Printmedien: Das eigene Grab geschaufelt?

Möglicherweise haben die Printmedien ihre Macht als Manipulierer der Massen zu lange mißbraucht. Der Leser merkt’s – und ist immer geneigter, auf sie zu verzichten.

Man hätte meinen sollen, die neue SPD-Regierung habe gute Karten bei der mehrheitlich linken Massenpresse. Die Haue, die sie dann gerade von linken Blättern wie dem Stern oder dem Spiegel bekam, übertrifft aber an Ungnädigkeit, Schnelligkeit und Heftigkeit alles, was man der ‚feindlichen‘ CDU nach gewonnener Wahl je zugemutet hat. Allein die Bildersprache: Lafontaine als hässliches Ekel, das die Marionettenfäden in den Fingern hält (Stern). Der Kanzler hinter Wolken verborgen mit dem Satz „Wo ist Schröder?“ (Spiegel) Schröder, Lafontaine, Fischer und Trittin als hoffnungslos verkeilte Athleten mit der Schlagzeile „Der Fehlstart“ (Stern). Es gibt Verschwörungstheoretiker, die behaupten, die Bildersprache gewisser Massen-Printmedien vermittle ‚Insidern‘, wer wohlgelitten sei und wen man nicht möge, bzw. fallenlassen solle. Faustregel: Wer wohlgelitten sei, werde mit sichtbaren Händen abgebildet, wer in Ungnade gefallen, nur als Kopfbild ohne Hände, ohne Gesten, gleichsam ohne ‚Handlungsbefugnis‘. Auffallend am Athletenbild des ‚Fehlstarts‘ ist, dass nur die Köpfe der vier Spitzenpolitiker realistisch gemalt sind. Vom Hals abwärts sind sie nur noch ‚Strichmännchen‘ mit kaum wahrnehmbaren Körpern. Zufall oder Absicht? Wie auch immer. Eine Situation, die ‚man‘ glaubt regeln zu müssen, wird oft mit Nebel oder Wolken dargestellt. Wie Schröder auf dem Spiegel vom 9. November, zwei Wochen nach seinem Amtseid.

Die Leser wundert’s. Ein Manfred Zöberer aus Berlin schreibt dem Stern: „Habt Ihr eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Zuerst habt Ihr eifrig an Kohls Stuhl gesägt, nun wird schon an Schröders Stuhl weitergesägt, bevor er diesen unterm Hintern hat. Nicht einmal die bekannte Schamfrist von 100 Tagen wird ihm zugestanden.“

Der Ober-Watschenmann heißt Oskar Lafontaine. Europaweit wird er nun schon medial geohrfeigt, nach dem Motto – ‚immer feste druff‘, und mal schauen, wie viele Runden es noch braucht bis zum k.o. Lafontaine ist schon angeschlagen, hat geklagt, laut Stern: „Vieles ist in letzter Zeit gewispert worden, was mich sehr gekränkt hat.“ Das war noch vor dem Stern-Artikel vom Oktober, in dem er als ‚unverstandene Unschuld vom Saarland‘, ‚Macht-Macho von der Saar‘, ‚Ayatollah von der Saar‘, ‚Dominator, der kaum diskursfähig ist, weil er sowieso alles besser weiß‘, und als der ‚geborene Alleinherrscher‘ mit der ‚Hofhaltung des Sonnenkönigs‘ tituliert wurde. Und dies in einem SPD-nahen Blatt, wohlverstanden!

Lafontaine mag Machtmensch sein. Ich kann nicht behaupten, dass er mir je besonders sympathisch war. Doch wenn sosehr auf jemanden eingedroschen wird, werde ich skeptisch. Wem passt nicht, was der Mann will? Was tut er, dass sogar englische Zeitungen ihn als den ‚gefährlichsten Mann Europas‘ beschimpfen müssen, in seitengroßen Lettern auf der Frontpage? Rupert Murdoch’s Zeitung The Sun schoss dabei den Vogel ab. Nachdem sie die Frage ‚Ist dies der gefährlichste Mann Europas‘ nach dem Titelauftritt im Innern der Boulevardzeitung auch noch in Deutsch publiziert hatte, legte sie mit einer späteren Ausgabe noch einen zu: „Hör ganz genau zu, Herr Lafontaine, denn wir werden dies nur einmal sagen: Foxtrot Oskar“ – die Buchstaben F – O waren rot gedruckt. Jeder Engländer erkennt sie als ‚Fuck off‘ – vornehm ausgedrückt ‚Verpiss dich‘.

Den ersten kolossalen Fehltritt, den Lafontaine sich in den Augen der Medien geleistet hat, war sein Versuch, die Bundesbanker zu bewegen, die Zinsen zu senken – zwecks Ankurbelung von Wirtschaftslage und Arbeitsmarkt. „Die Politik der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank darf nicht sakrosankt“ sein, sondern müsse „einer gewissen Kontrolle unterworfen werden“ hatte Lafontaines Ehefrau, die Ökonomin Christa Müller (vom Stern als ‚kühle Hellblonde‘ bezeichnet – wie war das doch mit den Blondinenwitzen?) geäußert. In einer Fernsehshow!