17.08.2020

Füttern Sie Vögel das ganze Jahr!

Das Insektensterben stellt für einheimische Zug- und Singvögel eine große Bedrohung dar, wie der Ornithologe und langjährige Direktor der Vogelwarte Radolfzell Prof. Peter Berthold warnt. Sein Ratschlag nach über 60 Jahren der Forschung lautet daher denn auch: Vögel sollten möglichst ganzjährig gefüttert werden. Nur so lassen sich die heimischen Vogelbestände retten und auf lange Sicht auch wieder aufbauen.

Wie der Naturschutzbund (Nabu) schreibt, sind die Insektenbestände in den letzten 30 Jahren um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Dies betrifft nicht nur uns Menschen direkt (Stichwort Bestäubungskrise) sondern bringt auch viele Vogelarten wie Blaukehlchen, Mehlschwalbe oder die Dorngrasmücke in Bedrängnis, die allesamt ihren Nachwuchs mit Insekten füttern.

Laut Experten können und sollten Vögel ganzjährig gefüttert werden.

Laut Experten können und sollten Vögel ganzjährig gefüttert werden.

Eine Auswertung der aktuellen Zahlen zeichnet ein erschreckendes Bild: In den letzten 220 Jahren ist der Vogelbestand in Deutschland um 80 Prozent zurückgegangen. Von insgesamt 265 Brutvogelarten sind bereits 10 Arten ausgestorben und weitere 30 sind vom baldigen Aussterben bedroht. Zu den großen Verlierern zählen vor allem diejenigen Vogelarten, die für die Aufzucht ihrer Jungen auf Insekten angewiesen sind, sowie auch Zugvogelarten, da diese mit immer stärker veränderten Lebensräumen auskommen müssen.

Geschäftige Vogeleltern

Während der Brutzeit sind Vogeleltern viel auf Achse: von 4 Uhr in der Früh bis um 10 Uhr abends fliegen Mama und Papa umher, um Futter für die Kinder zu organisieren. Gerade in dieser Zeit leben die Vögel vor allem „vom Schnabel in den Magen“ wie Professor Berthold erklärt. Die Eltern brauchen in diesen intensiven Wochen viel energiehaltige, fettreiche Nahrung, wie zum Beispiel Meisenknödel. Nur so können sie sich genug stärken, um die wenigen noch vorhandenen Insekten überhaupt fangen zu können. Wussten Sie, dass Kohlmeisen drei Wochen lang jeden Tag etwa 350-mal ihre Bruthöhle mit Futter anfliegen müssen, wenn sie die Brut erfolgreich großziehen wollen? Futter, das aber vorher aufgrund der Insektenknappheit unter großem Energieaufwand gefangen werden muss!

Solche Futterspender gelten als sehr hygienisch.

Solche Futterspender gelten als sehr hygienisch.

Erst wenn der Herbst beginnt, fangen die Vögel an, ruhiger zu werden. Denn gerade das Futtersuchen und Fliegen verbraucht etwa das Dreißigfache des Grundumsatzes und das sparen sich Vögel bei Kälte nach Möglichkeit gerne ein.

Ein meisengroßer Vogel von etwa 20 Gramm Körpergewicht verliert in einer frostig-kalten Winternacht etwa zwei bis vier Gramm, um seine hohe Körpertemperatur von rund 40 Grad aufrechtzuerhalten. Das entspricht 10 bis 20 Prozent seiner Körpermaße! Diese Tatsache alleine erklärt die Notwendigkeit für eine Fütterung im Winter. Damit die Vögel davon am besten profitieren können, empfiehlt es sich, diese bereits im September mit ihrer Futterstelle vertraut zu machen und darauf zu achten, dass es im Winter zu keinen Futterengpässen für die Tiere kommt.

Jeder naturnahe Garten hilft!

Aus Bertholds Sicht kann den Vögeln langfristig nur geholfen werden, wenn wieder mehr Naturschutz- und Biotopflächen zur Verfügung stehen. Als Sofortmaßnahme empfiehlt der Ornithologe jedoch, dass vor allem einheimische Singvögel gerade auch im Sommer (also das ganze Jahr hindurch) gefüttert werden! Zusätzlich helfen besonders naturnahe Gärten den Vögeln, wieder ausreichend Brut- und Nistplätze zu finden. Mit der weit verbreiteten Angst vor „fetten“ Vögeln räumt der Experte jedoch auf. Denn viele wildlebende Vögel lassen sich auch vom besten Futterangebot bei Futterstellen nicht einfach „durchfüttern“. Trotz des vorhandenen Körnerangebots gehen Vogeleltern im Sommer weiter unbeirrt auf Insektenfang für ihre Jungen. Sie nutzen das bereitgestellte Körnerfutter lediglich als zusätzliches Angebot für ihre Jungtiere. Berthold sagt dazu: „Jungvögeln hilft derartiges Futter in unserer an Insekten immer ärmer werdenden Zeit, Engpässe in der Nahrungsbeschaffung durch ihre Eltern zu überleben.“

Ein bisschen Hygiene sollte schon sein!

Grundsätzlich sind Vögel seit Jahrhunderten darauf eingerichtet, ihr Futter aus Misthaufen zu ziehen. Eine entsprechende Untersuchung eines Tierarztes an 1‘200 Vögeln hat dahingehend auch keinerlei Auffälligkeiten ergeben. Es empfiehlt sich jedoch trotzdem, die Futterstelle oder das Häuschen vor jedem Füllen kurz zu reinigen. Erdnussspender, Meisenknödel und Futtersilos sind besonders hygienisch. Katzensicher ist eine Futterstelle übrigens erst, wenn sie auf einem glatten Pfahl freistehend und in mindestens 1,5 Meter Höhe befestigt ist.

Haus- und Gartenbesitzer dürfen auf ihrem Grundstück Wildvögel füttern. Wer eine Eigentumswohnung besitzt oder zur Miete wohnt, sollte sein Vorhaben vorher mit der Hausgemeinschaft beziehungsweise seinem Vermieter absprechen. Kleinvögel auf dem Balkon zu füttern ist erlaubt, solange der unter dem Balkon wohnende Nachbar dadurch nicht gestört wird.

Von einer Fütterung von Wasservögeln wie Schwäne, Gänse und Enten sowie auch Allesfressern wie Möwen, Tauben und Raben ist abzusehen – dies wäre aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes kontraproduktiv. Denn diese profitieren bereits jetzt von ihrem Zusammenleben mit den Menschen.

 

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Quellenangaben

„Vögel füttern – aber richtig“ von Peter Berthold & Gabriele Mohr, erschienen im Kosmos-Verlag

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