent erhöhte Prostatakrebsraten. Die Staaten mit nächtlicher Spitzenbeleuchtung wiesen gar um 80 Prozent mehr Prostatakrebserkrankungen auf!