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Das Geheimnis der Dankbarkeit

David Seiler | 12. November 2023

In unserer konsumgetriebenen Gesellschaft, in der ein Ausverkauf den nächsten jagt, wir ununterbrochen von Influencern beeinflusst werden und Statussymbole einen immer höheren Stellenwert einnehmen, gerät etwas sehr Grundlegendes immer mehr in den Hintergrund: die Dankbarkeit.

Pb dankbarkeit

Dankbarkeit ist das perfekte Mittel gegen Neid, Eifersucht und Frust. Ja, sie ist gar ein wesentlicher Schlüssel für ein glückliches und erfülltes Leben. Vor allem aber ist sie eine Frage der inneren Einstellung. Allzu oft verfallen wir der irrigen Annahme, dass uns noch etwas fehlt, um wirklich dankbar und erfüllt sein zu können. Wenn wir dann das neue Auto haben, dann können wir unsere Dankbarkeit zeigen. Wenn den neuen Job bekommen, dann sind wir dankbar und glücklich. Wenn endlich die neue Winterjacke ankommt, dann, ja dann geht es uns gut.

Doch die Realität sieht meist ganz anders aus. Die anfängliche Freude, Euphorie und Dankbarkeit verfliegen bald, das Neue wird Gewohnheit und verliert seinen Reiz. Also muss wieder etwas Neues her. Und so beginnt der Kreislauf erneut. Die Krux dabei: Solch ein Streben nach Glück lässt uns nie dankbar, geschweige denn glücklich werden. Denn das Geheimnis der Dankbarkeit liegt darin, dass man dankbar ist für das, was man bereits hat. Wer nicht gelernt hat, für das (vermeintlich) wenige in seinem Leben Wertschätzung und Dankbarkeit zu zeigen, der wird auch für alles Neue keine langanhaltende Dankbarkeit fühlen können. Wer ständig Neues will, der gleicht dem Esel, der erfolglos versucht, die Möhre, die am Stock über seinem Kopf hängt, zu erreichen. Wer nur auf Konsum gepolt ist, rennt konstant etwas hinterher und verliert dabei aus den Augen, was er bereits hat.

Sind wir jedoch dankbar für das bereits vorhandene, so tut uns dies auf zwei Ebenen gut. Erstens sind wir mit unserem Leben und uns selbst zufrieden. Die Dankbarkeit lässt uns Innehalten und wir erkennen (wieder) den wahren Reichtum in unserem Leben. Andererseits haben wir die Aufmerksamkeit auf der Fülle, die bereits in unserem Leben existiert – und nicht auf dem (vermeintlichen) Mangel, auf dem was uns alles noch fehlt. Diese positive Aufmerksamkeitsausrichtung hat zur Folge, dass wir mehr von dem, was wir bereits haben in unser Leben ziehen. Dieses Prinzip funktioniert natürlich auch, wenn wir uns auf das Negative fokussieren. Wer mit einer positiven Haltung durchs Leben geht, hat meist Glück. Bei Pessimisten geht dafür gerne etwas schief.

Hinzu kommt, dass glückliche Menschen nachweislich gesünder, resilienter, selbstbewusster und ausgeglichener sind. Zudem lösen Dankbarkeitsgefühle biochemische Prozesse aus, die das Immunsystem stärken, die Herzgesundheit fördern, Depressionen vorbeugen und den Schlaf verbessern.

Und nun zur guten Nachricht: Dankbarkeit kann man lernen. Zum Beispiel in dem Sie Ihre Wertschätzung laut aussprechen. Egal ob der Familie, den Arbeitskollegen oder dem Personal im Supermarkt gegenüber, Sie werden immer etwas finden, wofür Sie Ihre Dankbarkeit ausdrücken können. Und je mehr man seine Dankbarkeit äußert, um so mehr wird der eigene „Dankbarkeitsmuskel“ trainiert. Was am Anfang noch bewusste Anstrengung benötigt, wird einmal so in Fleisch und Blut übergegangen sein, dass diese Geisteshaltung zur Gewohnheit wird.

Eine weitere schöne Trainingseinheit ist die „Tagesschau“. Blicken Sie abends im Bett auf Ihren Tag zurück und erinnern Sie sich, wofür Sie heute dankbar sein konnten. Am Anfang finden Sie vielleicht nur ein oder zwei Sachen. Doch je öfter Sie die Übung wiederholen, desto facettenreicher nehmen Sie den Tag wahr und finden immer mehr Situationen und Erlebnisse, für die Sie dankbar sind. Wer sich in Dankbarkeit übt, der beschwört nicht nur kurze Momente des Glücksgefühls hervor, sondern erreicht mehr und mehr einen dauerhaften Zustand des Glücks und der Freude.

Auch ist ein Perspektivenwechsel sehr hilfreich. Ja, nicht jeder Tag ist gut – aber jeder Tag hat definitiv etwas Gutes. Sehen Sie das Gute, auch im vermeintlich Schlechten. So gewinnen Sie neue Einsichten und einen neuen Blickwinkel. Und wie soll Albert Einstein einmal gesagt haben: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind!“ Welch wahre Worte!

Und übrigens gelangten Wissenschaftler bereits 1995 zu folgender Erkenntnis: Wer besonders viel hat, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit, glücklich zu sein, nicht größer als bei Menschen, die besonders wenig haben. Wer sich aber an dem freut, was er hat, dessen Glückswahrscheinlichkeit ist doppelt so hoch wie bei jenen, die sich alles leisten können.

Warum sich also die ganze Zeit an Dinge erinnern, die man nicht hat, anstatt sich derer zu erfreuen, die man bereits besitzt?

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